Prolog- Kinderherzen

686 55 11
                                    

Nur vereinzelnd fielen die Strahlen der Sonne durch das kleine Kellerfenster in den kahlen Raum, von dessen Wänden bereits der Putz bröckelte. Der Boden war nicht gefliest oder ausgelegt. Ein hässlicher, von Dreck und Ungeziefer geprägter Steinuntergrund diente mir als Schlafplatz. Still saß ich in einer der Ecken des kleinen Zimmers, das von keinem einzigen Gegenstand gefüllt war. Ich hoffte, sie bemerkten mich nicht, sie vergaßen mich für diesen Morgen. Zwar knurrte mein Magen, doch schon viel zu lang litt ich unter Hunger, als das mich diese Reaktion hätte beeindrucken können. Stumm lehnte ich meinen Kopf gegen die alte, graue Wand. Tränen liefen mir die Wangen hinab, obwohl ich doch genau wusste, wie sinnlos es war, seinen Gefühlen so unverblümt Ausdruck zu verleihen. Meine dünnen Ärmchen lagen kraftlos auf meinem, von dunklen Flecken überzogenen, Oberschenkel, während sich mein Brustkorb ruhig hob und sank.
Die letzte Nacht hatte mich wohl doch mehr mitgenommen., als erwartet. Kein Wunder, wenn man bedachte, was hier für ein Spektakel stattgefunden hatte. Gestern veranstalteten meine Eltern nämlich das monatliche Familientreffen in unserem Haus. Einer der wenigen Ausnahmen für mich, aus meinem Gefängnis entlassen zu werden und mit lauter Verrückten an einem Tisch speisen zu dürfen. Dennoch, an diesem Fest gab es nichts Gutes. Es war keine witzige Gesprächsrunde oder ein gemeinsames Genießen der Kochkünste der Frauen.
„Ethan." Ich zuckte zusammen, sah auf. Meine Mutter stand grinsend in der Tür, ihren Blick auf meinen, von Narben übersäten, Rücken gerichtet. „Die Verwandten sind nun wieder gefahren. Hier, Frühstück. Dein Vater wird dich nachher für den Nachtisch besuchen.", nickte sie übertrieben freundlich und ich schluckte schwer. Kaum traute ich es mich, mit zitternden Händen das Tablett mit den zwei trocknen Brotscheiben und dem Krug Wasser entgegenzunehmen, den sie mir reichte. Nur schwer schaffte ich es, mich überhaupt auf den Beinen zu halten und ich spürte bereits den Schmerz meinen Körper durchziehen, als ich daran dachte, was Vater bald wieder mit mir tun würde. Taumelnd wich ich zurück, als sich das Tablett dann endlich in meinem Besitz befand, sodass meine Mutter kurz darauf wieder hinter der dicken Eisentür meines Zimmer verschwand, welche sie mehrfach verschloss. Voll Furcht blickte ich ihr nach, betete, sie würde nie wieder zurück kehren. Dennoch wusste ich natürlich, dass es für Kinder wie mich keinen Gott geben konnte, keine Gnade, nichts. Ich war Abfall, so hatten es mich meine Eltern gelehrt.
Rasch verkroch ich mich in meine Ecke zurück, auf dessen Boden sich bereits eine Pfütze aus rotem Wasser gebildet hatte. Ein Gemisch aus Urin, Blut und Tränen. Es stank gewaltig, zog die Tiere an. Bald müsste ich mich wohl einer anderen Ecke des Zimmers widmen, auch wenn es in diesen nicht wirklich besser aussah. Ich nahm mir eine der Brotscheiben und knabberte ganz sachte an ihr. Mein Magen bekam so selten etwas, dass ich wirklich langsam essen musste, um nicht gleich wieder zu erbrechen. Auch meine Zähne litten unter diesen Umständen, doch wen interessierte das schon? Ich war nichts wert in dieser Welt. Dies war mir vollkommen bewusst, selbst in meinen jungen Jahren. Schon als ich gerade so stehen konnten, legten meine Eltern Hand an mich. Sie veranstalteten dieses Treffen einmal in Monat, führte mich vor und als Höhepunkt dieser Veranstaltung wurde ein Familienmitglied auf grausamste Art und Weise vor meinen Augen ermordet. Alle waren begeistert, während sie meine Mutter für ihren robusten Sohn lobten. Nie verstand ich, was genau sie meinten, doch wundern tat ich mich selten. Ich kannte es ja nicht anders. Für mich war es eben immer so gewesen. Und dennoch, es war widerwärtig. Diese qualvollen Schreie, das Blut was in alle Richtungen spritze und meine Verwandten, die dann alle auf den 'Ausgewählten' einprügelten. Schon, bevor ich überhaupt richtig sprechen gelernt hatte, zwangen sie mich zur Integration. Seither trafen auch meine Fäuste auf das Opfer dieser Feiern, bis es bewusstlos in einer Pfütze aus Blut lag, an dem es schließlich ertrank. Immer wieder ließen sich meine Eltern solch 'lustige Spielchen' einfallen. Ich ekelte mich davor, doch mit jedem Mal wurde es erträglicher. So war das eben in meiner Familie. Sie erzogen mich zu einem Monster, doch ich war zu jung um es zu begreifen und zu schwach um etwas daran ändern zu können.
„Mein Junge.", hörte ich die kratzige Stimme meines Vaters, der die schwere Tür hinter sich in Schloss fielen ließ und mit seinem Blick gierig über meinen nackten Körper glitt. Ich wusste, was nun folgte. Er würde mir seine 'Liebe' zeigen, in dem er meinen Körper beschmutzte. Natürlich, wie sollte es anders sein. Doch hier war es genau wie mit dem Morden. Irgendwann gab man auf sich dagegen zu wehren, begann es zuzulassen, fand sich damit ab und versuchte das Beste daraus zu machen. Seit Jahren handhaben es meine Eltern nun schon so, weshalb also noch rebellieren? Brav streckte ich ihm mein Gesäß entgegen, stellte ihm meinen Körper zur Verfügung, in der Hoffnung heute einmal ohne Knochenbrüche davon zu kommen.
So war es eben, aber ich kannte ja nichts anderes. Gar nichts, bis zu diesem einen Tag, der Jahre später mein gesamtes Leben für immer veränderte...

Höllenkrieger- Legt die Waffen nieder!  || Boyslove! Yaoi!♡~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt