Heute seit Ewigkeiten mal wieder ein Kapitel aus Annalenas Sicht. Lasst mich gerne wissen, wie ihr das findet und ob euch das Kapitel gefällt. Es ist ja doch etwas schwerere Kost...
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POV: Annalena
In mir tobte der reinste Sturm. Das alles gerade war unfassbar viel zu verarbeiten und zog auch mir den Boden unter den Füßen weg. Ich konnte verstehen, dass Emma einfach weglaufen wollte, dass sie frische Luft brauchte, aber sie einfach so wegrennen zu sehen tat weh. Ich war zwar nicht diejenige, die schwanger war, aber es war genauso mein Baby gewesen, das wir verloren hatten. Dass mir stille Tränen über die Wangen liefen hatte ich erst gar nicht gemerkt, erst als unsere Ärztin mir ein Taschentuch reichte, verstand ich.
„Es tut mir wirklich sehr Leid und auch wenn das zu einem frühen Zeitpunkt der Schwangerschaft passiert ist, aber es ist nie einfach. Geben Sie Ihrer Frau kurz, jeder geht mit so etwas anders um. Sie sind eine tolle Familie und Sie schaffen das."
Ihre Worte klangen dumpf und weit weg für mich. Ja, sie hatte Recht aber sie wusste nicht, wie Emma reagierte wenn sie in einer emotionalen Ausnahmesituation war. Ich wusste, dass sie impulsiv war, ich kannte sie, aber nicht mal ich konnte abschätzen, wie sie mit so einem Verlust umgehen würde.
Wie ferngesteuert verließ ich anschließend die Praxis, suchte erstmal außen nach Emma, aber wie ich es mir bereits vorher gedachte hatte war sie weg. Bei dem Anblick des menschenverlassenen Parkplatzes zog sich mein Magen sofort zusammen, verdammt Emma, wo bist du? Verzweifelt fuhr ich mit meiner Hand durch meine Haare, kramte anschließend in meiner Tasche nach meinem Handy, nur um bei Emmas Mailbox zu landen. Wir hatten uns doch beide so auf den heutigen Termin gefreut, wollten zusammen nach unseren kleinen Wundern sehen und jetzt stand ich hier, mit verschmierter Mascara und ohne eine Ahnung, wo meine Frau war.
Noch immer planlos wo ich sie suchen wollte stiefelte ich zum Auto, hier außen wurde es langsam kalt, und glaubte meinen Augen nicht, als ich die Tür öffnete. Emma saß auf apathisch auf dem Beifahrersitz, starrte gerade aus und schien mich nicht mal zu bemerken.
„Emma! Gott sei dank! Ich hab mir solche Sorgen gemacht!"
Ich hatte sofort nach ihrer Hand gegriffen, meine andere Hand auf ihren Oberschenkel gelegt und streichelte beruhigend auf und ab aber Emma drehte nur teilnahmslos ihren Kopf zu mir.
„Können wir nachhause fahren?", fragte sie in einem Tonfall, der so viel widerspiegelte. Schmerz, Verlust, Zweifel. Und all das brach mein Herz.
„Emma, wir sollten darüber-„
„Bitte."
Emmas Stimme war ganz leise während ihr Blick nun wieder starr nach vorne gerichtet war. Ich spürte, dass es jetzt gerade keinen Sinn hatte mit ihr darüber reden zu wollen. Ich kam nicht zu ihr durch, fand überhaupt keinen Zugang. Etwas, was in all der Zeit in der wir zusammen waren so noch nie passiert ist. Und etwas, was mir ziemliche Angst machte.
Die Heimfahrt verbrachten wir also in kompletter Stille. Emma hat das Radio ausgeschalten und schaute einfach starr nach vorne.
„Sollen wir irgendwo noch etwas mitnehmen? Brauchst du irgendwas?", versuchte ich es erneut, bekam aber wieder nur eine abwesende Antwort.
„Nein, ich brauch nichts, danke."
Emma schaute mich nicht mal an wenn sie mit mir sprach. Es war als würde sie all ihre Gefühle weg schieben, ihr Ton ganz sachlich. Ich seufzte verzweifelt, denn sie machte genau das, was sie als Kind gelernt hatte. Sie ignorierte das, was sie fühlte.
Zuhause angekommen ging sie sofort ins Schlafzimmer, zog sich kurz um und legte sich dann ins Bett. Ich war mittlerweile mehr als unbeholfen, wusste nicht, ob ich ihr erstmal den Raum geben sollte oder ob das dazu führen würde, dass sie sich noch weiter abkapselte. Seufzend schnappte ich mir mein Handy, telefonierte erstmal kurz mit meiner Assistentin, um Termine zu verschieben. Ich wusste schließlich nicht wie lange Emma sich so verkroch und wie der Umgang mit Mia sein würde. Bei dem Gedanken daran lief es mir eiskalt den Rücken herunter, schließlich verstand die kleine Maus doch noch gar nicht was hier passierte. Und auch der Rest der Familie hatte zum jetzigen Zeitpunkt keine Ahnung von alldem. Vielleicht sollte ich zumindest meine Eltern einweihen.