49. Kapitel- Hawaii lässt grüßen!

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Sanft schwang die helle Stoffgardine des Fensters im sachten Windstoß, der durch die an gekippte Scheibe in den gemütlichen Raum stieß. Ein großer Teppich versteckte kaltes Parkett unter sich, während mein Blick von dem hohen Kleiderschrank zu dem gigantischen Zweimannbett, in der Ecke des Zimmers, wanderte. Wow, das war es also, mein neues Zimmer. „Gefällt es dir?“ Jan lehnte neben mir im Türrahmen, sah neugierig zu mir herauf und ich begann zu schmunzeln. Was erwartete er denn bitte jetzt von mir zu hören? 'Nein, ist blöd hier.' Oder was? Als ob. Er wusste doch genau, wie schön dieses kleine Reich war. Und so beließ ich es bei einem Grinsen als Antwort und beobachtete den Kleinen dabei, wie er an mir vorbei in den Raum spazierte. „Also in diesem Schrank sind noch einige Klamotten von mir. Ich deponiere die hier für Notfälle und ähnliches. Hat viele Vorteile, aber nun werde ich ihn dir natürlich räumen, damit du dich auch vernünftig ausbreiten kannst!“, erklärte der Rotschopf und zog einige Schubladen aus dem Holzgetüm, in denen Socken und derartiges lagerten. Ich derweil nickte stumm, wobei es mich zugegeben nicht gestört hätte, würde Jan hier weiterhin Kleidung von sich deponieren. So viel hatte ich selbst ja nun auch wieder nicht. Ich brauchte so einen Megaschrank doch gar nicht. Hinzu kam der Gedanke, den Kleinen vielleicht eines morgens, nur mit einem Handtuch behangen, auf Kleidersuche in meinem Zimmer wiederzufinden. Dieses Bild ließ mich vor Lust erzittern, woraufhin ich es natürlich augenblicklich aus meinem Hirn verbannte. Also echt, ich sollte mich wirklich besser zusammen reißen können, wenn ich ernsthaft gemeinsam mit Jan leben wollte! Naja, zumindest konnte ich mir nun endlich erklären, wie Peggy meinen Fuchs im Krankenhaus mit Klamotten versorgen konnte ohne dafür sein Zimmer betreten zu müssen. Und so beließ ich es schweigend bei Jans Vorhaben. Ich hätte ihn ja sowieso nicht umstimmen können, nicht diesen Sturkopf, was vermutlich auch besser so war. Nicht, dass meine Selbstbeherrschung ungenügend war, darauf ankommen lassen wollte ich es dennoch nicht unbedingt. Die Angst wie mein Vater zu werden bestand noch immer in mir, sie harrte vor meinem Herzen aus, als wäre sie ein Schloss, für welches ich bisher noch keinen Schlüssel gefunden hatte. Und es verschloss meine Lust, meine Zärtlichkeit hinter sich, unzugänglich für jeden. Furcht war ein starker Gegner, wobei ich mich fragte, ob ich überhaupt vorhatte gegen ihm zu kämpfen. Ich meinte, wollte ich meinem kleinen Fuchs wirklich so eine Qual wie Nähe antun? Wollte ich ihn wirklich mit meiner Perversion beschmutzen? Nein, das konnte ich nicht machen. Dafür war er mir einfach zu wichtig. Ich wollte ihn nicht verletzen, niemals.

Kurz noch sah ich mich in meinem neuen Zimmer um, strich zart am lichtdurchlässigen Stoff der Gardinen entlang, bevor ich mich sitzend auf der Kante meines Bettes niederließ. Es war wirklich schön hier. Wie ein Traum, aus dem ich bitte nicht mehr erwachen wollte. Dennoch gab es da viele Dinge, die mich beschäftigten. Den Mittag hatte ich zwar erfolgreich verdrängt, doch noch lang nicht vergessen. Mein Rauswurf aus dem Supermarkt, meine berufliche Endstation wie es schien. Dieses Zeichen, welches mich überallhin zu verfolgen wirkte. Die alte Dame, welche durch scheinbar wahre, öffentlich zelebrierte Worte hatte sterben müssen und nicht zuletzt ihre Warnung vor der angeblich so gefährlichen Gruppierung. Wie nur sollte ich all diese Gedanken ordnen? Ich fühlte mich beinah wie ein Verschwörungstheoretiker, der sich selbst durch wahnwitzige Spekulationen völlig in den Wahnsinn trieb. Nur, dass es an meiner Situation keinen Zweifel gab. Es gab kein 'vielleicht' oder 'möglicherweise'. Fakt war, ich hatte diese Journalistin auf die Worte meiner Schwester hin ermordet. Genauso wie fest stand, dass eben dieses Opfer schlecht über die Gruppierung mit dem Kolibri-Zeichen gesprochen hatte. Hinzu kam, dass ich durch den Verlust meiner Arbeit kaum noch eine Chance hatte, ohne Jan überhaupt noch um die Runden zu kommen. Nicht einmal zum Amt konnte ich gehen. Hatte ja keine Unterlagen wie einen Ausweis oder eine Geburtsurkunde. Ich war nun vollkommen von meinem Fuchs abhängig und Fakt war, dass ich auch sonst von meinem Leben absolut keinen Plan mehr hatte. Was ging denn überhaupt hier ab? Was tat ich eigentlich? Brachte Menschen um, einfach so. Und das nur, weil ich es nicht geschafft hatte zu beschützen, was ich einst so geliebt hatte. Meine Schwester. All das für eine Tote, welche scheinbar aus irgendeinem Grund furchtbar unbegründete Rachegelüste verspürte. Wobei, wenn jemand Strafen verdient hatte, dann war ich das. Denn meinetwegen war das aus meinem früher so liebeswürdigen, friedfertigen Geschwisterchen geworden. Das, dieses Monster.
Aber wie auch immer. Jetzt hatte ich für diese ganzen dummen, verwirrten Gedankengänge keine Zeit, denn Jan stand bereits mit einem großen, noch zusammen gefalteten Handtuch in meinem Zimmer und wies mir die Richtung zum Bad, damit ich mich für die gemeinsame Feier salonfähig machen konnte. Ach Gott, ich wusste langsam echt nicht mehr wo mir der Kopf stand. Ein Glück hatte ich die perfekte Lösung für diese Dinge gefunden. Ich verdrängte sie schlichtweg. Ja klar, am Anfang schien es beinah unmöglich, doch sobald ich in die smaragdgrünen Augen meines Freundes blickte, fiel es mir ungeheuer leicht, all den Kummer und Stress zu vergessen. Als wäre es schlichtweg nicht von Bedeutung, was in meinem Leben geschah, solang Jan mich nur weiterhin mit seinem vertrauten Lächeln empfing.
Und so erhob ich mich also von meinem weichen Bettchen und folgte den Anweisungen meines frischgebackenen Mitbewohners, bis ich mich letztlich frisch geduscht, gekämmt und gestriegelt im Wohnzimmer auf dem Sofa hockend wieder fand. Schon wieder trug ich die Klamotten vom Mittag. Was auch sonst? Ich hatte ja nichts anderes dabei. Dies jedoch sollte sich nur kurz darauf drastisch ändern, denn anscheinend war meinem Freund ein dunkler Pullover nicht feierlich genug.
Kichernd pflanzte sich Jan nämlich neben mich auf die Couch und kramte ein kleines Päckchen hervor. „Ich hab Peggy letztens losgeschickt um das hier für dich zu besorgen.“ Mit diesen Worten überreichte man mir das Geschenk und ich staunte nicht schlecht. Krass, dabei hatte Jan mir doch letztens erst Kleidung besorgt. Und jetzt noch mehr oder wie? Ich wunderte mich also anfänglich etwas. Wenn Jan ein Hemd oder einen anderen Pulli an mir sehen wollte, könnten wir doch genauso gut zur alten Wohnung fahren und dort einen besorgen. Echt, er sollte nicht so viel Geld für mich ausgeben. Ich meinte, nicht mehr als überhaupt schon. Sonst fühlte ich mich nur noch nutzloser. Doch ich wusste ja, dass mein Kleiner es nur gut meinte und als ich dementsprechend mit zwiegespaltener Meinung das Päckchen zu öffnen begann, war ich schließlich doch mehr als nur überrascht, als ich ein knallbuntes, ein Glück langärmliges, Hawaiihemd aus ihm heraus hob. Etwas verdutzt betrachtete ich es und mein erster Gedanke dazu war kein geringerer als: Was zum Teufel ist das?! Jan jedoch, der den Inhalt der Packung nun wohl auch zum ersten Mal zu sehen bekam, begann lauthals zu lachen. „Na zu 'ner Standparty passt es jedenfalls!“, prustete er mir amüsiert entgegen und ich schubste ihn beleidigt an der Schulter zurück auf die Sitzpolster des Sofas. Meine Fresse hatte Peggy einen schlechten Geschmack! Oder wollte sie mir einfach nur eins auswischen? Naja, wie dem auch sei, ich würde das Oberteil natürlich tragen. Da bestand gar keine Zweifel, immerhin hatten die beiden es extra für mich besorgt und das war mir schon etwas wert, eine ganze Menge um genau zu sein. Egal, wie das Ding letztens Endes an mir aussehen würde, es war für mich, ein Geschenk und das bedeutete mir viel. Außerdem schien Jan es ja wirklich prächtig zu finden, so wie er darüber lachen konnte.
Ich verschwand also wiederholt für einen kurzen Moment im Badezimmer und zog mich dort um, streifte mir den Pullover ab, zog mir das Hemd über und knöpfte es anständig zu. Es dauerte keine fünf Minuten, doch als ich wieder zurück in die Stube trottete, stand er dort auf einmal wie aus einem Modelkatalog. Jan hatte sich derweil nämlich auch ausgehbereit gemacht, trug nun eine knappe, dunkle Hose und ein, mit Palmen bedrucktes, Tanktop. Seine Haare trug er offen, strich sie nur aus seinem Gesicht. Er war wunderschön, wirklich. Nicht, dass er das vorher nicht gewesen wäre, doch nun strahlte er richtig. Wie ein Stern, nur dass sein Licht keine Ewigkeit brauchte um mich zu erreichen. Nein, es war sofort da, augenblicklich, erwärmte mein Herz bereits im Bruchteil einer Sekunde. Fröhlich stopfte er sich den Haus- sowie Wohnungsschlüssel in seine Hosentasche und widmete sich dann auch bereits dem Anziehen seiner Schuhe. Ich tat es ihm natürlich schleunigst gleich und ehe man sich's versah, fanden wir uns auch schon auf dem Fußweg vorm Haus wieder. Jan war sichtlich aufgeregt und konnte es gar nicht recht abwarten, dass Peggy uns endlich abholen kam. Doch es dauerte nicht lang, da bog ihr Wagen auch schon in unsere Straße ein und eine junge, bildhübsche Studentin in einem hellroten Sommerkleid begrüßte uns freudestrahlend. „Sieht gut aus!“, zwinkerte sie mir zu und musterte mein Hawaiihemd dabei grinsend. Hach ja, wie es mich doch freute, meine Freunde scheinbar wirklich gut amüsieren zu können. „Na los, nicht, dass wir noch zu spät kommen!“, meinte sie dann jedoch und Jan nickte wie ein Bekloppter. Dieser Spinner. Kopfschüttelnd, doch mit einem Lächeln auf den Lippen, stieg ich nun also vorn in das Auto unserer Begleitung, während es sich Jan hinten auf der Rückbank bequem machte und Peggy bereits schon wieder dabei war, den Motor zu starten. „Bereit?!“, schrie sie schon fast, während sie das Radio aufdrehte und von hinten nur grölende Zustimmung erklang.
Ich jedoch war mir wirklich ganz ganz eindeutig sicher, dass ich absolut überhaupt gar nicht bereit für diesen, von vornherein zum Scheitern verurteilten, Abend war. Vollkommen, komplett sicher!

Höllenkrieger- Legt die Waffen nieder!  || Boyslove! Yaoi!♡~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt