POV: Emma
Der Kontakt zu Robert hatte sich seit der Party auf das absolute Minimum beschränkt. Annalena und er hatten lediglich beruflich miteinander zu tun, mit mir herrschte leider komplette Funkstille. Wäre es rein nach mir gegangen hätte ich wahrscheinlich schon längst den Kontakt gesucht, auch wenn auch ich der Meinung war, es wäre an Robert sich zu entschuldigen. Aber ich konnte mit Streit nicht gut umgehen, wollte meine Zeit nicht damit vergeuden sauer auf jemanden zu sein, der mir wichtig war. In dem Fall aber wollte ich keinen Alleingang wagen sondern Annalenas Gefühle respektieren. Mehrmals hatte ich sie bereits gebeten, sich mit ihm auszusprechen aber bei beiden schien der Schmerz noch zu tief zu sitzen, um darüber zu reden. Natürlich konnte ich Annalena verstehen, er hatte uns nicht nur diesen intimen Moment geklaut sondern sie anschließend auch noch bis aufs Blut gereizt aber dennoch fehlte er mir. Er fehlte mir als Freund, als jemand der für mich da war während Annalena auf Reisen war. Und das war sie auch seit dem Tag nach der Party wieder. Dieses Mal stand ihr Antrittsbesuch in Kanada auf dem Programm. Vier lange Tage ohne Annalena und zugegebenermaßen war diese Reise für mich schwerer zu ertragen als alle vorhergehenden. Und das lag nicht nur an der Situation mit Robert, sondern vor allem an der kanadischen Außenministerin.
Um mich irgendwie abzulenken spielte ich gelangweilt ein paar Akkorde auf dem Klavier, versuchte irgendwie aus den Ideen in meinem Kopf etwas zu komponieren. Etwas was gut klang bekam ich allerdings nicht zustande. Dabei hatte ich vor ein paar Wochen nur so vor Ideen gestrotzt als ich entschieden hatte doch wieder etwas in Richtung Musik zu machen. Ich hatte so dringend eine Aufgabe gebraucht, die mich glücklich machte und war dann darauf gekommen mit meinen Liedern zukünftig jungen Künstlern zu helfen, ihre Karriere aufzubauen. Aber irgendwie war heute kein guter Tag dafür, denn schon nach dem Aufstehen war meine Laune im Keller gewesen. Dank des Vollmonds hatte ich denkbar schlecht geschlafen. Hinzu kam dann auch noch, dass ich vor dem Schlafen gehen viel zu viel Zeit am Handy verbracht hatte und von einem Video zum nächsten kam. Wenn Annalena da gewesen wäre, wäre das sicher nicht passiert. Wenn Annalena da gewesen wäre, hätte es nämlich diese ganzen Videos gar nicht gegeben. Videos, die sie zusammen mit der kanadischen Außenministerin Mélanie Joly zeigten. Dass sie sich gut verstanden war kein Geheimnis, Annalena hatte oft mit mir darüber geredet, wie froh sie war, in Mélanie eine Freundin gefunden zu haben. Trotzdem kam ich nicht drumherum einen kleinen Stich in meinem Herzen zu spüren, die beiden so zusammen zu sehen. Das Internet liebte die beiden natürlich, sah in ihnen das neue Traumpaar und dadurch dass Mélanie und ich eine gewisse optische Ähnlichkeit miteinander hatten, war es auch für die Presse ein gefundenes Fressen.
„Baerbock mit kanadischer Version ihrer Frau im nächtlichen Montreal unterwegs"
„Baerbock und Joly: was läuft da mit der kanadischen Außenministerin?"
„Mélalena?"
Mit Annalena darüber gesprochen hatte ich bisher nicht. Auf dieser Reise hatten wir recht wenig Kontakt zueinander gehabt, was zum einen der Zeitverschiebung, aber zum anderen auch dem Fakt geschuldet war, dass sie in ihrer "Freizeit" viel mit Mélanie unternahm. Dass mich dieser Hype überhaupt so beschäftigte störte mich selbst, ich wusste doch, dass ich Annalena vertrauen konnte.
Angestrengt fuhr ich mir durch die Haare, so als könnte das meine Laune irgendwie verbessern. Doch das tat es natürlich nicht. Vor allem nicht weil ich wusste, dass Annalena und Mélanie auch die nächsten Tage gemeinsam verbringen würden. Annalena musste zwar jeden Moment zuhause ankommen, aber Mélanie war ebenfalls mit nach Deutschland gereist. Bevor beide dann in zwei Tagen nach Brüssel fliegen würden.
Ehe ich mich weiter in meinen Gedanken verlieren konnte hörte ich endlich wie der Schlüssel im Schloss umgedreht wurde. Wenig später stand dann auch schon eine strahlende Annalena vor mir und ich kam nicht drum herum mich zu fragen, ob nun ich oder Mélanie der Grund für dieses Strahlen waren.