58. Ben

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Mittwoch, 31. Dezember 2009

Ich höre es im Wind. Das Rauschen der Wellen kann man von den Stufen vor der Haustür nur erahnen, doch die Luft singt in rotgoldenen Tönen. Rotgolden wie in Rotgold, dem Metall. Wenn ich genau hinhöre, höre ich die Anspannung vor einem Wettrennen, kurz bevor der Startschuss fällt. Eine Menge, die über Politikerwitze grölt. Freunde, die während eines gemeinsamen Spieleabends lachen. Es erinnert mich an Samira.

Hinter all diesen Bildern aus Klang erhebt sich eine Insel. Heller Strand, stachelige Pflanzen und eine über allem thronende Festung. Sie ist nicht groß, aber massiv. Als sei sie direkt aus dem Felsen gewachsen. Der Gesang stammt von ihr.

Ein Klappern aus dem Haus zerrt mich zurück in die Wirklichkeit. Ich kneife mehrmals die Augen zu, um die Musik abzuschütteln. Loa klopft gegen das Küchenfenster und hält fragend eine Packung Toast hoch. Ich rapple mich auf. Während ich mich von dem Gesang habe einlullen lassen, ist die Sonne aufgegangen, die den Hof nun in ein sanftes Blau taucht. Die Stunden kurz vor der Morgendämmerung sind die beste Zeit für einen Angriff aus dem Hinterhalt und ich vermassle meine Wache, weil ich mit offenen Augen träume. Ich sehe mich im Hof um, doch alles scheint beim Alten. Im Blumentopf neben der Haustür entdecke ich eine Biene und nehme es als Zeichen, dass Elias bereits unterwegs ist.

„Guten Morgen", sage ich, als ich die Küche betrete.

Loa legt den Zeigefinger auf die Lippen. „Die anderen schlafen noch. Frühstück?"

Ich nicke und flüstere: „Guten Morgen. Haben sich die Kakteen bei dir gemeldet?"

„Das klingt, als meintest du eine Gang. Und nein." Sie steckt das Brot in den Toaster und holt Marmelade aus dem Kühlschrank. „Bei dir?"

„Wenn, dann hat diese Insel sie mit ihrem Gesang übertönt." Meine Hand schwebt über der Kaffeemaschine. Loa nimmt eine Tasse aus dem Schrank, stellt sie darunter und drückt auf Power.

„Meine Mutter ist während meiner Schicht von der Arbeit gekommen. Wir können eins der Universitätsboote benutzen, die werden heute eh nicht gebraucht. Wir sollen es nur am Stück zurückbringen."

„Du weißt, wie man ein Boot fährt?"

„Yeah, ist nicht so schwer. Zumindest bei den kleinen Uni-Booten. Die sind idiotensicher."

„Perfekt für dich." Grinsend nehme ich einen Schluck Kaffee, spucke ihn aber beinahe aus, als sie mir gegen den Arm boxt.

„Manchmal musst du auf deinen Platz verwiesen werden", gähnt Elias und streckt sich in der Küchentür, bis seine Gelenke knacken. Er trottet zur Kaffeemaschine. „Ruhige letzte Schicht gehabt?"

„Sehr ruhig. Neuigkeiten vom Hafen?"

Elias gähnt erneut. „Erst nach dem Kaffee. Bin noch nicht los."

„Oh." Ich lehne mich gegen die Anrichte, sodass ich den Hof vom Fenster aus gut im Blick behalte. „Könntest du mit den Bienen hier reden, damit sie bei der Überwachung helfen?"

Loa nimmt den Kaffee aus der Maschine, trinkt einen Schluck und drückt die Tasse Elias in die Hand, bevor sie sich den Tellerstapeln in einem Regal zuwendet. Elias streckt ihr die Zunge raus. „Das kommt darauf an. Wildbienen sind nicht so gesprächig gegenüber Aristaios-Kindern wie Honigbienen. Und man kann nur so viel als verständliche Information in einen Tanz packen."

„Gut zu wissen." Ich nehme eine zweite Tasse aus dem Schrank und stelle sie unter die Maschine. Als der Kaffee durchgelaufen ist und Elias fit genug wirkt, betrete ich mit den beiden Tassen das Wohnzimmer.

Kyoya liegt ausgestreckt auf der Luftmatratze. Seit ich für meine Schicht aufgestanden bin, hat er sich nicht bewegt. Bei der Einteilung gestern Abend ist mir Elias zur Seite gesprungen, damit Kyoya keine Schicht übernehmen muss. Er hatte in der letzten Zeit noch weniger bequeme Schlafmöglichkeiten als der Rest von uns. Auf der Decke ruhen seine von der Säure vernarbten Arme und er atmet kaum merklich. Der Junge aus dem fremden Camp schläft wie eine Leiche. Er hätte an der Grenze bremsen können. Ich war dabei, als Anna und Hanno die Abtrennung zur Hydra geöffnet und ihn im Dunkeln zurückgelassen haben. Mein eigenes Misstrauen kommt mir absurd vor, doch Menschen tun sich und anderen furchtbare Dinge an, um ans Ziel zu gelangen. Jackson hat eine Brücke mit seinen Verbündeten in die Luft gesprengt. Versuche, Kyoya zu vertrauen, aber halte die Augen offen.

Arma posterosque cano - Eine MMFF zu Percy JacksonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt