chasing cars

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POV: Emma

Leider musste ich mich viel zu schnell wieder von Annalena verabschieden, ihr Kalender war wirklich bis zum Anschlag mit irgendwelchen Reisen gefüllt. Umso erleichterter war ich, dass wir uns vorher ausgesprochen hatten und ich mir zumindest was irgendwelche Hirngespinste anging keine Sorgen mehr machte. Sicherlich half es auch, dass wir uns beide in der selben Zeitzone befanden und jeden Abend über FaceTime quasi miteinander einschliefen. Dennoch gab es eine Sache, die mich immer mehr beschäftigte. Der Streit mit Robert.

Ja es war keine gute Aktion gewesen, aber am Ende des Tages sind auch auf beiden Seiten Aussagen gefallen, die den anderen verletzt haben. Trotzdem war ich sicher, dass das nichts war, was nicht mit einem klärenden Gespräch wieder gerettet werden konnte. Nur Annalena, die war so ein unfassbarer Sturkopf, dass sie das ganze Robert-Thema einfach ignorierte und in irgendeine Ecke ihres Köpfchens schob. Jegliche Versuche meinerseits sie zum Umdenken zu bewegen scheiterten bisher, aber aufgeben wollte ich dennoch nicht. Denn ich wusste, dass sie ihn tief in ihrem Inneren als Freund brauchte. Genauso wie ich.

Ziemlich übermüdet und für mich sehr unerwartet kam Annalena am nächsten Tag schon am Nachmittag nachhause. Ich hatte gerade ein Online-Meeting mit einer Künstlerin, die mit mir zusammen arbeiten wollte und konnte deshalb nur beobachten wie Annalena sich aufs Sofa fallen ließ und erschöpft ihre Schläfen massierte. Ich wusste, dass die letzte Sitzung gestern bis weit nach Mitternacht gedauert hatte und auch dass sie vom Flughafen direkt ins Auswärtige Amt gefahren war, aber so fertig hatte ich sie selten erlebt. Ohne ein Wort zu sagen machte ich ihr eine heiße Schokolade, brachte ihr diese ans Sofa bevor ich mich wieder meinem Meeting widmete. Sie war mir dankbar, das konnte ich in ihren Augen erkennen, aber trotzdem war da eine gewisse Traurigkeit, welche sich schon die letzten Tage abgezeichnet hatte.

Die ganzen Geschehnisse auf der Welt, die Stimmung in Deutschland, welche zu kippen drohte, und die zusätzlichen Anfeindungen im Bundestag, die sie zwar nach außen gut wegsteckte, die sie aber in Wahrheit doch trafen, zehrten an ihren Nerven. Ich hatte sie selten, wenn nicht sogar noch nie, so angespannt erlebt. Es war eine andere Anspannung, als die, die sie durchlebte wenn mit uns etwas nicht stimmte. Es war die Art von Anspannung, bei der ich nichts anderes machen konnte als einfach für sie da zu sein. Und es war auch die Art von Anspannung, bei der ihr sonst immer Robert half und sie als einziger was das berufliche anging wieder beruhigen konnte.

Als mein Telefonat endlich beendet war setzte ich mich zu ihr aufs Sofa, hob ihre Beine und legte sie über meinen Schoß. Weil ich wusste, dass ihr gerade nicht nach Reden war beobachtete ich sie einfach, wartete darauf, ob sie sich vielleicht von selbst öffnen würde. Zu meiner Erleichterung tat sie das auch irgendwann.

„Danke für den Kakao. Ich bin heute einfach irgendwie fertig."

„Schon gut, kann ich dir sonst irgendwie helfen?"

Sie schien ernsthaft über meine Frage nachzudenken, schließlich hatte ich auch mal für sie gearbeitet und war nicht ganz fremd was die politischen Abläufe anging. Dennoch schüttelte sie nur den Kopf.

„Es ist alles gerade ein bisschen viel, ich wünschte ich könnte mit...ach egal."

Ich wusste ganz genau, mit wem sie am liebsten reden wollte, wäre da nur nicht ihr verdammter Stolz im Weg. Eigentlich wollte ich sie heute nicht noch mehr nerven, aber sie hatte die Tür zu diesem Thema gerade selber geöffnet.

„Du wünschtest, du könntest mit Robert reden."

„Kann man dir denn gar nichts verheimlichen?"

„Nein, ich seh's dir doch an der Nasenspitze an."

Kurz stupste ich sie an, hauchte ihr danach einen Kuss auf die Lippen und sah zum ersten Mal auch ein leichtes Lächeln bei ihr.

„Annalena, bitte spring über deinen Schatten. Er fehlt dir, er fehlt mir und wahrscheinlich fehlen wir ihm auch. Morgen ist doch Mittwoch, das heißt ihr seid beide in Berlin. Was hältst du davon, wenn ich abends eine Lasagne mach und wir sprechen uns aus? Selbst wenn es schief geht hatten wir wenigstens Lasagne."

I see forever in your eyesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt