POV: Annalena
Mein Handy hatte in den letzten Stunden mindestens zwanzig mal geklingelt. Sowohl Robert als auch meine Eltern riefen immer wieder an, schrieben mir unzählige Nachrichten und wollten wissen wo ich war. Dabei war ich nicht mal weit weg, saß den restlichen Tag über zusammengekauert ganz oben im Treppenhaus und doch schaffte ich es nicht zurück zu gehen. Ich wusste, dass es falsch war, dass es das schlimmste war, was ich Emma in dieser Situation antun konnte und doch konnte ich nicht über meinen Schatten springen. Ich versuchte alles auszublenden, dachte wenn ich mich dem allen nicht stellte würde es auch nicht wahr sein.
Vor Erschöpfung war ich wohl irgendwann eingeschlafen, war mehr als verwirrt, als mich zwei Hände wach rüttelten. Robert hatte offensichtlich mein Versteck gefunden, wahrscheinlich hatte mich die Krankenschwester, welche mir vorhin etwas zu trinken brachte, verraten oder er kannte mich schlichtweg zu gut und wusste, wo ich mich hinflüchten würde.
„Annalena was zur Hölle machst du hier oben? Geh zu Emma, sie hat den ganzen Tag nach dir gefragt. Du kannst sie jetzt nicht alleine lassen!"
Sein eindringlicher Blick ließ mich schwer schlucken, aber mein Körper schaltete sofort wieder in den Verdrängungsmodus.
„Emma ist stark, sie schafft das auch ohne mich", flüsterte ich vor mich hin, wagte es nicht Robert dabei in die Augen zu sehen.
Mit einem lauten Seufzen setzte er sich hin, hob meinen Kopf mit seinem Zeigefinger vorsichtig an.
„Du kannst das nicht ignorieren. Das geht nicht einfach so weg wie ein Schnupfen. Sie wird sterben ohne eine neue Leber. Verstehst du das Annalena?"
Ich zuckte kurz zusammen, drehte mich panisch von ihm weg. Weder konnte ich seinem Blick stand halten, noch wollte ich seine Worte hören.
„Nein! Nein nein nein! Sie darf nicht sterben! Sie darf es einfach nicht..."
„Schau mich an, bitte."
Zögerlich traf ich seinen Blick, spürte wie meine Fassade wie ein Kartenhaus im Wind weggeblasen wurde. Seine Hände legten sich auf meine Schultern, ließen nicht zu, dass ich erneut auswich.
„Ich weiß, es ist verdammt schwer und es zerreißt mir selbst das Herz, aber wenn sie wirklich stirbt, könntest du es dir verzeihen nicht mehr bei ihr gewesen zu sein? Hat sie es nicht verdient, dass du an ihrer Seite bist und ihre Hand hältst? Annalena, da unten liegt Emma, die Frau, die alles für dich tun würde, DEINE Frau. Sie kann nicht einfach aufstehen und zu dir kommen, sie ist darauf angewiesen, dass du deinen Hintern hochbekommst und zu ihr zurück gehst. Ihr habt euch doch geschworen in guten wie in schlechten Zeiten füreinander da zu sein und ja, ich weiß, das sind die schlimmsten Zeiten, die es nur geben kann, aber geh verdammt nochmal zu ihr. Du hast recht damit, dass sie stark ist aber sie hat Angst und sie will gerade niemand anderes an ihrer Seite haben als dich!"
Die Worte trafen mich wie ein Blitz, alles in mir schicken zu brennen. Den Kampf gegen die Tränen hatte ich längst verloren, ich schluchzte hemmungslos, wurde von Robert in seine Arme gezogen. Kraftlos schlug ich immer wieder gegen seine Brust, wie als würde das irgendetwas ändern.
„Ich weiß nicht wie ich damit umgehen soll Robert. Bitte sag mir, dass das nur ein schlechter Traum ist! Ich brauch sie doch, es fühlt sich an als würde mir jemand mein Herz heraus reißen."
Er antwortete mir nicht, hätte sowieso nichts sagen können was die Situation irgendwie erträglicher machen würde. Stattdessen gab er mir die Zeit, bis meine Tränen von selbst versiegten, fuhr mir immer wieder beruhigend über den Rücken. Sein Schweigen war genau das richtige, ich musste selbst irgendwie mit diesem Schmerz klar kommen, der sich wie ein heißes Eisen in meinem Herzen eingebrannt hatte.