66. Ben

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Samstag, 03. Januar 2010

„Die Wachen haben Charlie an Deck gebracht." Elias' Stimme dringt aus der Ferne zu mir. Loa hockt neben ihm, Kyoya steht mit dem Fernglas aus Samiras Gepäck an der Schießscharte. Ich sitze an der Wand gegenüber und beobachte die Stränge aus Musik, die sich um die drei herumwinden. Als Hanno und Martha an Land gegangen sind, sind sie für einen Moment schwächer geworden, mit ihrer Abfahrt erscheinen sie beinahe greifbar. Jetzt zerren sie an meiner Rüstung, fahren durch meine Haare, ziehen mich in Richtung der Mine.

Loa sagt etwas zu mir, doch es geht im Klang von aufeinanderschlagendem Metall unter. Eigentlich sollte ich an der Schießscharte stehen und die Verhandlung durch das Fernglas beobachten. Doch die Luft hat eine sirupartige Konsistenz angenommen und ich glaube nicht, dass ich mich bei der Beobachtung zurückhalten könnte. Wir haben noch unser Boot. So schwer kann es nicht sein, damit zu den Schiffen zu gelangen.

Aber May schafft das schon.

„Bist du dir da so sicher?"

Im Aufspringen zücke ich mein Schwert.

Ein Mann betritt den Turm. Seine graue Uniform verschmilzt mit der Morgendämmerung, das Gewehr, das über seiner Schulter baumelt, zeichnet sich jedoch deutlich davor ab.

Mein Blick huscht zu den anderen. Kyoya sieht auf das Meer hinaus, die Hände an das Fernglas gefroren. Eine Strähne, die sich aus Loas Zopf gelöst hat, steht trotz der Brise aufrecht. Ich höre weder den Wind noch das Summen von Elias' Biene, die wie in Bernstein gefangen in der Luft hängt.

„Was hast du mit ihnen gemacht?"

Der Mann kratzt sich an seinem zotteligen Bart. Durch den Dreck in seinem Gesicht leuchtet das Weiß seiner Augen unnatürlich hell, die Iris darin so dunkel wie die Flecken auf seiner zerfledderten Uniform. „Nichts. Du bist es, der nicht dort ist."

Ich kenne seine Stimme. Die Melodie hat ein Gesicht bekommen.

Ich sacke gegen die Wand. „May ist clever. Wenn jemand diese Verhandlungen führen kann, dann sie."

Der Sänger lacht auf. „Junge, das sind keine Verhandlungen, wenn beide Seiten planen einander zu verraten."

„Das weißt du ja am besten." Während ich geblinzelt habe, hat sich seine Uniform von Grau zu Dunkelblau verfärbt. Dadurch kann ich die Flecken nicht mehr erkennen, doch sie sind sicherlich noch genauso da wie die ausgefransten Säume und Löcher. „Du bist der Grund, weshalb ich sie nicht begleiten kann. Also beschwer' dich nicht."

„Du missverstehst mich." Der Soldat zieht einen Lappen aus einer Tasche seiner Uniform und beginnt, sein Gewehr zu polieren. „Ich mag May. Sie hat Potential. Nur glaube ich, dass sich dieses Potential am besten im Tandem mit dir entfalten kann. Euer Schachzug mit dem Streitwagen im Sommer? Wunderschön." Er seufzt. „Schade, dass sie mich nicht hören kann."

Ich habe das Gefühl, dieses Gespräch schon einmal geführt zu haben. „Woher weißt du, was im Sommer passiert ist? Du warst nicht dort." Warum höre ich dich, aber sie nicht?

„Dieser Krieg hat Wellen geschlagen, die ich bis hierhin gespürt habe. Und du träumst davon." Er schlingt sich das Gewehr über die Schulter und nickt zur Tür. Ich folge ihm auf den Wehrgang, wo wir uns nebeneinander gegen die Mauer lehnen.

„Egal, wer bei diesen „Verhandlungen" gewinnt, ich werde davon profitieren. Aber es wäre mir lieber, wenn du überlebst, kleiner Bruder. Zu zweit lassen sich die Kräfte besser verteilen."

Seine Stimme nimmt einen anderen Klang an, doch die Melodie bleibt die gleiche. Als ich mich zu ihm umdrehe, ist der Soldat verschwunden. An seine Stelle ist eine Frau getreten, deren rotbraun gefleckte Stola von Spangen aus bleichem Inselmetall gehalten wird. Auf ihrem von grauen Strähnen durchzogenem hellbraunen Haar ruht ein Kranz aus Apfelblüten, als wäre sie ein junges Mädchen und nicht viele Jahre älter als ich. An ihrem Gürtel hängt ein blutiges Messer.

Arma posterosque cano - Eine MMFF zu Percy JacksonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt