15. Elias

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Freitag, 18. Dezember 2009 (immer noch)

Im Nachhinein betrachtet, war das mit dem Briefkasten eine bescheuerte Idee. Nicht nur, weil das Päckchen mit dem Olivenöl eh nicht durch den Briefschlitz passte, sondern auch, weil das Porto nicht gestimmt hätte. Hinzukommt die nervige Angewohnheit von amerikanischen und kanadischen Zöllnern, Päckchen auf Verdacht zu öffnen und den Inhalt nicht weiterzuverschicken. Onkel Aaron meinte mal, das liege nicht unbedingt daran, dass die verschickten Sachen illegal wären oder bestimmten Lebensmittelauflagen nicht entsprechen würden. Nein, die Zollbeamten behalten die Sachen lieber selbst und machen sich mit Weinen aus Kalifornien oder selbst gekochter Marmelade aus Saskattonbeeren eine schöne Zeit.

So verschwinden Jahr für Jahr Päckchen an der internationalen Grenze, im Abyssus der Postämter und Zollstationen. Sie erreichen nie ihren Empfänger. Also werde ich das Olivenöl und den Honig erst in Toronto aufgeben. Dann kommt es zwar zu spät, aber besser spät als in die Hände eines stinkigen Glatzkopfes, der den Eignungstest bei der Polizei nicht bestanden hat.

Bis jetzt habe ich noch niemanden getroffen, der dieser Theorie widersprochen hätte. Andererseits hegt Onkel Aaron ein tief verwurzeltes Misstrauen gegenüber allen staatlichen Behörden.

Und ja, dann war da noch die Sache mit dem Drachen.

Im Rückspiegel sehe ich wie May, den Kopf an eins der Regale gelehnt, schläft. Die dunklen Haare fallen ihr in die Stirn. Selbst im Schlaf sitzt sie noch aufrecht in die geblümte Decke gewickelt.

Ben hat es sich im Spalt zwischen Tür und Regal auf seinem Rucksack bequem gemacht. Sein verletzter Arm ruht auf seiner Brust, die andere Hand auf dem Knauf seines Schwertes. Im Traum rennt oder kämpft er; seine Beine zucken.

Loa kann ich im Rückspiegel nicht entdecken, doch ihr leises Schnarchen dringt hinter den Sitzen hervor. Zwischen Samira und mir leuchtet ein grellbunter Fetzen ihres Hawaiihemdes. Sie hat sich hinter uns breit gemacht, möglichst weit von Ben entfernt und mit May dazwischen. Keine schlechte Entscheidung.

Ich bin froh, dass sie schlafen. Mays anklagenden Blick könnte ich jetzt nur schwer ertragen genauso wie Bens bissige Kommentare.

Er war von Anfang an dagegen, dass ich Charlie kurz verlasse, um den Briefkasten auszuchecken. Das Einbrecher-Duo beschäftigte sich noch im Haus und weit und breit konnte ich niemanden entdecken. Nur eine Mutter lief mit ihrer kleinen Tochter im rosa Wintermantel vorbei und schenkte uns einen misstrauischen Blick. Sie zog das Mädchen näher zu sich heran und wechselte die Straßenseite. Klar, ein weißer Lieferwagen in einem familienfreundlichen Wohngebiet versetzt Mütter in Hab-Acht-Stellung.

Wer hätte auch ahnen können, dass Mays Vater mit einer Erkältung das Bett hüten oder dass ein Drache aus dem Nichts auftauchen könnte?

„Genau dafür hat man einen Fluchtwagenfahrer!", meinte May scharf.

„Einen Fluchtwagenfahrer, auf den man sich verlassen muss!", setzte Ben nach.

Die Zwei ragten als geschlossene, wütende Front hinter und neben mir auf, während ich Charlie durch die Vorstadt steuerte.

Sie haben ja Recht. Ich hätte den Wagen nicht verlassen dürfen, das war dumm. Aber es war wirklich nur ganz kurz und es ist ja nichts Schlimmes passiert. Sie sollen sich mal einkriegen.

Also habe ich ein „Entschuldigung, kommt nicht wieder vor" gestammelt. Nach der nächsten Kurve, in der May fast gegen eins der Regale stolperte, kletterte Ben zu ihr nach hinten und Samira nahm seinen Platz ein. Loa und sie hielten sich zum Glück aus der Diskussion raus. Noch mehr Vorwürfe könnte ich echt nicht gebrauchen. Besonders nicht von Loa, die sich in Sachen Verantwortungsbewusstsein ruhig an die eigene Nase packen könnte.

Arma posterosque cano - Eine MMFF zu Percy JacksonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt