45. Kapitel- Versagen

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Selten war ich so voll Hass wie in jenem Augenblick. Selten hatte ich mir den Tod einer Person so sehr gewünscht wie gerade jetzt. Doch ich fühlte sie ganz genau, selbst als ich bereits die verworrenen Gassen der Großstadt entlang streifte, die unfassbare Wut, welche in mir kochte und sich kaum noch zügeln ließ. Dieser Dreckskerl. Wie konnte er meinem kleinen Fuchs nur so etwas Abscheuliches antun? Ich konnte es einfach nicht fassen. Niemals würde ich diesem Typen verzeihen. Nie. Ich wischte mir den kalten Schweiß von der Stirn. Wie sollte es jetzt nur weiter gehen? Ohne Job, ohne Einkommen. Ich konnte schlecht noch länger auf die Kosten meines Freundes leben! Das konnte ich ihm wiederum nicht antun. Es war sein Geld und ich wollte es nicht für mich missbrauchen. Doch was nun? Jemandem wie mir fielen die Arbeitsstellen ja nicht gerade in den Schoß. Nicht einmal eine Schule hatte ich besucht. Scharf biss ich die Zähne zusammen. Das war doch hoffnungslos! Seufzend hielt ich Inne, blieb ruckartig in einer der Seitenstraßen stehen und seufzte leise, bevor ich einen kleinen runden Stein, welcher vor mir auf dem Fußweg lag, mit meinem Fuß beiseite kickte. Verdammt! Wie nur sollte ich meinem Rotschopf diese Hiobsbotschaft übermitteln? Stumm senkte ich den Kopf. Ich würde ihn sicher enttäuschen. Jan, wie konnte ich ihm nun noch in die Augen sehen? Nachdem ich den Job verloren hatte, den er mir mühevoll beschaffte? Ich war ratlos. Das letzte was ich wollte war doch, ihn unglücklich zu sehen! Doch ich hatte versagt, schon wieder. Erst konnte ich meinen Fuchs nicht beschützen und nun bot ich ihm auch noch nichts als pure Enttäuschung. Was tat ich bloß? Was war nur falsch mit mir?
Ängstlich begannen meine aufgeschlagenen Hände zu zittern, als ich überlegte, wie ich Jan am schonendsten beibringen konnte, schon wieder einen schrecklichen Fehler begangen zu haben.
Ob er mich verstieß, sobald er davon in Kenntnis gesetzt sein würde? Gut möglich. Nun, verübeln könnte man es ihm ja nicht.
Mit glasigen Augen blickte ich zum sonnigen Himmel hinauf. So ein schönes Wetter, zu schade, dass es in meinem Inneren nicht auch so rosig ausschaute. Denn seid diesem Zeitungsartikel war ich kaum noch im Stande einen vernünftigen Gedanken zu fassen. Es drehte sich einfach alles in mir. Es war fast wie in einem Tornado, alles flog ungelenkt umher und das Chaos war präsenter als jemals zuvor. Was hatte meine Schwester mit dieser verdammten Sekte am Hut? Und wieso entführte mich ein Kolibri gekennzeichneter Wagen aus meinem Elternhaus und das ausgerechnet an meinem achtzehnten Geburtstag?! Was hatte das bitte für einen Sinn?!
Wütend schrie ich auf. Kein Wort, keinen Satz, eher ein sehr lautes, geladenes Seufzen, welches einen Ausdruck meiner völligen Überforderung darstellte. Ich war am Ende, wirklich, wusste einfach nicht mehr weiter. Ich war so wütend, ängstlich, unsicher und hilflos zugleich! Es war beinah wie früher, als ich noch unter der Macht meines Vaters über mich, hatte leiden müssen.
„Okay. Ganz ruhig erstmal! Du findest schon eine Lösung. Tief durchatmen!“, versuchte ich mich selbst zu beruhigen, führte die Atemübung dabei auch sofort aus und bemühte mich, einen kühlen Kopf zu bewahren, was weiß Gott nicht einfach war, in jener Situation! Doch plötzlich, als sich alles aufzulösen und zu zerbrechen drohte, da kam mir ein Bild in den Sinn.
Es war die Erinnerung die mich packte, mich zu jenem warmen Abendrot zurück führte. Und sie zeigte ihn mir, Jan, wie er vor dem Supermarkt auf einer Mauer sitzend auf mich wartete. Mir, der gerade sein allererstes Bewerbungsgespräch geführt hatte, war zuvor nie aufgefallen, wie wunderschön mein Füchschen eigentlich war, doch wie er dort saß, seine süßen Sommersprossen seine Wangen umspielten, da wusste ich es.. Ich wusste ganz genau, dass ich ihn nie wieder gehen lassen durfte. Und das, egal was jemals geschehen würde, er mich immer zum glücklichsten Menschen der Welt machen würde. Allein, wenn er in meinen Armen lag. Jan. Ach, mein süßer Jan.
Leise wischte ich eine einzelne Träne aus meinem Gesicht und begann eilige Schritte zu setzen, gezielt und gerichtet, denn nun wusste ich, was ich zu tun hatte. Ich musste zu Jan, keine Frage. Ich musste zu ihm, ihn sehen, ihn berühren, denn das war meine einzige Heilung. Dieser Junge war es, den ich jetzt am allermeisten brauchte. Bei ihm ging es mir gut, bei ihm waren alle Probleme vergessen. Mit ihm konnte ich alles überstehen, so viel war sicher und genau deshalb fackelte ich nicht mehr lang und stapfte mutig in Richtung des Krankenhauses. Ich musste ihm von meiner Entlassung erzählen, doch niemals würde ich zulassen, dass er mich dafür hasste. Unter keinen Umständen.
Rasch ließ ich also Gassen und Hauptstraßen hinter mir, rannte über Asphalt und Kies, bis sie endlich vor mir ersichtlich war, diese gigantische Einrichtung voll Ärzten und Krankenpflegern. Gleich, gleich würde ich ihn wieder in die Arme schließen können, meinen kleinen Fuchs! Voll Vorfreude betrat ich die Klinik, trabte die langen Flure und unzähligen Treppen entlang, verdrängte das Chaos von Gefühlen, welches noch immer gnadenlos auf mich einstürzte, so gut ich es vermochte, bis ich endlich im richtigen Stockwerk angekommen war und die Tür seines Zimmers am Ende des Ganges erblickte. Ja, gleich hatte ich es geschafft, nur noch wenige Meter! Jeden Augenblick war es soweit!
Doch dann, als ich mein Ziel fast erreicht hatte, geschah etwas Erschreckendes. Augenblicklich stoppte ich, als ich sah, dass ein junges Pärchen aus dem Patientenzimmer meines Freundes heraus trat. Ein junger Mann und eine kleine, dickliche Frau, welche scheinbar aufmunternd auf ihren Begleiter einredete. Irritiert musterte ich die beiden und rang ganz außer Atem nach Luft. Dieses Rennen tat mir beim besten Willen nie und nimmer gut, doch darum ging es hier gerade ja auch gar nicht. Viel wichtiger war, was diese Leute hier zu suchen hatten?! Waren das etwa Freunde von Jan? Oder hatten sie ihm vielleicht eher geschadet?! Nach der Sache mit den Schlägern musste man doppelt vorsichtig sein! Was, wenn diese Fremden vorhatten, meinem Fuchs etwas anzutun?!
Ich sah noch, wie das Paar sich langsam von der Zimmertür meines Vermieters zurück zog, da setzte ich meinen Weg bereits ohne weitere Umwege fort. Ich musste mich davon überzeugen, dass es Jan gut ging! Nichts anderes zählte mehr!

Höllenkrieger- Legt die Waffen nieder!  || Boyslove! Yaoi!♡~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt