POV: Emma
Die nächsten Monate waren geprägt von einem emotionalen Auf und Ab. Es war die reinste Achterbahnfahrt wieder in einen geregelten Alltag zu finden und all das Erlebte zu verarbeiten. Dabei war es vor allem Annalena, die sich schwer tat und während sie auf Reisen war sofort panisch anrief wenn ich nicht innerhalb von ein paar Minuten auf ihre Nachrichten antwortete. Nicht, weil sie mich kontrollieren wollte, das würde sie nie tun, aber weil sie dann jedes Mal wieder Angst hatte, mir wäre etwas passiert. Sie so zu sehen versetzte mir immer wieder aufs Neue einen Stich in meinem Herzen, es tat mir so Leid, dass sie sich nicht voll auf ihre Arbeit konzentrieren konnte, sondern immer diese Angst im Hinterkopf hatte. Einmal war es sogar so schlimm, dass ich sie kaum beruhigen konnte. Ich hatte mein Handy einfach nicht gehört weil ich so damit beschäftigt war neue Musik zu machen und hatte deswegen Annalenas Nachrichten erst nach vier Stunden gesehen. Anders als sie hatte ich ein Ventil, in dem ich alles verarbeiten konnte, die Musik. Annalena allerdings hatte das nicht, alles woran sie sich klammern konnte war ich und meinen Vorschlag, dass wir beide zusammen eine Therapie machen könnten lehnte sie ab. Sie hatte Angst, dass irgendwas davon an die Öffentlichkeit dringen könnte und man ihr ihre Kompetenz als Außenministerin noch mehr absprechen könnte, als das gewisse Kreise ohnehin schon machten.
„Emma?", rief Annalena als sie die Wohnungstür aufgesperrt hatte. Ihre Stimme hatte einen leicht panischen Tonfall, was mich kurz zusammen zucken ließ.
„Im Wohnzimmer."
Bevor ich auch nur irgendwie reagieren konnte stand sie auch schon im Raum, schaltete sofort das Licht an.
„Wieso sitzt du denn hier im Dunkeln? Ich dachte schon du wärst nicht da..."
Dass es schon dunkel war, war mir gar nicht aufgefallen. Ich war so vertieft in meinen Laptop, hörte mir gerade einige Demo-Tapes an, die wir in den letzten Wochen aufgenommen hatten, sodass ich alles andere ausgeblendet hatte.
„Ich hab gar nicht gemerkt, dass es schon so spät ist. Umso schöner, dass du dann jetzt wieder da bist und ich nicht mehr warten muss."
Annalena war für 3 Tage auf einer Reise in Zentralasien gewesen, ließ sich nun seufzend neben mich auf das Sofa fallen und streichelte meinen Arm auf und ab. Dass sie erleichtert die Luft ausgeatmet hatte war mir nicht entgangen, trotzdem schwieg ich erstmal und wartete wie sie sich von sich aus verhielt. Natürlich ging sie nicht darauf ein, überspielte ihre Angst und schaute neugierig auf meinen Bildschirm.
„Lässt du mich deine Musik irgendwann hören?"
„Hm wenn du brav bist darfst du vielleicht die Songs hören, die ich selbst aufgenommen hab", ich stupste kurz gegen ihre Nase, wusste, dass Geduld nicht ihre Stärke war und sie mit der Antwort nicht unbedingt zufrieden sein würde.
„Du hast selbst welche aufgenommen? Bitte lass sie mich hören. Bitte bitte bitte. Ich bin auch brav."
Ihre Unschuldsblick ließ mich fast dahin schmelzen aber ich durfte jetzt nicht schwach werden. Ich hatte schließlich ganz andere Pläne. Annalena wusste noch nicht, dass sie das Wochenende und den Montag frei hatte und wir zusammen an die Ostsee fahren würden. Für die Fahrt hatte ich ihr extra eine Playlist zusammengestellt, die sie auch auf ihren nächsten Reisen anhören konnte inklusive eben erwähnter Songs.
„Du wirst sie bald hören, versprochen. Aber jetzt erzählst du mir erstmal wie es dir die letzten Tage ging. Als du gerade zur Tür reingekommen bist hattest du schon wieder diesen besorgten Tonfall. Hattest du Albträume als du alleine schlafen musstest? Vielleicht solltest du doch nochmal darüber nachdenken mit mir zusammen zu einer Therapie zu gehen. Du musst dich dafür wirklich nicht schämen. Das ist kein Zeichen von Schwäche sondern von Stärke, das weißt du oder?"