POV: Annalena
Ich versuchte wirklich mein bestes stark zu sein seit wir im Krankenhaus angekommen waren. Aber was heute passiert ist, so schlimm es auch für Emma gewesen ist, riss mir den Boden unter den Füßen weg. Zu sehen, dass man mir die beiden kostbarsten Menschen beinahe vor der Nase weggeschnappt hatte, mein eigener Mitarbeiter mich so sehr hasste, dass er bereit war Emma und unser ungeborenes Baby zu opfern, war zu viel. Ich hätte am liebsten geschrien, geweint und gleichzeitig irgendwo dagegen geschlagen weil ich nicht wusste wohin mit meinem Schmerz und meinen Schuldgefühlen. Aber es ging nicht, ich musste meine Emotionen hinten anstellen, schließlich ging es hier nicht um mich.
Während der Untersuchungen hatte ich es immerhin geschafft für Emma eine Stütze zu sein, konnte sie beruhigen und mit ihr gemeinsam alle Fragen des Ärzte-Teams beantworten. Sie war stark, genauso wie unser Baby, aber ich spürte trotzdem, dass ihr die Ereignisse ziemlich in den Knochen steckten auch wenn sie versuchte, das alles erstmal zu verdrängen und sich nur auf Mia zu konzentrieren. Aber früher oder später würde sie die Erinnerungen einholen, kein Mensch konnte das einfach so abschütteln, und für diesen Moment musste ich gewappnet sein.
Schließlich wären wir ohne mich nicht in dieser Lage.
Dass ich meine eigenen Gefühle nicht einfach so wegschieben konnte wurde mir immer bewusster als wir die Diagnose der Ärztin gestellt bekamen. Mit jedem Satz, der gesprochen wurde, zerbrach mein Herz ein kleines bisschen mehr und ich musste mich wirklich konzentrieren, nicht aus dem Zimmer zu rennen weil mir so unfassbar schlecht war. Dass diese Zervixinsuffizienz wohl durch die psychische Belastung ausgelöst wurde war einerseits wie ein Messer, dass in meinen Rücken gerammt wurde, aber andererseits auch wie ein Messer, das ich Emma in den Rücken rammte. Sie konnte für all das nichts, sie hatte sich dieses Leben nie herausgesucht, machte sich durch nichts schuldig und doch sollte sie diejenige sein, die ausbaden musste, was meine Arbeit scheinbar provoziert hatte. zwei u aber es war nochmal auf eine andere Art und Weise schlimm für mich selbst. Als dann auch noch die Worte "Frühgeburt" und "Fehlgeburt" durch den Raum hallten, da war es vorbei, da zerbrach in mir endgültig etwas. So sehr ich mich auch bemühte, aber ich konnte es nicht zurückhalten und so kam nun doch ein leises, aber für Emma doch unüberhörbares Schluchzen über meine Lippen. Sie sah mich so verängstigt an, drückte meine Hand weil sie nach irgendeiner Art von Bestätigung suchte, dass alles gut werden würde und ich konnte ihr nichts geben. Es brach einfach alles über mich zusammen ohne dass ich es verhindern konnte. Ich wollte nicht zu einer zusätzlichen Belastung für Emma werden, ganz im Gegenteil, eigentlich hätte ich sie in meinen Arm nehmen müssen, aber stattdessen zog sie sich jetzt selbst an mich ran und schlang ihre Arme um mich. Ihren Herzschlag konnte ich an meiner Brust spüren, er war schneller als sonst, und auch ihre Atmung ging schwerer, zeigte mir so, dass sie aufgeregt war und Angst hatte. Für ein paar Minuten konnte ich nichts anderes tun als ihre Umarmung stumm zu erwidern, musste mich erst kurz sammeln, denn Gewissheit traf mich mit voller Wucht:Es war alles meine Schuld.
Wenn ich jemand anderes wäre, einen anderen Job hätte, dann wäre es nie soweit gekommen. Dann wären die beiden Menschen, die ich am allermeisten liebte, nie in Gefahr gewesen. Emma hätte eine entspannte Schwangerschaft gehabt und wir am Ende eine gesunde kleine Tochter in unseren Armen gehalten. Der Gedanke an ein "was wäre wenn", der tat verdammt weh und auch wenn ich wusste, dass es nichts bringen würde, konnte ich es doch nicht abschalten. Erst als Emma mit ihrer Hand über meine Wange strich schaffte ich es meine Gedanken etwas beiseite zu schieben.
„Tu das bitte nicht Anna."
„Was meinst du?", fragend sah ich sie an, hatte inzwischen nach ihrer Hand gegriffen und unsere Finger fest ineinander verschränkt.