Dienstag, 15. Dezember 2009
Jenseits des Long Island Sounds werden die Lichter eingeschaltet. Von hier kann ich sie nicht sehen, aber ich weiß, dass sie wie kleine Kerzenflamen erstrahlen, statischer als es Glühwürmchen jemals könnten. Eins dieser weit entfernten Lichter gehört meinem Vater. Er ist nur einen Steinwurf über das pechschwarze Wasser entfernt. Ob er jetzt am Fenster steht und zwischen den Vorhängen über der Küchenspüle nach Süden blickt und die Lichter des Camps sucht?
Seit dem Krieg habe ich mich nicht bei ihm gemeldet. Er weiß nicht, ob ich noch lebe oder in der Schlacht gefallen bin. Es kann ihm nicht egal sein, denn sonst hätte er nicht versucht, mich aufzuhalten.
Meine Hände ballen sich zu Fäusten und ich vergrabe sie tief in den Taschen meiner Jeans. Ein Frösteln läuft mir über den Rücken, lässt mich erzittern. Die winterliche Seebrise schneidet durch die Schichten meiner Kleidung.
Wütend kicke ich einen Stein in die Wellen, der mit einem sanften Ploppen untergeht, und presse die Arme dichter an meinen Körper, während ich mich abwende. Das Wasser hinter mir zieht Kreise und spiegelt den Lichtschein des Camps, als ich zur Nemesis-Hütte zurückstapfe. Das Camp erwacht allmählich.
Geh nicht, May! Du kommst nie mehr zurück.
Ich streife den Gedanken und das Bild meines Vaters, der händeringend im Türrahmen meines Zimmers steht und mir dabei zusieht, wie ich Socken und Waschzeug in meinen Rucksack stopfe, ab.
Was würdest du sagen, wenn ich erneut ginge, Vater? O'Connells lassen sich nicht brechen, das waren deine Worte.
Und wenn ich noch langer hierbleibe, gehe ich daran zugrunde. Im Camp herrscht eine verdrehte Gerechtigkeit und egal, wie sehr ich dagegen aufbegehre, nichts wird sich verbessern. Wenn ich weitermache, werde ich die Nächste mit extra Strafen oder gebrochenem Arm auf der Krankenstation sein. Wer kann ahnen, wo sie die Grenze ziehen werden? Chiron gehorcht treu den Hauptgöttern, wie er ihnen seit tausenden Jahren gehorcht, selbst wenn ihm missfällt, was sie tun.
Der Himmel über dem Camp ist klar, ab heute beginnen wieder die sommerlichen Tage. Die eisigen Winde am Strand sind die letzten Anzeichen dafür gewesen, dass in der Welt draußen der Winter Einzug gehalten hat. Zwar ist es auch in Camp Half Blood um diese Jahreszeit kühler, aber die Temperaturen fallen selten unter 15°C, geschweige denn unter den Gefrierpunkt. Schnee und Eis waren im alten Griechenland nie besonders wichtig. Nur wenn Zeus eine seiner „gönnerhaften" Phasen hat, darf Boreas über die Hütten wehen.
Allmählich kommt Leben in das Camp. Es ist noch immer dunkel, doch in den ersten Hütten werden die Läden aufgestoßen und die Lichter eingeschaltet. Erst Hermes, dann Apollon, Aphrodite... die anderen folgen. Auch Nemesis zählt zu den Frühaufstehern, sehr zu Damiens Verdruss.
Als ich eintrete, schält sich mein Bruder gerade aus dem Bett. Die Haare stehen ihm wild zu Berge, als habe jemand versucht, Stepptanz auf seinem Kopf zu veranstalten. Müde tappt er zum Bad und ich möchte ihm eine Warnung zurufen, doch er ist bereits auf die Wackelfliese vor dem Waagen-Mosaik an der Wand getreten. Seine Augen weiten sich, als sich der Boden unter ihm zur Seite neigt. Wild mit den Armen rudernd sucht Damien sein Gleichgewicht und fängt sich an der Wand ab. Dabei kommt er gegen eine der Waagschalen. Knirschend verschieben sich die schwarzen Marmorsteinchen und der Balken der Waage, vor dem Damien steht, sinkt nieder. Es ist nicht viel, aber man kann das Ungleichgewicht deutlich erkennen.
„Nahh? Hat Benvenuti dich wieder geärgert und du hast keine Antwort darauf gefunden?", kann ich mir ein Sticheln nicht verkneifen, während ich die Jacke abstreife und sie auf mein Bett lege.
Hastig tritt Damien einen Schritt zurück und die Waage richtet sich wieder perfekt aus. „Das kriegt sie heute zurück", gähnt er und reibt sich über die Augen, bevor er in unser Bad schlurft.
DU LIEST GERADE
Arma posterosque cano - Eine MMFF zu Percy Jackson
FanfictionDer Titanenkrieg ist vorüber, Camp Half Blood war siegreich. Auf beiden Seiten kam es zu hohen Verlusten, doch nun muss man nach vorne in die Zukunft blicken. Doch geht das überhaupt? Zwar verfügen die Nebengötter nun über eigene Hütten und jeder De...