44. Elias

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Samstag 27. Dezember 2009

May zuckt, als ich den Wattebausch auf den Schnitt presse. Ein Tropfen der klaren Flüssigkeit rinnt ihre Stirn herab, doch ich tupfe ihn auf, bevor er ihre Augenbraue erreicht.

Die Wunde beginnt knapp über ihrem braunen Auge, durchkreuzt ihre Braue, um dann einen sanften Bogen über ihren Nasenrücken zu beschreiben und im Haaransatz zu verschwinden. Jedes Ares-Kind würde sich mit Händen und Füßen gegen Ambrosia wehren, nur um diese Narbe zu behalten. Eine richtige Piratennarbe. May hat Glück, dass das Messer ihr Auge verfehlt hat. Sonst wäre die Narbe nicht das einzig Piratenhafte an ihr.

Ich schnuppere am Desinfektionsmittel, lasse den scharfen Geruch wie reinigendes Feuer durch mein Hirn brennen. May hebt eine Augenbraue - natürlich die falsche - und zuckt erneut zusammen. Seufzend verkorke ich die Flasche und stelle sie zurück in den Kasten, dann klebe ich eine frische Kompresse über ihre Wunde.

Kein Ambrosia für sie. Der Schnitt ist lang, aber nicht tief. Selbst ohne Ambrosia wird er bei guter Pflege kaum mehr als einen silbernen Strich hinterlassen.

Außerdem herrscht in unserem Ambrosiavorrat erschreckende Leere. Ebenso beim Nektar. Chthonians Krankenstation war gut ausgestattet, aber ich habe nicht daran gedacht, mehr mitzunehmen. Also muss sich May mit den herkömmlichen Mitteln und Kräutern zufrieden geben und bei unserem Neuling muss ich streng rationieren.

Ich wende mich Kyoya zu, während May aus dem Wagen klettert. Er krempelt die Beine der Latzhose hoch, an deren Säumen Matsch klebt, da er ständig drauftritt.

Mechanisch entferne ich den Verband und untersuche die Verletzungen. An den Rändern sind sie bereits nicht mehr so tief wie am Vortag und auch die schwierigeren Stellen, scheinen bereits zu verheilen. Dann stimmt die Menge an Ambrosia. Gut.

Ich tränke einen Wattebausch mit einer Kräuterlösung und reinige damit behutsam die Wunden. Die Arbeit geht schnell von der Hand, meine Finger bewegen sich wie automatisch. Groß darüber nachzudenken, brauche ich nicht. Was bedeutet, dass andere Gedanken mehr Platz finden.

Kyoya macht es nicht besser. „Es ist absolut okay, traurig zu sein. Oder wütend", sagt er leise. „Sie war deine Freundin. Und wenn du mit jemandem darüber reden möchtest, dann hört dir bestimmt jeder hier zu."

Wortlos schiebe ich ihm seine heutige Ambrosiaration in den Mund. Das muss ich mir nicht anhören. Nicht von jemandem, der so wirkt, als würde er eher von einer Klippe springen, als über seine eigenen Gefühle zu sprechen.

Sein von Kauen erfülltes Schweigen nutze ich, um die Verbände an seinen Beinen zu wechseln und zu seinen Armen überzugehen. Auch hier scheint alles den Umständen entsprechend gut zu verheilen. Ich wiederhole die Prozedur: Untersuchen, Kräutertinktur auftragen, Mullauflage befestigen, verbinden. Ein simpler Rhythmus, festgefahrene Bewegungen, die Sinn ergeben.

Danach die Stelle an seinem Schlüsselbein. Ich muss nur noch ein bisschen durchhalten.

Kyoya schluckt den letzten Bissen Ambrosia runter, bevor ich mit dem Verband am zweiten Arm fertig bin. „Wann hast du eigentlich vor, wieder zu reden?"

Ich funkle ihn müde an, mache mir jedoch keine Illusionen. Du ähnelst einem Kätzchen, wenn du wütend bist", hat Darius mir nach der ersten Auseinandersetzung mit Nora erzählt. Als wolltest du jemandem die Kehle herausreißen, aber deine Krallen sind zu weich und mit piepsigem Fauchen. Richtig knuffig.

Kyoya schnappt nach Luft, als ich den Verband in der letzten Windung ein wenig zu vehement anziehe. Rasch clippe ich ihn fest und drücke Kyoya eine frische Kompresse, die Flasche mit der Medizin und ein Päckchen Schmerztabletten in den Schoß, bevor ich so überstürzt aufstehe, dass ich die Transporterdecke streife.

Arma posterosque cano - Eine MMFF zu Percy JacksonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt