• Kapitel 20 •

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Kapitel 20:
Flammen
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Die Schnapper hatten unsere Witterung aufgenommen. Es dauerte nicht lange, da waren sie wieder hinter uns. Sobald Corey und ich uns durch den Eingang der zum Tunnel führte, gequetscht hatten, schlug ich die Türe hinter uns fest zu. Nun standen wir in völliger Dunkelheit. Kälte umfing meine nackten Schultern, und ich hielt einen Moment inne, und lauschte.

Es herrschte Stille. Wir mussten die Schnapper abgeschüttelt haben. Ich erlaubte es mir, für einen Moment durch zu atmen. Corey entfachte ein Feuer in seiner Handfläche, und brachte somit etwas Licht ins dunkle. Besorgt musterte er mich, doch ich vermied seinen Blick, und sah mich stattdessen in dem Tunnel um, in dem wir uns befanden.

Das erste, was mir auffiel, war der höllische Gestank. Es roch widerlich.. doch das war leider noch nicht alles. Denn der Tunnel war mit Wasser überflutet. Hastig hob ich meinen Fuß hoch, doch es war schon zu spät. Meine Schuhe waren nass. Ich seufzte, und strich mir die Haare aus dem Gesicht. Immerhin gab es auch eine gute Sache zu berichten.. denn der Tunnel führte nur geradeaus. Somit konnten wir uns fürs erste schonmal nicht verlaufen.

Erwartungsvoll sah ich zu Corey hoch. „Na los. Lass uns gehen.." wisperte ich, und ging voran. Schweigend folgte er mir. Er taumelte nach wie vor etwas beim laufen. Mit schnellen Schritten ging ich voran. „Warte.." murmelte Corey, der Schwierigkeiten hatte, mir zu folgen. Seine Flamme war klein, und beleuchtete leider nicht sonderlich viel, weswegen meine Schicht ziemlich eingeschränkt war. Vorsichtig stützte ich mich mit den Händen an den kalten Steinwänden ab, um auf dem nassen Boden nicht auszurutschen.

Corey allerdings, war immer noch nicht nüchtern genug, um auf die selbe schlaue Idee zu kommen, wie ich, und es dauerte nicht lange, da rutschte er fast aus, und stieß gegen meinen Rücken.

Hastig hielt ich inne, und konnte mich gerade so fangen. „Sorry" murmelte er hinter mir. Ich atmete tief ein, und sammelte mich einen Moment. Schweigend setzte ich mich wieder in Bewegung. „Pass auf, und geh langsam" wies ich ihm an.

Er nickte, und ich spürte seinen warmen Atem in meinem Nacken, während wir weiter voran gingen. Es herrschte absolute Stille in diesem Tunnel, was schon fast beängstigend war. Seufzend setzte ich einen Fuß vor den anderen, während meine Gedanken immer wieder zu dem zurück wanderten, was in der letzten Stunde geschehen war.

Als ich bemerkte, dass mir Tränen in die Augen stiegen, hielt ich die Luft an. Nein. Nicht jetzt. Jeder andere Moment wäre okay, aber nicht jetzt.

Ich versuchte die Tränen zurück zu halten, und konzentrierte mich wieder auf meine Schritte. Mein Kleid war bis zum Oberschenkel gerissen, Schweiß, Mascara und Tränen klebten an meinen Wangen, und die Kälte machte mir zu schaffen.

Das zittern in meinen Händen begann wieder, und ein fetter Kloß bildete sich in meinem Hals. Plötzlich schossen mir wieder die Erinnerungen von Mr.Wels in den Kopf. Meine Mom.. Und er. Er war mein Vater.. Dieses Monster war tatsächlich mein Vater. Plötzlich traf mich die Erkenntnis wie ein Schlag ins Gesicht, und ich blieb abrupt stehen. Corey stieß überrascht gegen meinen Rücken.

Die ganze Zeit über, hatte ich gehofft, wenigstens hier, in der Welt des übernatürlichen, Zugehörigkeit zu finden. Ich hatte so sehr gehofft, meine leiblichen Eltern zu finden, und von ihnen geliebt und so akzeptiert zu werden, wie es meine Menschen Eltern niemals tun konnten. Und nun..  Nun hatte ich meinen leiblichen Vater gefunden, und es stellte sich heraus, dass er nichts weiter als ein abgrundtief bösartiges Monster war. Die Tränen kamen zurück, und ich presste mir meinen Handrücken gegen den Mund. Wieso? Wieso nur?

Wieso musste es so kommen? Alles, was ich jemals wollte, war geliebt, verstanden und akzeptiert zu werden. Doch wie es schien, war das einfach nicht für mich bestimmt. In keiner der beiden Welten.

Das zittern meiner Beine wurde so stark, dass mich meine Knie schließlich nicht mehr aufrecht halten konnten, und ich zusammen brach. Ich spürte das eiskalte Wasser an meinen Beinen, und mein Kleid, dessen Rock immer schwerer und schwerer wurde, umso mehr Wasser es aufnahm. Ich spürte das Beben meines Körpers, während ich heftig schluchzte, und die Kälte, die mich vollständig einnahm. Ich kämpfte nicht länger dagegen an, und ließ den Tränen einfach freien Lauf. Ich presste meine schwitzige Hand weiterhin fest auf meinen Mund, um das schluchzten abzudämpfen, und sackte  immer mehr in mich zusammen.

Die Leere war da, und sie nahm mich vollständig ein. Ich hatte das Gefühl, in ihr zu ertrinken.

Solange, bis ich plötzlich zwei starke Arme spürte, die mich behutsam gegen einen warmen Oberkörper drückten. Corey. Er sagte nichts. Er drückte mich lediglich fest an sich, und strich mir sanft über den Rücken. Meine Finger fanden an seinem Jackett halt, und krallten sich daran fest. Ich schluchzte heftig, und vergrub mein Gesicht dabei an seiner Brust. „Alles ist gut.. ich bin bei dir" flüsterte er in meine Haare. Ich drückte mich so fest ich konnte, gegen ihn. Er war das einzige, was mich in diesem Moment aufrecht erhielt, und mir halt gab. Er strahlte wieder diese unnatürliche Wärme aus, was mir verriet, dass er seine Körpertemperatur angehoben hatte, um mich zu wärmen, so wie er es damals getan hatte, als er mich auf seinem Rücken zur Akademie getragen hatte.

Die Knöchel an meinen Händen liefen bereits weiß an, doch ich lies ihn nach wie vor nicht los. Mittlerweile saßen wir wieder in völliger Dunkelheit, und außer meinem Schluchzen, war weit und breit nichts zu hören. „Ich lasse dich nicht los" wisperte Corey nach ein paar Minuten. „Niemals.."

Ich lauschte seiner Stimme, und beruhigte mich langsam wieder. Als mein Herz wieder einigermaßen gleichmäßig schlug, löste ich mich langsam von ihm. Ich hob meinen Kopf an, und meine Finger tasteten nach seinem Gesicht. Als sie es fanden, umfasste ich seine Wangen, und zog ihn zu mir herunter.

Keine Sekunde später trafen unsere Lippen aufeinander. Seine Hände wanderten in meine Haare, und ich zog ihn näher an mich heran. Er hielt mich fest, und erst nachdem ein paar Minuten vergangen waren, lösten wir uns atemlos voneinander. Mein Herz schlug wild in meiner Brust, und mein Bauch kribbelte vor verlangen.

Keuchend lehnte er seine Stirn gegen meine, und ich schloss meine Augen. „Alles wird gut Reyna.." flüsterte er leise. „Wir kommen hieraus, und dann wird sich alles richten." Ich seufzte leise.

Langsam löste er seine Stirn wieder von meiner, und entzündete erneut eine Flamme in seiner Hand. Vorsichtig hielt er sie zwischen uns, und sah mir aus seinen eindrucksvollen, braunen Augen, ernst entgegen. Völlige Erschöpfung überkam mich, und ich blickte ihm schwach entgegen.

Sanft wischte er mir mit seinem Daumen die Tränen von den Wangen, und lächelte mich an. „Na los. Lass uns weiter gehen.." sagte er. Ich nickte benommen, und er half mir dabei, aufzustehen. Als wir wieder standen, lies er seine Flamme erneut für einen kurzen Moment verglühen, und zog sich sein Jackett aus. Behutsam kam er auf mich zu, und legte es mir über die Schultern. „Hier.. dir ist kalt."

Ich lächelte schwach, und zog es enger um mich herum. Nach einem Finger schnipsen war die Flamme wieder da, und wir setzten uns langsam wieder in Bewegung. Diesmal gingen wir dicht nebeneinander, und Corey's Nähe gab mir die Kraft, um weiterzulaufen. „Wir haben es bald geschafft" flüsterte er. „Wir sind bald draußen."

Ich nickte schwach.

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