POV: Annalena
„NEIN! EMMA!"
Panisch sah ich mich um, setzte Mia kurzerhand in einen herumstehenden Baukübel und gab ihr einen eiligen Kuss auf ihre Stirn.
"Mama ist gleich wieder da mein Schatz", versuchte ich sie zu beruhigen weil sie erneut anfing zu schreien.
So schnell ich konnte rannte ich anschließend an die felsige Kante der Kiesgrube und sah vollkommen aufgelöst in die Tiefe. Ich zitterte am ganzen Körper, spürte die Angst in jeder Faser meines Körpers und war komplett eingenommen von diesem Gefühl, Emma verloren zu haben. Ich hatte keine Ahnung, wie hoch das hier war, aber mir war klar, dass man so einen Aufprall nur schwer überleben konnte. Das erste was ich sah war Kims lebloser Körper, für welche wohl jede Hilfe zu spät kommen würde, von Emma allerdings fehlte jede Spur.
„Anna..."
Ich senkte meinen Blick etwas weiter, schaute dorthin, von wo das Wimmern herkam und ließ mich sofort auf den Boden fallen. Emma hatte es scheinbar geschafft sich trotz zusammengebundener Hände an einem herausstehenden Felsen festzuklammern und mit den Füßen an einem winzigen Vorsprung etwas Halt zu finden. Von selbst würde sie es auf gar keinen Fall wieder nach oben schaffen, es war eh schon ein Wunder, dass sie sich abfangen konnte und ich musste zusehen, dass ich sie irgendwie zu mir ziehen konnte. Lange würde sie das nicht aushalten. Ich musste mich relativ weit nach unten beugen, um an sie heranzukommen, konnte es aber gerade so schaffen und schlang meine Finger um eines ihrer Handgelenke.
„Lass den Felsen los und halt dich an mir fest Emmi! Ich versuch dich hochzuziehen", versuchte ich sie zu überzeugen, konnte die Panik in ihren Augen aber mit jeder weiteren Sekunde wachsen sehen.
„Ich kann nicht, ich hab Angst", wimmerte Emma und verlor genau in diesem Moment mit ihrem einen Fuß an Halt, als sich einige Steinbrocken lösten.
„Doch kannst du! Vertrau mir, egal was passiert, ich lass dich nicht los."
Sie hatte eigentlich keine andere Wahl, denn wenn sie mit ihrem zweiten Fuß ebenfalls den Halt verlieren würde, würde sie sich unmöglich halten können. Dennoch zögerte sie und sah kurz zwischen mir und dem Abgrund hin und her. Ängstlich blickten mich ihre Augen an, suchten nach einer Art von Bestätigung, welche ich ihr mit einem sanften Nicken gab. Scheinbar war es genau das, was sie noch gebraucht hatte, bevor sie sich mit ihren beiden Händen ebenfalls an meinem Handgelenk fest klammerte und sofort versuchte, sich etwas hochzuziehen. Aber anstelle dass sie es weiter nach oben schaffte, rutschte ich noch ein Stückchen nach unten ab, hatte nun auch Probleme mich so noch halten zu können.
"Verdammt! Lass es uns nochmal zusammen versuchen, auf drei. Eins, zwei, dreiiii", stöhnte ich und setzte meine ganze Kraft ein.
Erneut schafften wir es nicht, Emma nach oben zu ziehen und ich rutschte abermals ein Stück ab. Mit meinen Füßen suchte ich irgendwo nach Halt, während ich nochmal an Emmas Handgelenk zog. Beides allerdings vergeblich und inzwischen war auch ich gefährlich weit abgerutscht.
„Annalena, ich kann mich nicht mehr halten, lass mich los", flehte Emma mich an und wandte ihren Blick von mir ab.
„WAS? Nein auf gar keinen Fall, spinnst du?"
„Du musst Annalena. Wir fallen sonst alle beide."
Eine weitere Ladung abschüssiger Steine rollte den Abhang hinab, weshalb wir beide kurz zusammen zuckten. Die Panik in meiner Stimme konnte ich nun beim besten Willen nicht mehr verstecken.
„Hör auf sowas zu sagen, ich lass dich nicht los. Ich liebe dich!"
„Nein, du musst aufhören so egoistisch zu sein. Denk an Mia! Soll sie ohne uns beide aufwachsen?! Sie braucht dich", schrie Emma mich wütend an während sich die ersten Tränen ihren Weg bahnten.