POV: Emma
„Frau Baerbock, es tut mir wirklich Leid, dass ich mich verplappert hab. Mir ist sowas in all den Jahren noch nie passiert. Wahrscheinlich war ich gerade selbst so voller Euphorie, dass man endlich das Geschlecht erkennen konnte."
„Schon in Ordnung, machen Sie sich keine Gedanken. Immerhin wissen wir es jetzt endlich", ich versuchte meine Gynäkologin wenigstens ein wenig zu beruhigen, während ich mir das kalte Gel von meinem Bauch abwischte, „mir wird schon was einfallen, um es für meine Frau trotzdem noch besonders zu machen."
Nachdem die Frauenärztin sich dann mit einem Nicken verabschiedet hatte, machte ich mich dran, mich wieder anzuziehen. Heute war eine größere Zwischenuntersuchung angestanden weil es sich aufgrund meiner Lebertransplantation doch um eine Risikoschwangerschaft handelte, auch wenn ich bisher keinerlei Probleme hatte. Eigentlich hätte auch Annalena dazu kommen sollen, aber sie war kurzfristig zu irgendeinem Notfall in den Bundestag zitiert worden und hatte es deshalb nicht rechtzeitig geschafft. Ich war nicht sauer auf sie, wusste, dass sie selbst am allermeisten enttäuscht war. Das Strahlen ihrer Auge bei jeder Untersuchung, bei der sie dabei war, gab einen kleinen Vorgeschmack darauf, wie sehr sie dieses Baby liebte und auch heute hätte sie mit Sicherheit nichts lieber erlebt, als die Herztöne unseres Babys zu hören. Dass ich nun das Geschlecht ohne sie erfahren hatte war unglücklich gelaufen aber ich würde ihr mit dieser Neuigkeit trotzdem eine Freude bereiten und ich wusste auch schon wie.
Weil ich es ihr einfach sofort erzählen musste - Ungeduld war wohl nicht nur Annalenas Schwäche sondern auch meine - beschloss ich kurzerhand in ihrem Bundestagsbüro vorbeizuschauen. Ich war eh schon viel zu lange nicht mehr dort gewesen, denn wir hatten uns dazu entschieden, die Schwangerschaft so lang es ging geheim zu halten. Wir hatten beide keine Lust auf die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und auch wenn innerhalb der Mitarbeitenden eine große Vertrauensbasis herrschte wollten wir doch kein Risiko eingehen. Dass es heute jemand merken könnte glaubte ich nicht, mein Oberteil war weit geschnitten und allzu groß war mein Bauch noch nicht. Die einzige, bei der es kritisch werden würde wäre Claudia, denn ihre Umarmungen sind immer so herzlich, dass sie es ganz sicher spüren könnte, wenn das Baby mich genau in dem Moment treten würde.
Um sicher zu gehen, dass es für Annalena auch in Ordnung war wenn ich kommen würde, hatte ich ihr vorsichtshalber eine kurze Nachricht geschrieben. Gleich würde sie noch zu Gast in einem Livestream sein aber anschließend hatte sie eine halbe Stunde Zeit und würde sich freuen wenn ich kommen würde. Dass das Essen in dem ganzen Stress oftmals zu kurz kam, wusste ich nur zu gut und gerade Annalena neigte dazu, ganze Mahlzeiten einfach wegzulassen, wenn ich nicht dafür sorgte, dass sie sich die Zeit dafür nahm. Weil es mit Sicherheit auch heute wieder so war, nahm ich ihr auf dem Weg noch einen Cappuccino in ihrem Lieblings-Cafe mit und packte für uns beide zwei Schokocroissants ein. Die Nervennahrung würde ihr sicherlich gut tun.
Weil ich vorher noch einen weiteren Stopp eingelegt hatte, war ich vollbepackt wie ein Esel als ich schließlich an Annalenas Bürotür klopfte und darauf wartete, dass sie mich herein bat. Ihre Mitarbeiterin hatte mir zwar grünes Licht dafür gegeben, dass ihr Livestream mittlerweile vorbei war aber nach einem Livestream war bei Annalena vor dem nächsten Interview, deswegen wollte ich auf Nummer sicher gehen nicht zu stören. Ihr Blick als sie mich dann in ihr Büro zog erreichte sofort mein Herz und als sie mir dann auch noch einen Kuss auf meine Lippen drückte zitterten mir die Knie fast genauso wie bei unserem ersten Kuss. Ich war mit einem Mal unfassbar aufgeregt und gespannt auf ihre Reaktion.
„Ich freu mich so dich kurz zu sehen! Dieser Tag heute ist...naja egal. Aber erstmal das wichtigste, wie war es beim Arzt? Alles in Ordnung? Es tut mir wirklich super leid, dass ich nicht mit konnte."