26. May

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Sonntag, 21. Dezember 2009

Ich kann es Ben nicht sagen. Die Mutter seines verstorbenen Freundes hat uns ihre Hilfe angeboten. Sie trägt Mitschuld an Alvins Tod. Sie und Jackson und die Hauptgötter und die Titanen.

Er denkt, er könne den Schmerz verstecken, indem er die Augen schließt. Doch seitdem wir das Hotel verlassen haben, schwingt eine unheilvolle Energie in jeder seiner Bewegungen mit. Ich weiß nicht, ob ich sie spüre, weil sie so offensichtlich ist, oder weil ich Ben inzwischen so gut kenne oder weil es an einer spät gezündeten Fähigkeit liegt. Aber sie ist da. Ein dunkles Magnetfeld, das droht, ihn zu zerreißen.

Der Stein trifft die Wand knapp neben der abgeplatzten Fließe unterhalb des Lower Bay Station-Schriftzuges. Begleitet von Keramiksplittern fällt er zwischen die Schienen und kullert unter ein Filmplakat. Darauf wandert eine Gestalt durch eine verwaiste Straße. Hinter ihr ruht eine halb aus den Gleisen gesprungene Straßenbahn. Die fiktionale Abenddämmerung taucht alles in unwirkliches Violett. Vom untersten Rand des Posters grinst mich ein Smiley an, der sich eine Pistole gegen die Schläfe drückt. Jemand hat einen neongelben Punkt über das Smiley geklebt. Auf dem schwarzen Untergrund wirkt es wie eine kleine Sonne, die traurig auf den Selbstmord unter sich blickt.

Sollte es eine Handgranate sein, schicke ich sie Iris mit einer Drachme. Halb im Scherz, halb im Schmerz gesagte Worte.

Dabei ist ein neues Camp für alle Halbgötter keine schlechte Idee. Dort könnten wir die Dinge besser machen, bei denen Camp Half-Blood versagt hat. Aber dass wir dafür die Hilfe der Götter benötigen, lässt mich innerlich aufschreien. Selbst wenn es ihnen nur darum ginge, plötzlich ihre Elternrolle wahrzunehmen, wenn es nicht nur politisches Kalkül oder der Versuch wäre, uns unter Kontrolle zu halten – selbst dann sitzen die Wunden zu tief, um mir nichts, dir nichts zu verschwinden.

Ich taste nach einem neuen Stein und wiege ihn in der Hand. Der kleine Haufen neben mir stammt aus dem Gleisbett. Ich habe sie gestern Morgen mit den Steinen für die Begrenzung der Feuerstelle hochgeholt. Wenigstens Holz haben uns die Jägerinnen zur Genüge dagelassen.

Mit einem Klacken prallt der Stein von der Wand ab. Wieder daneben. Früher haben sie hier Filme gedreht.

Loa rekelt sich unter der Blümchendecke. Vom Feuer sind nur noch sanft tanzende Flämmchen übrig. Wo bleiben die anderen? Sie sind vor einer Ewigkeit aufgebrochen.

Ich greife neben mich. Nichts. Anscheinend habe ich mehr Steine gegen das fließenlose Rechteck an der Wand geworfen, als ursprünglich gedacht. Getroffen habe ich vielleicht zwei-, dreimal. Ich hole aus, doch bereits vom Abwurfwinkel her kann ich sagen, dass auch dieser Stein sein Ziel verfehlt. Er trifft die lange Linie des Y in Bay und stürzt ins Gleisbett.

Vom Herumsitzen sind meine Beine eingeschlafen. Mühsam rapple ich mich auf und trete mehrmals auf der Stelle, damit das Gefühl in sie zurückkehrt. Dann trotte ich zum Holzstapel. Kein loses Brett mehr. Seufzend werfe ich einen Blick zu Loa. Ich ziehe eine Kiste aus dem Stapel und halte sie fest, während mein Stiefel herabsaust. Krachend löst sich ein Brett. Kleine Splitter bohren sich in meine Handfläche. Wundervoll.

Ich trage das Brett zur Feuerstelle und werfe es in die Glut. Funken stieben auf, verlieren sich im Neonlicht der Station.

„Sind die anderen zurück?", fragt Loa oder zumindest glaube ich, dass sie das fragt. Wegen des Gähnens verstehe ich sie kaum. Sie fährt sich über die Augen und setzt sich auf. Ein Arm wird gestreckt, dann der andere.

„Nein, noch nicht." Müssten sie nicht längst zurück sein? Elias meinte, es sei nicht weit.

Loa richtet ihren Blick auf den Tunnel, in dem die drei vorhin verschwunden sind. Sie hat den Aufbruch verschlafen, aber an der Diskussion vor ein paar Stunden noch teilgenommen. Allerdings kam ihr Protest nur halbherzig. Böse bin ich ihr deshalb nicht.

Arma posterosque cano - Eine MMFF zu Percy JacksonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt