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... und das jetzt ausgerechnet du, der Mensch den ich doch so doll lieb'. Wie soll ich jemals wieder einer Frau trauen, wo ich doch dachte, dass es keine gibt, die treuer ist, als du es bist. Du hast beteuert, dass du es bist. Oh Gott, wie bescheuert Vincent Stein ist. Und jetzt steh' ich hier, kann meinen Text kaum noch lesen. Er ist verschmiert, von all den Tränen ...

»Du hast ... Everlast benutzt?« , fragte Dag, als sein bester Freund ihm das Lied präsentierte, den er binnen eines Tages fertiggestellt hatte.

»Ja.« Er nickte. »Das war unser Song.«

»Ist gut. Hast aber ... dich nicht komplett an die Realität gehalten.«

»Nein. Ich will, dass sie sich angesprochen fühlt. Aber auch nicht so, dass sie mir an den Karren pinkeln kann. Hab' deshalb paar Sachen geändert. Jedoch nicht das Grundlegendste ... wie sehr sie mich verarscht hat.«

»Ich find' ihn gut. Und wenn er dir hilft nach vorn' zu schau'n, hau' ihn raus.« Vincent nickte und stieg aus seinem Auto aus. »Wieso sind wir eigentlich nicht mit den Öffis hergefahren?« , fragte Dag. »Trinkst du heut' nichts?«

»Doch. Ich lass den gleich hier stehen. Wollte dir halt die CD noch vorspielen.«

»Ach so.« Der Lockenkopf schlurfte neben ihm und überlegte, ob er Vincent darüber in Kenntnis setzen sollte, das Inès sich bei ihm gemeldet hatte. Vielleicht könnte er ihm sagen, was er machen solle. »Mich hat vorhin jemand angerufen.« , sagte er schließlich, als sie die Bar betraten.

»Aha. Und wer?«

»Inès.«

»Inès? Deine ... Ex ... Inès?«

Dag nickte. »Ja.«

»Und was wollte sie?«

»Sie hat gefragt, ob wir uns ... heut noch sehen könnten.«

»Hmm. Okay.« , sprach er und bestellte für sich und ihn je einmal Jacky Cola.

Dag sah ihn verwirrt an. Keine Belehrung? Nichts? Nur ein, hmm okay? »Was hältst du davon?« , fragte er ihn deshalb.

Vincent zuckte mit den Schultern. »Musst du wissen.«

»Vielleicht hätte ich aber gern deine Meinung dazu gehört.«

»Was willst du hören Dag? Lass es sein? Du hast eine Freundin?« Er nahm einen Schluck, als ihnen die Getränke hingestellt wurden. »Im Endeffekt machst du doch eh das, was du willst. Das macht jeder. Ohne Rücksicht auf Verluste.«

»Ich weiß aber nicht, was ich will. Ich mein' ... ich weiß es schon, also ... ich weiß ja nicht mal, wieso sie mich sehen will.«

»Wie gesagt ... mach' was du meinst.«

»Ich ... ich würd' sie gern wiedersehen. Ist das ... schlimm?«

Vincent schüttelte den Kopf. »Nö. Treue wird überbewertet und ist nur für Idioten.«

Dag hatte nicht mal erwähnt, er würde irgendwas mit Inès machen wollen und doch sprach sein Freund so, als hätte er ihm offenbart seine Ex noch an Ort und Stelle zu vernaschen. Wieso er so etwas von sich gab, war dem Gelockten natürlich klar. Es lag an Bina. Vincent hatte einfach den Glauben an die Liebe verloren. Das hatte er gestern schon erwähnt, als er meinte, er würde sich nie im Leben mehr eine Freundin nehmen wollen. Nur deshalb war er dann auch mit diesem einen Mädchen nach Hause gegangen.

»Vinne, es sind nicht alle ...«

»Was willst du Dag? Du willst doch nicht ehrlich meine Meinung dazu wissen?!«

»Doch. Eigentlich schon.«

»Nein Dag. Du weißt genau, was du willst. Meine Meinung ist dermaßen irrelevant, irrelevanter geht's schon nicht mehr.«

»Wie meinst du das?«

»Du willst sie sehen. Wäre dem nämlich nicht so, würdest du dir erst gar nicht die Frage selber stellen.« , sagte Vincent. »Dann wäre die Sache bekanntlich schon direkt aus deinem Hirn verbrannt, weil es dich nicht interessieren würde. Aber da Inès in deinem Kopf ist, willst du auch ein Treffen.«

So hatte Dag die Sache noch gar nicht gesehen. »Okay.« , sprach er schließlich. »Ich schreib' ihr, das wir uns gleich kurz treffen können.«

»Ja mach das.« Sein Freund bestellte beiden abermals Getränke, obwohl sie ihre noch gar nicht geleert hatten. »Lass uns noch ein bisschen bleiben, dann kannst du los. Treffe mich eh gleich nochmal mit der von gestern.«

Dag öffnete den Chat von Inès. Er hatte ihre Nummer vorhin gespeichert, als sie ihm diese geschickt hatte. Ein Profilbild von sich hatte sie nicht. Nur eine rosafarbene Rose war dort vor schwarzem Hintergrund zu sehen.

- Kannst du in einer Stunde? Dann würde ich zur Tischtennisplatte kommen.

Am angegebenen Ort hatten sie sich früher fast immer getroffen, weshalb er es auch nicht für nötig hielt, ihr mehr Infos diesbezüglich zu schreiben.

- Ja. Dann bis später. Ich freue mich. 

Wieder dieses Freuen ihrerseits und abermals meldete sich bei ihm dieses flaue Gefühl im Magen und sein Herz stolperte. Dag trank sein Glas leer und setzte direkt danach das Nächste an.

»Ich geh' pinkeln.« , meinte Vincent und stand auf.

Sein Freund sah ihm nach. Das dieser ihm keine Moralpredigt ans Ohr tackerte, verunsicherte ihn trotzdem derbe. Er war ... anders. Dag sprang vom Hocker und folgte ihm in die Männertoilette hinein.

»Du triffst also nochmal das Mädchen von gestern?« , startete er direkt.

Vincent pinkelte zu Ende und ging dann zum Waschbecken, wo Dag stehengeblieben war, um seine Hände zu waschen. »Ja.«

»War sie ... so nett, dass du sie gern wiedersehen möchtest?«

»Wir haben eigentlich gar nicht viel geredet. Kann also nichts zu ihrer Persönlichkeit sagen.«

»Und warum willst du dann ...?«

»Sex.« , antwortete er kurz und knapp.

»Ein wenig hatte ich ja Hoffnung, dass du jetzt Monopoly spielen sagen wirst, aber ...«

»Monopoly?« Vincent lachte auf. »Spielst du gleich Monopoly mit Inès?«

»Ich hab' nicht gesagt, das ich mit ihr ...«

»Ach Dag, erzähl das jemand anderen.« Er lachte weiter. »Du hast immer noch Gefühle für Inès. So einfach ist das. Wieso du deshalb Eva verarschst, keine Ahnung, aber ...«

»Ich verarsche sie nicht.« , dementierte er sofort. »Ich ... ich liebe sie.«

»Und Inès?«

»Das ist ...« , begann Dag und stoppte ab. »Ich verarsche Eva nicht. Ich liebe sie.« , wiederholte er leise.

»Doch.« , antwortete er. »Doch. Das tust du.« Er betrachtete sich im Spiegel.

»Manchmal ist das Leben halt nicht einfach Vincent. Ich weiß, dass du nur so sprichst, weil du ... weil du verletzt bist, aber ...«

»Sie hat mich verarscht. Und du verarschst im Grunde auch. Das ist die Menschheit Dag. Ich gebe dir nicht mal die Schuld dafür. Du hast dich anscheinend nur früher angepasst als ich. Ich war einfach nur zu naiv, das zu bemerken. Ich hab' irgendwie gedacht, das es so etwas gibt, wie große Gefühle. Die Eine, die es für immer sein wird. Aber nein. Das ist alles nur Schein und Trug. Das wird mir nicht nochmal passieren.«

Dag holte das Gerät von Krohuru heraus, das er ohne ersichtlichen Grund mit sich mitgeschleppt hatte. »Schade, dass das Teil nicht geht. Ich würde gerne in die Vergangenheit reisen, um den echten Vincent sein Fake-ich zu präsentieren.«

»Fake-ich? Ich bin immer noch ich Dag. Ich hab' nur dazugelernt. Mehr nicht.«

»Nein. So bist du nicht.« Dag drückte wahllos irgendwelche Knöpfe und hielt sich das Teil zur Schau getragen ans Ohr. »Ja hallo. Ich würde gern den alten Vincent wiederhaben, statt diesen verbitterten ...« Ein kleiner Ruck, wie ein Erdbeben, ließ den Raum erschüttern. »Fuck. Was war das?« Sein Freund zuckte mit den Schultern, als sich unter ihm plötzlich und unerwartet schnell ein schwarzes Loch, ähnlich wie in alten Cartoons, gebildet hatte, durch welches Vincent augenblicklich fiel. Dag blickte herein. »Vinne?« , rief er. »Fuck.« Er schloss die Augen. »Ich komme.« Mit einem Hops sprang er ebenso in die dunkle Öffnung hinein.

Wir sind keine Band, wir wollen die Macht übernehmen    (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt