24. Samira

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Samstag, 19. Dezember 2009

Die besten Verstecke sind die, die direkt vor der Nase der Sterblichen liegen. Kein Mensch rechnet damit, auf einer belebten Straße eine seltene Blume zu finden, die sich mühsam ihren Weg durch den Asphalt gebahnt hat. Niemand sucht in einem Einkaufszentrum den Zugang nach Atlantis.

Auch ohne den Nebel blenden die Sterblichen Dinge aus, die sie nicht verstehen oder die nicht mit ihrem Weltbild übereinstimmen. Jeder rennt, rennt, rennt. Dabei müssten sie nur einmal innehalten und mit gespitzten Ohren lauschen.

Ich bin mir sicher, dass die Existenz des griechischen Pantheons längst aufgeflogen wäre, wenn die Menschen nicht ignorieren würden, was ihnen nicht in den Kram passt.

Die fünf abgeranzten Teenager zum Beispiel, die am Rand der U-Bahnstation herumlungern. Fettige Haare, zerrissene und blutige Kleidung, dunkle Ringe unter den Augen. Vermutlich unterscheiden wir uns kaum von jugendlichen Obdachlosen. Vorhin hat mir ein Mann eine 50-Cent-Münze auf den Rucksack gelegt, ohne mich richtig anzuschauen und ist schnell weitergeeilt. Gewissen beruhigt, aber nicht, dass wir ihn noch anbetteln.

Moment... sind wir nicht sogar obdachlos? Ein richtiges Zuhause haben wir schließlich nicht.

Mein Blick wandert zu der elektronischen Anzeigetafel über dem Bahnsteig. Noch zwei Minuten. Zumindest sind wir es nicht mehr lange.

Um diese Zeit befinden sich nicht mehr viele Pendler auf dem Weg zur Arbeit. Trotzdem warten wir nicht allein in der Station. Ein Mann in Anzug und mit einem Aktenkoffer in der Hand blickt auf seine Uhr. Der Anzug wirkt teuer, die Uhr wie aus Plastik. Er versucht bei irgendwem Eindruck zu schinden, aber kann sich nicht das Komplettpaket des erfolgreichen Geschäftsmannes leisten. Oder er ist zu geizig und legt nur Wert auf das, was sofort ins Auge sticht.

Eine Frau und eine Mädchen im Rollstuhl sind ins Gespräch vertieft. Die Frau wäre alt genug, um als ihre Mutter durchzugehen, doch die beiden ähneln einander kaum. Auf den Rädern des Rollstuhles schwimmen Fische durch die Unterwasserlandschaft eines Korallenriffs. Die Papageien- und Clownfische zwischen ihren Anemonen bilden einen merkwürdig fröhlichen Farbtupfer in der weiß gefliesten Umgebung der Station.

Unter dem Rauchen-verboten-Schild pafft ein Mann in den mittleren Jahren an einer Zigarette. Sein linker Fuß wippt zum Takt der Musik, die leise aus seinen Kopfhörern dringt.

Keiner von ihnen wirkt wie ein Monster. Falls sich unter ihnen ein Monster befindet, haben wir an seiner Seite gegen den Olymp gekämpft.

Ähnlich wie Camp Half-Blood verfügten die Stützpunkte der Armee über Schutzbarrieren. Satyre können eine große Gruppe Halbgötter leicht aufspüren und die meisten von ihnen verhielten sich dem Olymp gegenüber loyal. Zwischen dem Rat der behuften Ältesten und Underwoods Anhängern soll es Spannungen gegeben haben. Jacksons bester Freund wurde angeblich von Pan auserwählt, um die Natur zu retten, doch zwischen den beiden Parteien kam es nie zum großen Knall. Pech für uns.

Anders jedoch als die Schutzbarrieren von Camp Half-Blood lassen diese hier auch Monster durch, obwohl niemand ihnen die Erlaubnis erteilt. Ich glaube, das hängt mit einem Eid zusammen, den sie auf Kronos leisten mussten. Wesen unter Zeus' Kommando kommen nicht hindurch und dass der Stützpunkt unterirdisch liegt, macht es für Satyre besonders schwer, ihn aufzuspüren.

Trotzdem spielen meine Finger mit den Armbändern. Im warmen Metall ertaste ich die Rillen des Pfeilmusters. Ich hätte die Harpyie treffen müssen. Drei verschossene Pfeile und ich habe mich umwerfen lassen. Ich presse die Kiefer aufeinander. Meine Finger wandern weiter. Ich bin eine gute Schützin, besser als die Apollo-Kids. Was war los mit mir?

Arma posterosque cano - Eine MMFF zu Percy JacksonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt