43. Loa

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Freitag, 26. Dezember 2009

Die Stille ist erdrückend. Wenn fünf Halbgötter beieinandersitzen, ist es niemals still. Irgendwer murmelt immer, spielt an seinem Reißverschluss oder wippt auf den Fußballen. Seit fünfzig Meilen hat niemand mehr gesprochen.

Auch vor Chthonian haben wir nicht permanent geredet, doch May hat – obwohl sie das sicherlich nicht zugibt – beim Lesen der Karte die Ortsnamen geflüstert. Elias Summen hing in der Luft, während Samira... Samira hat...

Da ist eine Lücke, wo sie sitzen sollte. Wir sind immer noch zu fünft, doch eine von uns fehlt. Es ist, als hätte man ein Stück aus unserem Herzen gerissen und Kyoya hineingequetscht plus diese fürchterliche Stille.

Nein. Er trägt keine Schuld. Stopf ihn nicht mit der Stille in eine Schublade.

Samira hat den Takt der Radiolieder mitgetrommelt.

Ich drücke auf die Lautstärketaste meines MP3-Players, bis Trashmetal durch meinen ganzen Körper dröhnt. May sitzt neben Ben, sonst würde ich ihr anbieten, mitzuhören. Götter, diese Playlist habe ich lange nicht mehr benutzt. Doch heute kommt mir der Musikgeschmack meines vierzehnjährigen verehrt-um-jeden-Preis-alles-was-meine-Mutter-hasst Ichs zu Gute, indem er die Stille wenigstens für den Moment aus meinem Kopf verbannt.

Wir rollen auf einen Parkplatz. Keine Ahnung, wann wir entschieden haben, dass Ben unser Hauptchauffeur sein soll. Er fährt seit Stunden, das Lenkrad eisern umklammert. Kyoya hat ihm nach dem Ramschladen zwar einen Fahrerwechsel angeboten, doch Ben hat nur einen Blick auf seine Beine geworfen und sich hinters Steuer geklemmt, bevor ich ebenfalls fragen konnte. May kommt nicht in Frage und Elias... seit dem letzten Abend in Chthonian habe ich von ihm kein Wort mehr gehört.

Ben parkt den Wagen neben einer Zapfsäule und steigt aus. Seufzend ziehe ich die Kopfhörer ab. Als ich sie beiseite legen möchte, kleben Sandkörner an meinen Fingern. Ich schüttle mich und wische sie an meiner Hose ab, dann folge ich den anderen nach draußen.

Es ist eine dieser ganz gewöhnlichen Raststätten, wie ich sie in den letzten Tagen zu oft gesehen habe. Tankstelle, Fastfoodrestaurant, Trucks und Reisebusse auf dem Parkplatz. Aber hier liegt kein Schnee mehr, um die vermüllten Grünflächen, auf denen sich das Wasser staut, zu verstecken.

Ich verschwinde in die Toilette des Fastfoodrestaurants. Es ist sauberer als erwartet, statt Papiertüchern gibt es einen richtigen Handtrockner und die getrockneten Blumen in einer Vase zwischen den Spiegeln verleihen dem gefließten Raum ein paar Farbtupfer.

Trotz der Wärme dieses Ortes ist das Wasser kühl, als ich es mir ins Gesicht spritze und über die Augenringe reibe. Während ich das Bandana abziehe und einen meiner Zöpfe neu flechte, verschwindet May in einer der Kabinen. Unsere Augenringe ergänzen sich hervorragend. Der letzte Schlaf liegt eine Ewigkeit zurück.

Eine schwere Süße schleicht sich auf meine Zunge, verklebt meinen Mund. Der wässrige Geschmack von Erdbeer-Käsekuchen vermischt sich mit dem Geruch der vertrockneten Blumen. Ich presse die Hand auf meine Kehle und unterdrücke ein Würgen. Samiras und Mays Lachen dröhnt durch meinen Schädel, wiedergeworfen von sandigen Fließen. Das war ein Abend, an dem Chthonian noch wie ein sicherer Hafen wirkte. Liegt er wirklich erst drei Tage zurück? Wie konnte ich das alles übersehen?

Die Frage kann ich mir selbst beantworten. Ich war geblendet von einem Kamerablitz namens Anna. Alles passte so gut zusammen: Menschen aus der Armee, ein verborgener Ort, den die Götter nicht kannten, Erholung von unserer ermüdenden Suche nach Sicherheit und eine Frau, die mir das Gefühl gab, ein wichtiger Teil von etwas Großem zu sein und mir damit den Kopf verdrehte.

Drei Tage später scheinen die Schmetterlinge in meinem Bauch eine umgekehrte Transformation durchlaufen zu haben und knabbern sich jetzt als Raupen genüsslich durch meine Eingeweide.

Arma posterosque cano - Eine MMFF zu Percy JacksonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt