35. Kapitel- Liebe?

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„Humanmedizin Studentin, mit chirurgische Facharztausbildung?“, gab ich munter zurück, während mein Körper sich entspannt in den weichen Stoff des Beifahrersitzes drückte und der Motor den Wagen schnurrend leise in Fahrt hielt, als wir gerade durch die Dunkelheit kurvten. „Ja und wie! Aber meine größte Leidenschaft gebührt eigentlich der Technik! Ich träume davon, eines schönen Tages medizinische Implantate konstruieren und vielleicht sogar operativ in einen kranken Menschen einführen zu dürfen!“, lächelte die Blondine neben mir voll Freude, bevor sie in den Drive-in einer großen Fastfood-Kette einbog. Große Pläne, welche die da verfolgte. Ich sah zu meiner Fahrerin hinüber, beobachtete, wie sie sich vorsichtig ihr Haar aus dem Gesicht strich, derweil sie unsere Bestellung in einen kleinen Lautsprecher sprach, der neben dem Auto auf dem kleinen, abgetrennten Asphalt Weg aufgetaucht war. Dieses Mädchen schien nicht gerade auf den Kopf gefallen zu sein und motiviert schien sie obendrein, also wieso nicht an die Erfüllung dieses Traumes glauben? Sie schien doch zu wissen, was sie wollte und ich war mir ziemlich sicher, sie würde alles dafür geben eben dieses Ziel auch zu erreichen.
Die Stimmung in diesem Auto war allgemein ziemlich gut und im Vergleich zum Krankenhaus-Hinweg fand hier gerade eine ganze Fröhlichkeits-Parade statt! Mittlerweile hatte sich auch meine unbegründete Wut gegenüber dieser Frau völlig gelöst und ich konnte sogar mit ihr lachen! Kaum zu glauben, doch so scheiße war sie gar nicht! Im Gegenteil, an sich schien sie ja wirklich ganz cool drauf zu sein und jetzt, wo ich mich wieder mit Jan vertragen und heraus gefunden hatte, dass er mir keinesfalls mehr böse war, fühlte ich mich allgemein auch gleich viel besser gelaunt! Minimal schuldig fühlte ich mich als schon, meiner weiblichen Begleitung so zu Unrecht Hassgefühle entgegen gebracht zu haben, auch wenn sie nicht so schien, als hätte sie etwas davon bemerkt. Denn wie ihr seht, saßen wir nun wieder zusammen in ihrem Wagen und warteten in diesem Augenblick bereits auf unser ungesundes Abendessen. „Wie wär's, wenn ich wir morgen nochmal zusammen zu Jan fahren? Ich denke, er würde sich verdammt freuen, wenn du wieder mitkommen würdest!“, schlug Peggy da plötzlich vor, was mich einerseits sehr positiv überraschte, denn auch, wenn ich Jan noch vor wenigen Minuten gesehen hatte, so vermisste ich ihn dennoch bereits jetzt. Andererseits musste ich ihr allerdings leider erklären, dass ich zu arbeiten hatte. Trat nur noch die kleinste Missetat auf, schmiss der Chef mich doch im hohen Bogen aus dem Laden! Da konnte ich nicht so einfach mal nach einem Urlaubstag fragen, auch wenn ich nur zu gern gewollt hätte. Das verstand Peggy natürlich, erkundigte sich dafür aber sofort nach meinen morgigen Arbeitszeiten, sodass sie schließlich enthusiastisch und dennoch herzhaft beschloss: „Dann hol ich dich eben am Supermarkt ab, wenn du fertig bist und wir fahren von dort aus zur Klinik!“ Somit war das also beschlossene Sache und um ehrlich zu sein war ich ihr ziemlich dankbar für diese großartige Idee, denn umso eher ich meinen Freund wieder zu Gesicht bekam, umso besser!
Kurz darauf brachte uns eine junge Dame unser Abendbrot in einer kleinen, bräunlichen Tüte und Peggy startete das Auto erneut, bevor wir davon fuhren. Hinein in die Nacht, in Richtung meiner Wohnung. „Vielen Dank für das Essen.“, bedankte ich mich etwas peinlich berührt. Es kotzte mich echt an, dass ich selbst nicht einen Cent an Geld besaß, sodass ich es mir von allen Seiten leihen musste. Doch was sollte ich machen? Mein erstes Gehalt war noch nicht gekommen und eine andere Einnahmequelle besaß ich ja nicht wirklich. „Ach, kein Ding. Ich denke, jeder Mensch war schon einmal in der Situation auf Hilfe angewiesen zu sein und es ist absolut nichts verwerflich daran, diese dann auch anzunehmen. Also mach bloß keine Sorgen, ja?“ Mit diesen Worten verabschiedete sich die Bekannte von Jan von mir, bevor sie mich vor meiner Wohnung absetzte und ich aus ihrem Wagen stieg. „Danke.“, erwiderte ich aus vollstem Herzen und nickte obendrein sogar, um meiner Aussage noch zusätzlich Ausdruck zu verleihen. Freundlich winkte Peggy ab, es sei doch eine Selbstverständlichkeit und ihrer Meinung nach kein Grund zum Dank. Dann verließ sie mich, wechselte die Richtung an der Kreuzung am Ende meiner Straße. Und ich stand hier, vor meinem Haus, mit einer kleinen Papiertüte in der Hand und fragte ich, wieso ich eigentlich anfangs so hasserfüllt gegenüber dieser Person war. Dabei wirkte sie so unglaublich lieb! Fast ein wenig wie Jan, nur, dass sie nicht annähernd so niedlich wie er war, zumindest meiner Ansicht nach nicht.
Und so kramte ich in meiner Hosentasche nach dem Haustürschlüssel, schob ihn schließlich in das kalte Schloss der Tür und trat ins Treppenhaus ein. Es dauerte nicht lang, da stand ich bereits auch schon in meiner Wohnung und streifte mir die Schuhe von den Füßen. Ich freute mich schon, denn noch nie hatte ich Fastfood, wie Burger, gegessen, dementsprechend war meine Neugier ziemlich angeregt. Ich wusste, wie viele Leute auf diese Art von Nahrung schworen, daher wartete ich auch nicht mehr lang ab, holte mir nur rasch einen Teller aus der Küche und setzte mich samt der braunen Tüte aufs Fußende meiner Matratze. „Auf geht’s!“, lächelte ich fröhlich, holte die erste kleine, runde Fleisch-Brötchen-Konstellation aus der Tüte und wickelte sie aus ihrer externen Verpackung, nur um kurz darauf genüsslich in die leckere Esskunst beißen zu können. Wow! Der Geschmack von diesem Zeug war echt genial, kein Wunder, dass es so viele Leute mochten!
Und so genoss ich meine kleines kreisförmiges Abendessen, welches Peggy mir so hilfsbereit gesponsert hatte. Ganze drei von den grandiosen Dingern hatte sie mir in das Tütchen packen lassen! Echt, langsam fing ich an, dieses Mädchen wirklich zu mögen!
Ich aß also mein Genusszeug und war dabei gänzlich zufrieden, jedoch begannen meine Gedanken nach und nach damit, vollkommen abzuschweifen, bis ich nur noch dort saß und meinen bereits angebissenen Burger still in der Luft zu halten. „Was, wenn Jan wirklich schwul ist?“, fragte ich mich in diesem Moment selbst und musste schwer schlucken. Klar, ich hatte zwar zu meinem Fuchs gesagt, es wäre kein Problem für mich, doch... Ich kniff die Augen zusammen, hoffte so die grausamen Erinnerungen an meinen Vater und damit verbundenen Ereignisse verdrängen zu können, während das Brötchen, welches ich bis eben in beiden Händen gehalten hatte, hinab auf den Teller vor mir fiel und sich meine Finger in das Bettlaken der Matratze krallten. Ich strengte mich ja wirklich an, diese Erlebnisse von damals zu vergessen, doch so leicht wie ich das wollte, funktionierte das eben nicht, was ich selbst auch nur zu schmerzhaft lernen musste. Immer wieder dachte ich an die 'Liebe', die mein Vater mir entgegen gebracht hatte, immer wieder, jeden verdammten Tag an den ich mich erinnerte. Irgendwann hatte man eben keine Kraft mehr, sich zu wehren, vor allem wenn er einen bei jedem Fluchtversuch grün und blau schlug. Ich unterdrückte die Tränen, die sich in diesem Moment in meinen Augen ansammeln wollten. Ich war zu dem damaligen Zeitpunkt doch noch so jung, so klein, völlig wehrlos. Er hatte mich fest gehalten und ich war nicht in der Lage auch nur irgendetwas dagegen zu tun, zu sagen, nichts. Nichts einmal schreien hilf mir weiter, denn wer würde mich aus dem Keller schon hören? Und selbst wenn, wen würde es interessieren?
Ich spürte, wie sich alles in mir zusammen zog, als ich an diese vergangene Zeit dachte. Konnte man also sagen, mein Vater war auch schwul? Bedeutete es das? Doch wieso hätte er dann gleich zwei Kinder zeugen sollen? Also war er vielleicht nur ein wenig schwul? Ging das? Schwer seufzte mich, versuchte mich etwas zu beruhigen und entdeckte dabei erneut einmal Jans dünnes Hemdchen, was noch immer neben meinem Bett Platz fand. Ein Lächeln huschte über mein, von Schmerz gezeichnetes Gesicht und trieb etwas Freude in mein zersprungenes Herz. Jan würde niemals so etwas tun. Er war doch der liebste, freundlichste und sanfteste Mensch den ich jemals kennen lernen durfte. Nein, er war das genaue Gegenteil von allem, was mein Vater je verkörpert hatte! Und wenn schon, dann waren eben beide schwul, doch das machte sie nicht im entferntesten ähnlich! Das erkannte auch ich in diesem Moment und lehnte mich zurück, bis ich gänzlich auf der Matratze unter mir lag.
Jan bedeutete Liebe und jeder, der sie von ihm erfahren durfte, hatte verdammtes Glück gehabt. Seine Art jemanden zu mögen basierte keineswegs auf Schmerz oder Qual, nein! Er gab seinem Gegenüber das Gefühl von Sicherheit, von Fürsorge und Freundschaft! Das hatte rein gar nichts miteinander gemein! Und ich dachte über so einen Dreck nach, als ob man Vater und Jan je vergleichen könnte! Also echt, für so einen Gedanken konnte ich mich ja fast wieder selbst schlagen! Fast!
Ich atmete einmal tief ein, sah hinauf zur Zimmerdecke. Es konnte also gut möglich sein, dass Jan auf Jungs stand. Klar, sicher war es noch nicht, sonst hätte er bestimmt etwas mehr dazu gesagt, doch ich hatte das Gefühl, er wusste selbst gar nicht wirklich ob es nun der Fall war oder nicht. Nun, vielleicht sollte man da gar nicht zu sehr drüber nachdenken und es lieber einfach auf sich zukommen lassen. War es denn wirklich so wichtig, welches Geschlecht ein geliebter Mensch hatte? Kam es denn gar nicht auf den Menschen an sich an? Ich meinte, klar könnte ich jetzt sagen, ja ich finde auch hübsche Mädchen wie Peggy kein bisschen süß oder ähnliches, doch das machte mich doch noch lang nicht schwul? Allgemein, was heißte dieses 'lieben' überhaupt? Wozu das ganze? War es die Erweiterung von Freundschaft? Einen Freund, den man küsste, dem man sich hingab? Als ob jemand wie ich so etwas auch nur im entferntesten jemals praktizieren würde! Also echt, dementsprechend war es sicherlich auch sinnlos, sich darüber Gedanken zu machen. Ich würde doch ohnehin nie mit jemanden intim werden, dieser Zug war ein für allemal abgefahren! Diese Art von Beziehung hatte mir nichts außer Qual gebracht und im Ernst? Ich fürchtete mich so verdammt schrecklich davor.
Noch immer starrte ich zu der hohen Decke hinauf, spürte allerdings wie mein Blick öfter und öfter unterbrach, fast so als würden mir die Augen zufallen und ich konnte kaum noch etwas dafür tun, sie weiterhin offen zu halten. Zunehmend stärker driftete ich in die Welt der Träume ab, bis sich mein Körper völlig herunter fuhr und ich tatsächlich einschlief, einfach so! Sogar ohne überhaupt das Abendbrot aufgegessen zu haben!

Höllenkrieger- Legt die Waffen nieder!  || Boyslove! Yaoi!♡~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt