• Kapitel 25 •

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Kapitel 25:
das Niemandsreich
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Als ich in der nächsten Sekunde die eisige Kälte auf meiner Haut spürte, und den dicken Schnee unter meinen Schuhen, wusste ich, dass ich richtig war. Ich hatte es gefunden. Verwirrt sah ich mich um, doch genau wie das letzte mal, konnte ich auch diesmal nur eine verschneite Landschaft mit Bäumen ausmachen.

Fröstelnd rieb ich mir die Arme, und zog die Ärmel meiner Strickjacke weit über meine Hände. Wenigstens schneite es diesmal nicht. Ich blieb einige Minuten auf der Stelle stehen, und wartete auf Corey oder Jared. Aus einigen Minuten wurde dann eine viertel Stunde, und Verwirrung machte sich in mir breit. Wieso folgten sie mir nicht?

Hastig zog ich mein Handy aus meiner Hosentasche, auch wenn ich bezweifelte, dass ich hier Empfang haben würde.. Ich seufzte, als sich meine Befürchtung bewahrheite. Doch meine Empfangsanzeige war nicht das einzige, was mich stutzig machte.. Denn die Uhrzeit auf meinen Display war stehen geblieben.

Sie zeigte nach wie vor 14:32 an. Circa um diese Zeit musste ich durch das Portal getreten sein.

Nachdenklich steckte ich mein Handy wieder weg, und beschloss schließlich, ein paar Schritte zu laufen, damit ich nicht auf der Stelle einfror. Währenddessen verfluchte ich die Tatsache, dass wir uns für diesen Fall der soeben eingetroffen war, keinen Notfallplan ausgedacht hatten.

Ich lief einfach immer weiter geradeaus, und versuchte mich an den Weg zu erinnern, den ich das letzte mal genommen hatte, um zu Lunas Hütte zu kommen. Doch das war letztendlich zwecklos. Hier sah alles gleich aus, und eine Hütte kam auch nicht in Sicht. Seufzend blieb ich stehen, genau in dem Moment, in dem hinter mir ein leises klicken ertönte. Blitzartig erstarrte ich am ganzen Körper.

„Wer zum Teufel bist du? Und was willst du hier?" raunte mir eine männliche Stimme gefährlich ins Ohr. Ich spürte eine Waffe an meinem Hinterkopf, und mir lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. Ich zwang mich dazu, ruhig zu atmen, und hob langsam und vorsichtig die Arme in die Luft.

„Ich habe friedliche Absichten.." murmelte ich nervös. Die Stimme hinter mir lachte. „Na sicher.." Plötzlich wurde der Druck an meinem Hinterkopf stärker, woraufhin ich zusammen zuckte. „Wer zum Teufel bist du, und was willst du hier?" wiederholte die Stimme ernst. Mein Herz schlug schnell und Angstschweiß sammelte sich auf meiner Stirn als ich daran dachte, was das letzte mal geschah, als jemand eine Waffe auf mich gerichtet hatte.

„Mein.." stotterte ich. „Mein Name ist Reyna, und ich bin auf der Suche nach Luna Gallon."

Der Mann hinter mir verstummte plötzlich. Ich rechnete schon mit dem schlimmsten, und drückte meine Augen zusammen. Es herrschte für ein paar Sekunden Schweigen, bis er schließlich die Waffe von meinem Hinterkopf entfernte. Erleichtert atmete ich auf, und nahm langsam die Arme wieder nach unten. „Dreh dich um" befahl mir die Stimme. Ich nickte, und tat, was er von mir verlangte.

Vor mir stand ein Mann der sicher schon etwas über 60 war, mit einer Halbglatze, dunklen Augen, und einer Schrotflinte in der rechten Hand. Als sich unsere Blicke kreuzten, musste ich schwer schlucken. Seine Augen musterten mich neugierig. Er trug eine dicke Winterjacke, eine Arbeitshose und feste Wanderschuhe. Nach weiteren zwei Minuten voller Stille, räusperte ich mich leise.

„Nun.." „Wie bist du hier her gekommen?" schoss es aus ihm. Perplex starrte ich den Mann vor mir an. „Na.. durch das Portal?" erwiderte ich verwundert. Der Mann zog überrascht eine Augenbraue in die Höhe. „Welches Portal? Es gibt hier kein Portal" erwiderte er belustigt. „Doch" widersprach ich ihm schnell. Daraufhin begann er laut zu lachen.

„Na sicher.. Naja, ist ja auch egal. Jetzt bist du einmal hier.. Du wolltest zu Luna, richtig?" hakte er nach. Ich nickte. Er hing sich die Schrotflinte über die Schulter, und setzte sich in Bewegung. „Gut, folg mir, ich bringe dich zu ihr." Überrascht machte ich ihm hinterher. „Danke.."„Nichts zu danken Kleine" erwiderte er. Wir liefen eine Weile schweigend nebeneinander her, und ich musterte ihn immer wieder vorsichtig von der Seite.

„Wo sind wir hier eigentlich?" brach ich schließlich die unangenehme Stille. „Im Niemandsreich" antwortete er. Ich verschränkte die Arme vor der Brust, während es immer anstrengender wurde, meine Füße durch den hohen Schnee zu schleppen. „Niemandsreich?" hakte ich verwirrt nach.

Er nickte. „Jep. Hier kommt nie jemand her, deswegen Niemandsreich." „Sehr kreativ.." murmelte ich. Er lachte. „Ein besserer Name ist uns nicht eingefallen." Ich hob eine Augenbraue in die Höhe. „Uns?" Er nickte. „Wer ist uns?" „Das wirst du gleich sehen, Kleine" erwiderte er.

Ich richtete meinen Blick wieder nach vorne, doch das, was ich nun vor mir sah, überraschte mich ziemlich. Da war ein kleines Dorf. Es waren nur wenige Häuser, und sah ziemlich verlassen aus, aber es gab hier tatsächlich leben. Und wir gingen direkt darauf zu. Als wir auf dem winzig kleinen Marktplatz zum stehen kamen, stellte sich der fremde Mann grinsend vor mich. „Darf ich vorstellen.. „uns".." Neugierig drehte ich mich im Kreis und musterte die Steinhäuser. Ich fühlte mich, als hätte ich eine Reise in die Vergangenheit gemacht.

„Da bist du sprachlos, was?" lachte der Mann. Ich schüttelte ungläubig mit dem Kopf. „Nun.. irgendwie schon.. Sieht aus wie am Nordpol" scherzte ich. Er nickte und klatschte tatenfroh in die Hände. „Nun gut, Lunas Haus ist ganz am Ende des Dorfes" sagte er, und stapfte erneut los. Hastig folgte ich ihm. Er hatte einen verdammt schnellen Schritt drauf..

Schweigend liefen wir durch das ganze Dorf, was nicht mal zehn Minuten dauerte. In jedem der Häuser brannte Licht, und aus den Schornsteinen kam Rauch. Der Weg führte uns schließlich zu einem etwas abgelegenen Holzhaus am Rande des Waldes. Das war es.. Lunas Haus. Ich erkannte es wieder. Es war dasselbe Haus, zudem ich gegangen war, als ich das erste Mal hier gewesen war.

Wir gingen die Holztreppe nach oben, bis wir schließen auf der Veranda standen. Dort räusperte sich der Mann laut, und klopfte an die Türe. „Luna.. Besuch für dich!" rief er. Einige Sekunden lang herrschte Stille, bis die Türe plötzlich mit einem Bogen aufgerissen wurde, und eine kleine, blasse Frau ihren Kopf heraus steckte. Überraschung und Erleichterung machten sich gleichzeitig in mir breit. Ihre braunen Augen lagen auf dem Mann, und wanderten danach langsam zu mir.

Als sie mich erblickte, lag Verwunderung in ihren Blick. „Du.." stammelte sie mit einer hellen Stimme. Der Mann räusperte sich erneut. „Äh, das ist.. Wie war das noch gleich? Reyga?" „Reyna" korrigierte ich ihn. Er nickte. „Richtig, Reyna. Hab sie draußen gefunden. Sie wollte zu dir.."

Lunas Augen lagen nach wie vor auf mir, und musterten mich intensiv. Es war die Art von Blick, der einen verdammt nervös machte. Ich lächelte ihr verunsichert zu, und spielte am Bund meiner Strickjacke herum. Erst nach einigen Minuten öffnete sie ihre Tür einen Stück weiter, und nickte dem Mann zu. „Danke Michael." Er nickte zurück, und ging langsam davon. Nervös sah ich ihm hinterher, bis Lunas Stimme meine Aufmerksamkeit wieder auf sich riss. „Komm rein."

stars in the sky | rise Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt