3. Loa

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Montag, 14. Dezember 2009

Ben ist schwer. Wie ein nasser Sack hängt er zwischen mir und Oak. Bei jedem Schritt schwingt sein Kopf von der einen auf die andere Seite. Ein dumpfes Stöhnen entflieht seiner aufgeplatzten Lippe, als ich über einen Stein stolpere und dabei gegen seinen Arm komme.

Ich presse ein angestrengtes „Sorry" hervor und ernte einen tadelnden Blick von Oak.

„Er kann froh sein, dass er kaum etwas mitkriegt", keucht sie. Auf ihrer Stirn sammeln sich Schweißtropfen und auch mir kleben Strähnen, die sich während des Trainings aus den Zöpfen gelöst haben, unangenehm auf der Haut. Valentina ist eine bessere Fechterin als ich und schon bevor Camilla und Ben beschlossen haben, sich gegenseitig umzubringen, wurden meine Arme schwer. Der Degen ist nicht meine Waffe.

Hinter uns zetert Camilla. Unweigerlich muss ich grinsen. Durch ihre gebrochene Nase klingt sie wie ein asthmatisches Ferkelchen. Ein sehr wütendes, asthmatisches Ferkelchen. Ich werfe einen Blick über meine Schulter und stelle fest, dass Valentina und ihre Brüder sie noch immer zurückhalten.

„Wie weit ist es noch bis zur Krankenstation?", stöhne ich. Und wie viel wiegt dieser Junge eigentlich?

Oak bleibt stehen. Sie atmet schwer und wischt sich über die Stirn. „Wenn du nicht dauernd reden würdest, Loa, wären wir vermutlich längst da." Ein verhaltener Vorwurf schwingt in ihren Worten mit.

„Du musst ja nicht antworten", erwidere ich, aber ich weiß, dass sie recht hat. Wir können nur so schnell gehen, wie die Langsamste von uns und wie Bens Schmerzempfinden es zulässt.

Ohne zu antworten, nimmt sie Bens Beine wieder auf und wir schleppen ihn weiter. Die Krankenstation liegt etwa zweihundert Meter von uns entfernt, dreihundert von der Arena aus. Beeindruckend, dass man Camilla noch so gut hören kann.

Ihr Schrei vorhin zerriss die Arena. Wie alle anderen dachte ich mir nichts dabei. Dass jemand im Training mal eins auf die Nase kriegt, ist nicht ungewöhnlich und Ben und sie gelten nicht gerade als Freunde. Vielleicht hätte ich da schon stutzig werden sollen. Hätte, hätte, Fahrradkette.

Erst Bens Schmerzensschreie haben die anderen Kämpfer und ich mich wachgerüttelt. Sie waren ein Schwall kaltes Wasser auf unsere erhitzten Gemüter. Seinen Gesichtsausdruck werde ich nie vergessen, als Valentina Camilla von ihm herunterschubste und den der Ares-Söhne auch nicht, als sie sie anblaffte, gefälligst ihre Schwester unter Kontrolle zu halten. Währenddessen schob Damien wenig sanft May aus der Arena. In der Armee hatte ich nicht viel mit ihr oder Ben zu tun, doch ich habe gehört, dass sie in Philadelphia und Manhattan in einer Einheit gewesen waren. Nemesis und Eris, das passt ja. Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hätte sie sich nur zu gerne auf Camilla gestürzt.

Zurück blieben ich und Oak Sanders, die gerade auf der Suche nach einem Trainingspartner in die Arena kam.

Und jetzt bin ich hier. Ich schleppe einen Jungen zur Krankenstation, der mich nicht mal mit dem Arsch anschauen würde, wenn sein Leben davon abhinge. Das ist die traurige Wahrheit. Ich bin weder bei den loyalen Campern noch bei den „Verrätern" sehr beliebt. Eigentlich sind Oak und Nicholas die letzten Personen, die noch freiwillig mit mir reden.

Die Krankenstadtion ist ein großer, lichtdurchfluteter Raum im Erdgeschoss des Haupthauses. Mit dem Rücken zum Eingang nutze ich meinen eingeschränkten Ellbogen, um die Tür aufzustoßen. Ein Schwall kühler Luft betritt den Saal mit uns und lässt die pastellgelben Vorhänge flattern.

Wir legen Ben auf dem nächstbesten freien Bett ab. Erneut stöhnt er auf, wir waren wohl etwas zu grob.

Den Jungen, der herbeieilt, halte ich wegen seiner blonden Lockenpracht erst für Will Solace und atme erleichtert auf. Erst als er mich grob beiseite schiebt und den seltsam und definitiv falsch abgewinkelten Arm zu untersuchen beginnt, erkenne ich ihn.

Arma posterosque cano - Eine MMFF zu Percy JacksonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt