POV: Annalena
Besonders tief schien ich nicht geschlafen zu haben, denn ein ganz leichter Druck auf meine Hand ließ mich sofort die Augen aufschlagen. Emmas Augen waren noch immer geschlossen aber ich konnte eindeutig einen erneuten Druck spüren, sah wie ihre Finger sich enger um meine Hand legten. Kurz beobachtete ich ihre kleinen Bewegungen, war so fasziniert davon, dass ich übersah wie ihre Augen aufflatterten.
„Hi", flüsterte sie, ihre Stimme noch ganz verschlafen und viel rauer als sonst.
Ihre blauen Augen ruhten auf mir, ließen mit einem Mal die ganze Anspannung von mir abfallen. Sie war wieder wach, war bei mir und damit zurück im Leben. Ihren Blick jetzt auf mir zu spüren gab mir so viel, es war die Gewissheit, dass das vorhin wirklich nur ein böser Traum war.
„Emmi endlich", auch ich flüsterte nur, die Tränen verschleierten mir immer mehr die Sicht. Ich brachte kein weiteres Wort mehr heraus, legte stattdessen sanft meine Stirn gegen ihre.
„Bin ich tot?"
Überrascht richtete ich mich auf, strich über ihre Wange.
„Was? Nein, wie kommst du denn da jetzt drauf?"
„Du weinst..."
Eilig wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht, musste kurz lachen bevor ich meine Lippen auf ihre presste. Dieses Mal waren ihre Lippen weich und warm, ganz anders als in meinem Traum. Diese Erkenntnis traf mich irgendwie, ließ mich diesen Moment noch viel mehr genießen weil ich wusste, dass mein Traum genauso gut Realität hätte sein können. Dass es verdammt knapp gewesen war und ich Emma wirklich fast verloren hätte. Diese Angst, sie zu verlieren, hatte Narben in mir hinterlassen, das spürte ich immer deutlicher und dieses Gefühl würde auch so schnell nicht verschwinden. Schon beim Gedanken daran, sie aus den Augen zu lassen wurde mir ganz schlecht. Nicht mal jetzt wollte ich mich von ihr lösen, hätte ihre Lippen gern für alle Ewigkeit an meinen gespürt und sie ganz nah an mich gedrückt. Aber ich durfte nicht nur an mich denken. Emma hatte eine schwere Zeit hinter sich und das letzte was ich wollte war es, sie zu überfordern.
„Nein Emma, du lebst und du hast die OP gut überstanden. Ich bin so froh dich wieder zu haben und ich lass dich ganz sicher nie wieder gehen."
Sie schenkte mir ein zartes Lächeln, nickte kurz und schloss dann wieder die Augen. Für eine Weile dachte ich, sie wäre einfach wieder eingeschlafen, aber nach einigen Minuten tastete ihre Hand nach meiner. Meine Finger verschränkten sich sofort mit ihren, während durch meinen Kopf gleich wieder sämtliche Horror-Szenarien schossen.
„Brauchst du was Emmi? Soll ich einen Arzt holen?", den besorgten Unterton konnte ich trotz aller Mühe nicht wirklich verstecken.
„Nein mir gehts gut, mach dir bitte keine Sorgen. Ich will nur deine Hand noch ein bisschen halten. Außer du möchtest gehen, du bist ja schon eine Ewigkeit hier und sicher auch müde."
„Nein! Ich geh nirgendwo hin, versprochen."
Die Worte sprudelten wie aus der Pistole geschossen aus meinem Mund. Ob ich nur bleiben wollte, damit Emma nicht alleine war oder mehr deshalb, weil ich es selbst nicht ertragen konnte ohne sie zu sein, war mir in dem Moment nicht ganz klar. Bei Emma schien es anders zu sein, sie konnte mich trotz ihres Zustands wie ein offenes Buch lesen, kannte mich wohl besser als ich es selbst tat.
„Wann warst du das letzte Mal zuhause Anna?"
Verwirrt schaute ich sie an, dachte kurz nach. Sie wusste die Antwort, das sah ich ihrem Blick nun an, aber sie wollte es von mir hören.
„Ich...Vor eurem Unfall, also an dem Morgen, als ich eigentlich nach München wollte und so blöd war, mich nicht mal von dir zu verabschieden. Das war alles so ein großer Fehler, einfach zu gehen und dich alleine zu lassen, obwohl ich dir versprochen hatte an dem Tag mit dir zur Besichtigung zu gehen. Dass du hier liegst, dass du fast gestorben bist, das ist alles meine Schuld. Ich kann verstehen, wenn du mich nicht sehen willst aber Emma, ich will nicht gehen, ich will bei dir bleiben. Bitte schick mich nicht weg."