Still ließ ich die alte Haustür hinter mir ins Schloss fallen, unter meinen Füßen bildete sich eine kleine Pfütze auf dem brüchigen Fließboden, die vom kalten Regenwasser genährt wurde, welches an mir hinab floss. Mein Hemd, meine Hose, ja sogar die Schuhe, alles war völlig durchnässt. Welche Kleidung sollte ich heute Abend dann nur tragen? Grübelnd schlürfte ich die Treppen hinauf, eine nasse Spur hinter mir her ziehend und versuchend möglichst leise zu sein. Ich war neu im Haus und wollte mir beim besten Willen keine Feinde machen. Die Aufmerksamkeit hatte ein Neuer ja sowieso sicher, was mir wirklich schon an Übel reichte. Mit zitternden Händen kramte ich in meiner Hosentasche nach dem Schüssel zur Wohnung, erfasste ihn und zog ihn sofort heraus. Rasch schob ich ihn ins Schloss, drehte ihn und hörte, wie die Tür augenblicklich aufsprang. Sie tat sich auf und ich sah zum Laminatboden meines Flurs hinab. Laminat wellte sich doch, wenn er mit viel Nässe in Berührung kam, oder? Irgendwie so etwas hatte ich in den letzten Jahren einmal aufgeschnappt, als meine Mutter das Zimmer meiner Schwester hatte überfluten wollen. Lange Geschichte. Jedenfalls, nach einem Blick an mir herab war klar, dass ich so dort auf keinen Fall hinein gehen konnte. Ich wollte Jans Wohnung doch nicht ruinieren! Seufzend rieb ich mir die Stirn. Es ging wohl nicht anders, ich musste es tun! Vorsichtig blickte ich mich um und lauschte, stellte jedoch erleichtert fest, dass sich wohl niemand außer mir im Treppenhaus aufhielt. Das war meine Chance! Hastig zog ich mir die Schuhe von den Füßen, ließ die Hose zu Boden sinken und nahm sie auf den Arm. Eine große Pfütze bildete sich dadurch vor der Wohnung, doch immerhin besser als in ihr! So entkleidete ich also auch noch meinen Oberkörper, stülpte das nasse Hemd von mir ab und knüllte es mit der Hose zusammen, welche ich mir mit meinem Arm an die Brust drückte. Auch noch meiner Socken entledigte ich mich, bevor ich den Schlüssel von der Tür abzog und samt Schuhen und ausgezogener Kleidung in mein sicheres Zuhause huschte, in der Hoffnung mich habe auch wirklich keiner gesehen! Mein Körper war übersät von Narben und kleineren Verletzungen. Einige waren noch ganz frisch, da sie mir erst vor einigen Tagen zugefügt wurden. Um genau zu sein an dem Tag, an dem meine Schwester von uns gegangen war und diese fremden Männer mich gekidnappt hatten. Ich war weiß Gott kein schöner Anblick, was auch der Grund dafür war, dass ich beim Bekleidungseinkauf mit Jan immer sehr nervös wurde. Jan sollte doch nicht wissen, wie ich früher war. Wie ich gelebt hatte, das hätte ihn doch nur verstört. Ich wollte einfach nicht, dass er diese Seite von mir kannte, denn dieser Junge war mir wirklich wichtig und ich wollte ihn echt nicht verlieren. In Gedanken versunken schmiss ich meine Klamotten in die Dusche, während ich den kleinen Flyer mit dem blauen Vogel unter meinem Kopfkissen verschwinden ließ. „Alles nur ein Zufall!", redete ich mir noch immer ein und verdrängte jeden Gedanken darüber, was mir dieses Mal zugegeben auch ziemlich gut gelang. Sicherlich war es, weil ich mit dem Kopf ohnehin nur bei Jan war. Da blieb kaum Platz für etwas anderes, doch das war wohl auch verdammt gut so. Würde es so bleiben, könnte ich vielleicht tatsächlich irgendwann alles Schlechte einfach vergessen. Selbst, dass ich ein Mörder war. Ich wollte es nicht mehr wissen, wollte nicht mehr daran denken müssen, daher kam Jan mir doch gerade recht. So war es einfach besser für alle, er tat mir gut und ich genoss es. Verträumt taumelte ich durch das Zimmer, auf der Suche nach einer Jacke oder ähnlichem, da stolperte ich plötzlich über etwas Hartes und grummelte schmerzerfüllt auf. „Scheiße!", fluchte ich verärgert, bevor ich zurück schaute und überrascht feststellen musste, über was genau ich da gerade gefallen war. Es handelte sich dabei um einen Karton mit vielen Bücher darin, welche nun zur Seite gekippt war und dementsprechend einige der Inhalte auf dem Boden verteilt lagen. Diese Kartons waren von Jan. Er hatte sie noch nicht abgeholt und in seine neue Wohnung gebracht, weshalb ich sie noch hier lagerte. Ich nährte mich ein Stückchen, erkannte, dass es sich bei den Büchern um Fotoalben handeln musste, denn wo man auch hinsah, lagen kleine, viereckige Bilder verstreut im Raum. Ich kniete nieder, nahm eines der kleinen bunten Erinnerungen meines Vermieters auf die Hand, betrachtete es. Abgebildet war ein Haus, eine kleine Villa, welche schon recht mitgenommen wirkte, doch nicht weniger schön. Im Gegenteil, der Efeu hangelte sich an den Seiten bis zu den Fenstern hinauf und das weiß der Fassade war noch ganz rein und säuberlich. Insgesamt wirkte es wirklich unheimlich warm und heimisch, als würde es pure Liebe ausstrahlen und mir war klar, das musste es sein, Jans Elternhaus! Das Haus, in dem er aufgewachsen war! Ich legte das Bild wieder beiseite und griff mir das Nächste. Sofort überkam mich das Lachen, als ich einen kleinen, mit Matsch und Dreck beschmierten Jungen mit tiefrotem Haar und giftgrünen Augen zu Gesicht bekam. Seine Wangen zierten unzählige Sommersprossen und sein bereits Grinsen wurde nur von seinem unvollständigen Milchzahn-Gebiss übertroffen. Viele seiner kleinen Zähnchen fehlten bereits, was ganz ehrlich mega witzig anzusehen war! Sanft strich ich mit dem Daumen über das Gesicht des Kleinen. Wie süß Jan damals schon war, was man von dem Jungen neben ihm allerdings auch sagen konnte. Dieser jedoch wirkte ziemlich seltsam, als wäre er gar nicht richtig da, als lebe es nicht in unserer Welt. Der Fremde hatte langes, helles Haar, war ganz blass und sein Blick war geprägt von Einsamkeit. Seltsam. In der Hand trug der Kleine ein Buch, auf welchem ein Titel stand, den ich allerdings nicht entziffern konnte. Irgendwie sahen die beiden Jungs auf dem Bild so unterschiedlich aus, fast wie Tag und Nacht. Der eine voll von Schmutz und lebensfroh, der andere eher zurückhaltend, still, so extrem sauber und rein. Sie passten gar nicht zusammen und ich konnte kaum nachvollziehen, wieso sie so eng nebeneinander stehend auf diesem Foto zu sehen waren. Das war doch unlogisch! Da erklang auf einmal das Schellen der Klingel und ich zuckte erschreckt zusammen. Das musste Jan sein! Überrascht sprang ich auf. Jetzt schon?! Was machte er denn bereits jetzt hier? War es etwa schon so weit?! Hektisch fuhr ich umher, schnappte mir eine Jacke und zog sie mir über und noch während ich den Reißverschluss in den Fingern hielt, war ich auch schon dabei die dünne, dunkle Jogginghose überzuziehen, die Jan mir gekauft hatte. „Ich komme schon!", rief ich zur Tür, den Karton mit den Alben wieder aufstellend und die umliegenden Bilder erneut in ihm verstauend. Immerhin sollte Jan nicht denken, ich hätte ihm nach spioniert oder ähnliches. Eins jedoch vergaß ich, denn das Kindheitsfoto, welches ich bis eben in der Hand gehalten hatte, ließ ich aus Versehen auf meiner Matratze liegen. In diesem Moment dachte ich einfach nicht daran, es wie die anderen zurück zu packen, wirklich wichtig war mir nur, dass Jan meinen Körper nicht sah, allerdings auch nicht allzu lang vor der Tür warten musste. Natürlich hätte er auch einfach hinein kommen können, einen Schlüssel besaß er ja, jedoch schien er meine Privatsphäre wahren zu wollen, wofür ich ihm auch äußerst dankbar war. Er war so rücksichtsvoll. Lächelnd eilte ich also zur Tür und öffnete diese. „Jan!", begrüßte ich meinen Fuchs, während dieser nur frech zu mir hinauf grinste. „Deine Haare sind ja ganz nass.", bemerkte er und legte dabei den Kopf schief. Ich schnaufte und nickte zustimmend. „Und deine sind rot. Ich denke, damit sind wir quitt, oder?" Er verzog das Gesicht und boxte mir spielerisch gegen die Schulter für diese höchst sarkastische Bemerkung, doch es machte mir nichts aus, im Gegenteil. Normalerweise hasste ich es, berührt zu werden, von Gewalt, ganz egal ob spaßiger oder ernster Natur, 'mal ganz zu schweigen. Doch bei Jan war es anders, bei ihm wurde ich weder wütend noch ängstlich, nein, seine Berührungen gefielen mir sogar. Nun, er war ja auch absolut nicht wie die Anderen. Er war etwas Besonderes, etwas ganz ganz Besonderes.
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Höllenkrieger- Legt die Waffen nieder! || Boyslove! Yaoi!♡~
Science FictionSeit Jahrzehnten regiert die höhst grausame Sekte "Blauer Kolibri" die Ländereien des Nordens. Die Mitglieder leben in Angst vor der zunehmenden Gewalt innerhalb der Organisation und vor allem die sogenannten "Höllenkinder" oder auch "Höllenkrieger"...