42. Ben

32 6 2
                                    

Freitag, 26. Dezember 2009

Wir begraben sie unter einem rosafarbenen Himmel.

Über uns erstreckt sich ein nie dagewesenes Farbenspiel. Scharlachrote Adern durchströmen die sanften Pfirsichschlieren, die sich wiederum in das Rosarot des neuen Tages ergießen. Als würde Nike Eos ein Messer gegen die Kehle pressen, um den Tod ihrer mutigsten Tochter zu ehren. Ich hielt solche Himmel immer für den Stoff kitschiger Gedichte und Malereien; nicht real, sondern für Produkte eines überschäumenden Romantikers.

Es gibt nichts Kitschiges an einem Schlachtfeld.

Als ich mich aus dem Loch hieve und den Spaten in die aufgeweichte Erde ramme, verwandeln die ersten Sonnenstrahlen meinen Atem in flüssiges Gold.

Klein und weiß wartet Charlie am Ende des Feldweges, kaum zu unterscheiden vom Schnee der letzten Nacht. Eine Reihe Bäume zeigt an, wo sich der Fluss durch die Landschaft schlängelt. Ein paar von ihnen hat der Sturm entwurzelt. Ihre Äste haben Löcher in die Eisdecke gerissen. Schwarze Löcher, an deren Rändern sich Eisschollen türmen und von denen sich ein Spinnennetz aus Rissen ausbreitet.

Von der Kuppel des Hügels blickt man meilenweit über die Felder, die nur von vereinzelten Bäumen, Farmhäusern und Scheunen unterbrochen werden. Es ist ein guter Ort.

Ich stelle mich neben Kyoya, der sich gegen den Stamm einer der Eichen lehnt. Wir haben ihm angeboten, im Wagen zu bleiben, doch er hat darauf bestanden, sich den Hügel hinaufzuschleppen, um dabei zu sein.

Die graubraune Borke schmiegt sich kalt gegen meine Finger. Ich puste in meine Hände, bevor ich sie in den Jackentaschen vergrabe.

Loa nickt Elias zu und gemeinsam packen sie das Bündel an den verdrehten Enden der Decke. Die Erde bröckelt unter ihren Schuhen, als sie ins Grab hinabsteigen, doch sie halten das Gleichgewicht. Die grellen Farben der Blümchendecke schreien aus dem dunkelbraunen Untergrund zu uns herauf. Blumen sind zu friedlich für Samira.

Im Camp würden ihre Geschwister ein richtiges Leichentuch für sie gestalten. Wir würden sie verbrennen, anstatt sie auf einem Hügel in Missouri beizusetzen.

May schiebt sich an mir vorbei und klettert zu Loa und Elias. Die drei stehen dicht gedrängt, bis Loa als erste aufgibt. Sie drückt sich am Rand des Grabes hoch und lässt May den Platz, den sie braucht.

Keiner von uns hat es übers Herz gebracht, Samira die Drachme in den Mund zu schieben.

Die Münze schimmert dort unten im Zwielicht heller als sie sollte, als May sie ihr auf die Stirn legt. Auf den Stoff über ihrer Stirn. Keiner von uns möchte sehen, wie fahl sie ist oder wie ihr die Strähnen ins Gesicht fallen. Elias war es, der ihr die Augen geschlossen hat.

Obwohl sie bereits perfekt liegt, verschiebt May die Drachme ein letztes Mal. Dann schlägt sie auf Höhe von Samiras Händen die Decke zurück.

Ich erhasche einen Blick auf helle, vom Bogenschießen schwielige Finger.

Mit knappen Worten haben wir uns darauf geeinigt, ihr den Bogen nicht mitzugeben. Loa hat schwach protestiert, doch wir brauchen ihn. Stattdessen schiebt May einen Pfeil zwischen ihre Hände und das Messer, mit dem Anna sie angegriffen hat. Samira trug es bei sich, als sie aus dem Tunnel kam. Sie muss es mitgenommen haben, nachdem sie Anna unschädlich gemacht hatte.

Eine goldene Münze, ein strahlender Pfeil und ein Messer aus Himmlischer Bronze. Damit kann sie sich hoffentlich selbst beschützen.

May zupft die Decke noch einmal zurecht, bevor sie aus dem Grab steigt.

Elias verharrt am längsten. Eingesunkene Schultern, unbewegt, still. Doch schließlich reißt er sich los und klettert zu uns.

Schweigend stehen wir um das Grab herum. Die Sonne ist nun ganz hinter dem Horizont hervorgekrochen. Ihre Strahlen bringen die Felder zum Glitzern.

Arma posterosque cano - Eine MMFF zu Percy JacksonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt