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»Lass es raus.« Dag streichelte über Vincents Rücken, der auf seiner Couch saß und die Beine dabei an den Körper gezogen hatte, während er abermals in Tränen zerfloss.

»Wie konnte sie mir das antun?«

»Ich ... ich weiß es nicht.«

»Weißt du, wie scheiße weh das tut?!«

Dag rieb weiter über den Rücken seines besten Freundes. »Nein.« , antwortete er leise. Er kannte das Gefühl nicht. Bisher hatte er nur den Schmerz von der anderen Seite wahrgenommen. Schmerzen, die er selbst anderen zugefügt hatte. »Darf ich ... ehm ... kannst du es mir zeigen?«

Vincent nickte und blickte ihm in die Augen, um den seelischen Pein mit seinem besten Freund zu teilen. Diese ... Atemnot und ... Engegefühl in der Brust. Dags Herz stolperte dabei kurz, als er dies ebenso verspürte. Dann noch dieser eklige Druck in der Magengegend. So als würde jemand mit Gewalt da etwas hineindrücken. Die Übelkeit in ihm stieg an und er sah eilig weg, um dieses Gefühl nicht weiter ausarten zu lassen. »Fuck.« , sagte er mitfühlend.

»Wieso tut sie mir das an? Ich dachte, ... ich dachte, sie liebt mich.« , begann Vincent aufs Neue.

»Ich ... ehm ...« Dag wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Schließlich hatte er Inès mehrmals auf diese Art wehgetan. Und bei Eva ... der Gedanke, sie könnte im gleichen Sinne so etwas verspüren, tat ihm extrem weh. Nun ... nun hatte er wahrlich den Schmerz gefühlt, den man dabei in der anderen Person auslöste. Und umso mehr hatte er nun ein schlechtes Gewissen und sah sich auch nicht so als der Richtige an, der ihn trösten konnte, wenn er selbst so jemand war. »Es ... es tut mir echt leid, was du ... gerade fühlst.«

»Ich hasse sie so sehr dafür. Ich ... ich dachte, wir werden alt zusammen.« Vincent schnappte sich ein Taschentuch und putzte sich die Nase, ehe er weitersprach. »Wir waren gerade erst beim Tätowierer. Dabei ... dabei ist sie da schon längst mit diesem Idioten in die Kiste gestiegen.«

»Vielleicht ... wenn du nochmal mit ihr ...«

»Nein. Das verzeihe ich ihr nicht. Niemals. Sie hat mich betrogen. Sie hat diesen Typen nahe an sich rangelassen, während ich ... nein, niemals im Leben. Sie hat mich ... sie hat mich komplett verarscht Dag. Sie hat mich angeschrien, ich würde sie vernachlässigen, während sie sich ihren nackten Körper hat ablecken lassen. Sie ist doch bestimmt, wie ich dich und Eva abgeholt hab', noch zu ihm gefahren. Sie hat doch diesen Streit mit Sicherheit nur provoziert, um ... na ja, um von mir wegzukommen, damit sie zu ihm kann. Sie ist so ... ich hätte das niemals von ihr gedacht. Niemals.«

»Ich weiß.« Dag kam sich blöd vor ihm nichts Aufmunterndes schenken zu können. Wie gehabt streichelte er fest über dessen Rücken. »Ich ... ich dachte halt nur ... du liebst sie ... und willst ihr noch eine Chance ...«

»Nein. Das kann ich nicht verzeihen. Ich sehe sie als komplett anderen Menschen an. Sie ist nicht die Bina, die ich ...« Erneut begann er Rotz und Wasser zu heulen.

»Du bist ein toller ... Mensch, Vincent. Wenn sie das nicht sieht, ist sie blöd.« War das richtig? Dag dachte sofort wieder an Inès. Sie hatte ihm so oft verziehen. Und er hatte seine Ex nicht als abstoßend oder grauenvoll angesehen, während er ... es war einfach nur seine schlechte Eigenschaft und ein Trieb gewesen. Geliebt hatte er sie trotzdem. Oder? Doch erklären konnte er das Vincent nicht.

Eva erschien nun auch in seinen Gedanken ... und die Fehltritte, die er indessen der Beziehung bereits getätigt hatte. Sein Versprechen an ihr, das er es hinbekäme und das er unbedingt wollte, das es klappt, war nun noch mehr in den Vordergrund gerutscht. Er hatte nicht vor Eva, wegen seiner Dummheit sich nicht in den Griff zu bekommen, zu verlieren. Allein der Gedanke, dass sie ihn anders ansehen würde, ängstigte ihn.

Doch jetzt war nicht der Moment an sich und seine Verfehlungen zu denken. Vincent benötigte Unterstützung. Das war wichtig.

»Was habe ich falsch gemacht?« , fragte dieser jammernd.

»Ich glaube nicht, das du etwas falsch gemacht hast. Auch wenn sie meinte, sie hätte sich ... vernachlässigt gefühlt. Ist das keine Begründung dafür, dass ...«

»Das ist nicht fair.«

»Nein, du hast Recht. Das ist es nicht.« Dag stand auf. »Lass uns ins Studio. Lass uns irgendwas machen, dass dich ablenkt.«

»Ich hab' keine Lust.«

»Doch. Du musst produktiv sein. Wenn du jetzt nur hier sitzt und jammerst, wird es nicht besser. Ich hab' zwar nicht dasselbe mitgemacht, aber ich kann mir vorstellen, wie es ist, immer nur an sie zu denken und zu wissen, dass es nie wieder so sein wird, wie es einmal war. Das macht krank, glaub' mir. Man kommt auf die idiotischsten Ideen ... die dann im Grunde eh nicht helfen.«

Vincent gab ein leichtes aufschnaufendes Lachen von sich. »Hab' keine Kreide oder einen Manipulator.« , sprach er an, um auf die Vorgehensweise seines besten Freundes zu deuten, was Inès betraf.

Dag lachte ein wenig. »Nee. Wir machen es besser. Ich ... ich bin da für dich, Tag und Nacht. Ich penn' hier, wenn du das willst. Ich steh' dir bei und ... keine Zeit zum traurigsein. Wir ...«

»Nein. Also ja, lass uns irgendwas machen, aber ... du musst nicht hierbleiben.«

»Mach' ich aber gerne.«

»Ich weiß, aber ... wie du schon sagst, es ... es ändert nichts. Es wird nie wieder so sein, wie vorher.« , äußerte er sich dazu. »Ich muss meinen Kopf frei bekommen. Ohne Manipulator. Frei von Bina und ihre ... Doppelzüngigkeit.«

»Ich steh' dir echt bei. Wenn du 'ne Bank überfallen willst, um dich abzulenken, ich bin bereit.«

»Eine Bank überfallen?«

»Ich mach' alles, solange du nicht den Kopf hängen lässt.« Dag hielt seine Hand ausgestreckt hin, um Vincent auf die Beine zu helfen. »Gibt das Leben dir Zitronen, machen wir Limonade daraus.«

»Ich glaub' Salz und Tequila wäre momentan die beste Kombi für mich, wenn man mir schon Zitronen in die Hand drücken muss.«

»Ja okay. Lass uns heut Abend saufen.«

Vincent nickte und putzte sich erneut die Nase. 

Wir sind keine Band, wir wollen die Macht übernehmen    (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt