56. Elias

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Dienstag, 30. Dezember 2009

In der Badewanne lebt ein Hummer. Was an sich kein Problem darstellt, denn eine Glaswand trennt meine Zehen von seiner bläulich schimmernden Schere. Das Wasser aus dem Duschkopf brandet gegen die Seiten des Aquariums und verschwindet gluckernd im Abfluss. Ich drehe den Hahn zu und steige aus der Duschwanne. Das Problem ist, dass es wirkt, als würde der Hummer mich beobachten. Zum Glück sitzt er allein in seinem mit Kies befüllten Becken. Nach der Aphrodite-Hütte sind Livvies Schafe die schlimmsten Lästermäuler des Camps.

Der Hummer klickt lautlos mit seiner einen Schere, während ich mich abtrockne. Mein Blick fällt auf den Verbandskasten im Regal unter dem Waschbecken. Nach wenigen Sekunden werde ich fündig. Die Tube ist klein, aber ungeöffnet. Ich trage die Salbe in einer dünnen Schicht auf dem grauen Narbengewebe an meinem Oberschenkel auf. Dabei konzentriere ich mich auf die Bienen, die ich auf dem Weg hierher zurückgelassen habe.

Salzwasser und toter Fisch am Hafen, vermischt mit Eiscreme und Boottreibstoff. Eine warme Brise streicht über den kleinen Körper. Charlie steht genau dort, wo wir sie zurückgelassen haben. Jetzt, wo wir weg sind, riecht sie beinahe lebendiger als vorher. Niemand schenkt ihr Beachtung.

Der Geruch von Kaffee bei der Biene, die ich an einer Straßenecke auf dem Weg zurückgelassen habe, ist überwältigend. Aber ich bin mir nicht sicher, ob er reichen würde, um den penetranten Erdgeruch von Chthonian zu überdecken. Ich lande sie auf einem verwaisten Kuchenteller am Café und lasse sie an den Schokokrümeln knabbern.

Biene Nr. 3 kauert in einem Blumentopf nahe der Hofeinfahrt. Frisch gewaschene Wäsche, staubige Pflastersteine, etwas Süßes, das nach Orange duftet.

Vorsichtig ziehe ich die Hose über die Narbe und lege die Tube zurück in den Verbandskasten der Familie Sánchez. Später werde ich mir selbst welche besorgen. Mit den schwindenden Vorräten aus meinem eigenen Kasten versorge ich die Stellen an meinem Arm, an denen ich während des Grenzscharmützels Bienen eingebüßt habe. Ich betrachte die Ansammlung aus Pflastern im Spiegel, bevor ich mich seufzend fertig anziehe und aus dem Badezimmer trete.

Im Flur wartet Kyoya neben einem Wäschekorb. „Ihr sollt eure Sachen einfach reinschmeißen, dann wird gleich eine Maschine angemacht." Er selbst trägt ein blau-grün-weiß gemustertes Hawaiihemd und eine Jeans mit abgeschnittenen Beinen über dem Arm.

Ich schaufle den Inhalt meines Rucksacks in den Korb. „Wir schauen nachher nochmal nach deinen Verletzungen, ja?"

Er nickt und verschwindet im Bad. „Oh, warte!", schaffe ich noch, dann ertönt ein erschrockenes Quietschen. „Er ist harmlos", rufe ich durch die Tür. „Einfach nicht das Glas vom Aquarium nehmen." Kurz darauf ertönt die Duschbrause und ich bleibe noch einen Moment vor der Tür stehen und lausche dem Rauschen des Wassers. Keine Stimmen.

Vier Köpfe drehen sich zu mir, als ich auf die Terrasse trete und frage: „Warum ist da ein Hummer in der Badewanne?" Töpfe voller Yucca-Palmen, Trompetenblumen und Oleander grenzen die schmale Parzelle vom Nachbargrundstück ab und beschatten die Karaffe Orangenlimonade auf dem Tisch.

„Ah, er", sagt Alejandra, als würde ihr die Existenz ihres Untermieters gerade wieder einfallen, „er ist der erste Hummer, der hier vor der Küste gefangen wurde. Eine Schere, aber ziemlich lebhaft. Ich versuche rauszufinden, wie er das warme Klima verträgt. Hummer sind hier eigentlich nicht heimisch."

„Das meeresbiologische Institut wird momentan saniert und der Platz ist knapp", beantwortet Loa meine Frage, als ich mich neben ihr auf die Bank quetsche. „In meinem Zimmer steht ein Tank voller Seesterne."

Loa ist keine große Person, doch neben ihrer Mutter wirkt sie winzig. Alejandra Sánchez überragt sogar Ben um eine Fingerbreit, dabei ist sie aber so schlank und robust wie die Yucca-Palmen hinter ihr.

Arma posterosque cano - Eine MMFF zu Percy JacksonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt