POV: Emma
Die nächsten Tage waren die reinste Achterbahnfahrt der Gefühle. Nachdem Annalena verkündet hatte, dass Kim vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen wurde war meine kleine, heile Welt erstmal in sich zusammen gebrochen. Eine ganze Weile hatte Annalena mich einfach nur in ihrem Arm gehalten, mir immer wieder versichert, dass uns nichts passieren würde, dass sie das niemals zulassen würde, aber doch beseitigten ihre Worte nicht alle Zweifel. Zu tief hatte sich die Angst eingenistet, dass etwas ähnliches wie damals passieren würde. Schlimmer noch, jetzt wo wir Mia hatten bekam diese Unsicherheit noch eine ganz neue Ebene. Sollte Kim sich wirklich an uns rächen wollen waren nicht nur Annalena und ich in Gefahr sondern auch unsere Tochter.
Erst hatte ich mit dem Gedanken gespielt sie zur Rede zu stellen, ihr zu sagen, dass sie uns gefälligst in Ruhe lassen sollte aber irgendwie brachte ich es nicht über mich. Ich wusste nicht wie ein Aufeinander treffen ablaufen würde, was ich fühlen würde und was sie fühlen würde. Vielleicht hatte sie sich im Gefängnis wirklich verändert und würde jetzt einfach irgendwo einen Neuanfang wagen. Da wollte ich nichts herauf provozieren, was für Annalena, Mia und mich am Ende in einer Katastrophe enden würde. Dennoch konnte ich nichts dagegen tun, dass ich schreckhafter denn je war, bei jedem Klingeln zusammen zuckte und nachts kaum ein Auge zubekam. Annalena versuchte zwar stark für uns beide zu sein, hielt mich nachts fest in ihren Armen und versuchte mich irgendwie zu beruhigen aber auch an ihr ging das nicht spurlos vorbei. Das konnte ich sogar bei der Übertragung aus dem Plenum erkennen. Immer wieder massierte sie sich müde die Schläfen oder fuhr mit ihrer Hand über ihren ganz offensichtlich verspannten Nacken.
„Mamiiii", rief Mia und zog an meinem Arm, scheinbar hatte sie schon vorher versucht auf sich aufmerksam zu machen, „Mia raus?"
Sofort hob ich sie auf meinen Schoß, drehte mich Richtung Fensterfront und sah grübelnd hinaus. Außen tobte ein kleinerer Herbststurm und es fing immer wieder an zu regnen, nichts wildes aber auch nichts für einen Besuch auf dem Spielplatz.
„Hm Mausi, wir haben heute nicht so besonders gutes Wetter", erklärte ich und haderte mit mir. Ich konnte verstehen, dass sie raus wollte, wir waren schließlich die letzten Tage fast nur innen gewesen. Obwohl ich ja bereits seit dem Vorfall in der Arztpraxis vom BKA begleitet wurde, hatte ich irgendwie Hemmungen raus zu gehen.
„Raus?", bettelte Mia weiter und sah mich mit diesem Annalena-Blick an, dem ich noch nie widerstehen konnte.
„Hm na gut, wir gehen eine Runde spazieren und bummeln mal durch ein paar Läden. Vielleicht finden wir ja auch ein schönes Café und können eine heiße Schokolade trinken. Was hältst du davon?"
„Jaaaaa", klatschte Mia in die Hände und drückte sich dann an meine Brust.
Kurz schloss ich die Augen und genoss einfach die Nähe zu ihr, wusste, dass ich alles in meiner Macht stehende tun würde, um unsere kleine Familie zu beschützen.
Nachdem ich Mia und mir etwas wärmeres angezogen und dem BKA kurz Bescheid gegeben hatte, wollte ich die kleine Maus gerade in ihren Kinderwagen verfrachten. Allerdings hatte ich dabei die Rechnung ohne sie gemacht, denn sie teilte mir lautstark mit, dass das nicht das war, was sie wollte.
„Schatz willst du das alles laufen? Es ist ganz schlechtes Wetter außen", versuchte ich sie zu überzeugen, Mia schien davon allerdings wenig beeindruckt und lief zur Garderobe.
Erst verstand ich nicht, was sie mir sagen wollte, als ich dann aber sah, wie sie am Gurt ihrer Trage zog, da musste ich grinsen.
„Willst du dass die Mami dich in die Umhänge-Trage packt Mia?"
Mia nickte nur und sah mich dann abwartend an. Sie war zwar mittlerweile fast zu groß dafür, aber wenn sie das heute wollte, dann würden wir das so machen. Ich hatte schließlich vorhin selbst gemerkt, wie gut mir die Nähe zu ihr tat und sie so an meiner Brust zu tragen, machte es mir vielleicht etwas leichter rauszugehen und mich wieder unter andere Menschen zu mischen.