8. Kapitel- Falsche Vermutungen

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Nervös musterte ich die beiden, mir höchst suspekt wirkenden, Polizeibeamten von unten bis oben und fragte mich, wie sie Jan überhaupt gefunden hatte. Kurz überlegte ich, da fiel es mir ein. Vor mir hatte er in dieser Wohnung gewohnt, vor der wir nun standen. Offensichtlich hatte er seine Meldeadresse noch nicht aktualisiert, weshalb die feinen Herren ihn hier vermuteten. Da hatten sie wirklich Glück, dass er sich gerade in diesem Augenblick an meiner Seite befand. Ob das allerdings auch für uns ein schöner Zufall war, würde sich erst jetzt heraus stellen, denn als der etwas turbulente Mann vor uns, in der blau-schwarzen Beamtenkleidung, einmal tief Luft holte, seinen Mund auftat und folgende Worte sprach, wurden wir aufgeklärt, wieso die Polizei uns hier überhaupt einen Besuch abstattete: „Wir haben Ihr Auto gefunden." Meine Augen weiteten sich ein Stück und sofort wandte ich mich Jan zu. Auch dieser schien etwas fassungslos, drehte seinen Kopf zu mir und nicht eine Sekunde später, bildete sich ein breites Grinsen auf seinen Lippen. Erleichtert funkelten seine Augen mich fröhlich an. Auch er hatte wohl mit schlimmen gerechnet, doch es ging zum Glück nur um dieses Auto, was wir gestern einfach hatten stehen lassen. Nicht mehr! Nur um ein Auto! Er würde nicht verhaftet werden, sie würden ihn sicherlich nicht mitnehmen! Dies führte dazu, dass auch mir ganz leicht ums Herz wurde, denn die Freude darüber, dass es kein größeres Unglück zu beklagen gab, machte sich blitzschnell in mir breit.
Die Polizisten schienen allerdings nicht so glücklich über die Situation. Entgeistert blickten sie uns an, erwarteten wohl eine Erklärung unsererseits. Wir allerdings zuckten nur mit der Schulter. Entschuldigt, ich wusste ja, dass man weder unhöflich noch unverschämt gegenüber diesen Beamten sein durfte, doch ich war einfach nur froh darüber, Jan nicht zu verlieren! Ja, wir mussten uns wohl eine gute Ausrede einfallen lassen, doch selbst wenn, solang er bei mir war, würden wir das schon regelt bekommen. Es war eigenartig wie sehr mit mein Vermieter bereits bedeutete, doch konnte ich mich nicht gegen diese Gefühle wehren, aber hey, eigentlich wollte ich das auch gar nicht. Ich mochte es, so zu empfinden, weil es mir eine Richtung gab. Es gab mir die Kraft mich erneut aufzurichten, auch wenn ich die vergangenen Tage und den schweren Verlust durch den Tod meiner Schwester, noch lang nicht verarbeitet hatte. Er gab mir Hoffnung auf Zukunft und das war es, was ich im Moment am meisten brauchte. „Ich bin Schlafwandler. Irgendwie muss ich den Wagen wohl im Traum gefahren haben!", warf Jan da plötzlich ein und ich blinzelte ihn staunend an. Respekt! Auf so eine kreative Not-Lüge musste man erst einmal kommen! „Aha, nadann wird unser Psychologe wohl ein Gutachten angelegen müssen.", seufzten die Männer, bereits deutlich gelangweilt. Sie schienen mir nicht, als würden sie ihren Job sonderlich mögen, wirkten eher etwas desinteressiert und genervt. Seltsam, war so eine Arbeitsmoral in der Großstadt normal? Ich starrte ins Nichts, während ich einem Gedanken nach dem nächsten nach ging. Äußerlich glich es sicherlich dem Tagträumen oder ähnlichem, doch das war es nicht. Ich träumte nicht gern, vermied es bei Möglichkeit, denn etwas anderes als grausame Erinnerung sah ich ohnehin nicht, sobald ich die Augen schloss. Dennoch war ich so vertieft in meine Überlegung, dass ich erst gar nicht mitbekam, wie Jan in seine Hosentasche griff und sein Portmonee zückte. Erst, als er einen Schritt auf die Männer zuging, wurde ich aufmerksam. Erschreckt blinzelte ich auf und erkannte, wie Jan den beiden etwas zuflüsterte. Außerdem bemerkte ich, wie der kleine Fuchs den Polizisten lila Scheine zusteckte, bevor er seine Geldbörse wieder unauffällig in seiner Tasche verschwinden ließ und anschließend einen Stückchen zurück trat. Perplex zog ich die Augenbrauen hoch. Was war denn das gerade?! Er hatte sie bestochen? Und sie hatten es einfach angenommen?! Wie korrupt waren die denn bitte?! Die Gesetzeshüter räusperten sich kurz, schielten daraufhin zu mir herüber, doch Jan winkte gelassen ab. „Er war nie hier.", meinte er nur und unsere Gegenüber nickten. Ich hingegen konnte es immer noch kaum fassen. Zwar versuchte ich mein Erstaunen über dieses unglaublich unvorbildliche Verhalten zu verbergen, doch stand ich noch immer mit geöffnetem Mund dort und starrte diese schleimigen Typen an. Derweil gaben sie uns die Adresse des Platzes, wo Jans Auto nun geparkt stand und verabschiedeten sich schließlich mit einem schmierigen Grinsen im Gesicht: „Schönen Tag noch, die Herren!" Dann gingen sie und ich war echt heilfroh darüber, dieser Personen nicht mehr sehen und auch nicht länger riechen zu müssen! Echt, wie konnte man nur so sein?! Als Polizist auch noch! Eine Frage blieb allerdings noch. „Woher hattest du das viele Geld? Das waren doch mindestens tausend. Wenn nicht mehr!", wollte ich nun aber wissen, als Jan gerade dabei war die Wohnung aufzuschließen. Ich meine, Hallo?! Geld fiel ja auch immerhin nicht von Bäumen und er konnte mir wohl kaum erzählen, dass er dermaßen viel im Supermarkt verdiente, wobei er doch außerdem Student war! „Ich hatte reiche Eltern.", entgegnete er beiläufig. Hah! Also doch, hatte ich es doch gewusst! Ein verwöhnter Schnösel aus reichem Haus, doch... Moment! „Hatte?", fragte ich etwas irritiert, während sich die Wohnungstür klackend öffnete und wir eintraten. Wie meinte er das? Ich verstand nicht, lag ich mit meiner Vermutung etwa doch daneben? „Sie sind tot.", meinte er schließlich und ich schluckte schwer. Oh, das hatte ich nicht gewusst. Verdammt, ich biss mir auf die Unterlippe. Ob ich ihn mit dieser Frage verletzt hatte?! Doch er wirkte gar nicht betrübt oder gar aggressiv, eher ganz normal. Als würde es ihm gar nicht schwer fallen, darüber zu reden. Dies wunderte mich ziemlich, denn ich konnte es mir kaum erklären. Mir war ja klar, dass nicht jeder so eine Kindheit erlebt hatte, wie ich und das es eigentlich alles andere als geläufig war, seine Eltern zu hassen oder ihren Tod gar herbei zu wünschen, so wie ich es getan hatte. „Sie starben, als ich noch ein Baby war. Ich kenn' sie also gar nicht.", ergänzte Jan letztlich noch. Der Junge war ein aufmerksamer Beobachter, ihm war meine Verwirrung wohl aufgefallen, nun, sicherlich war das nicht sonderlich schwer für ihn. Er war ja immerhin in der Verhaltensforschung tätig. Aber dennoch, diese Erklärung warf nur noch mehr Fragen auf! Wo war er dann wohl aufgewachsen? Bei Verwandten? Oder in einem Heim? Dennoch, ich wollte ihn nicht ausfragen. Das tat er mir gegenüber ja auch nicht, wofür ich ihm auch sehr dankbar war. Daher beließ ich es dabei und schenkte Jan ein kurzes Lächeln. Er lehnte entspannt an der Kommode, zu mir hinauf schauend, während ich aufrecht vor ihm stand und ihm sanft durchs Haar strich. „Du, Ethan. Als ich sagte, ich bin nicht 'so einer', da wollte ich dich nicht beleidigen oder so.", sprach er da plötzlich und ich blinzelte auf. Was? Wovon sprach er? Stirnrunzelnd legte ich den Kopf schief. „Ach, egal. Ich muss eh mein Auto abholen.", mit diesen Worten schob er mich sachte zurück und nickte mir freundlich zu. „Wir sehen uns dann morgen bei der Arbeit.", fügte er noch hinzu, ich jedoch betrachtete ihn nur verdutzt. „Oh und hier!", hielt er mir eine kleine Tüte hin. Diese hatten wir vorhin, nach dem Bewerbungsgespräch noch besorgt und Jan hatte bis zu diesem Zeitpunkt darauf bestanden, sie tragen zu dürfen. Sie fiel nicht sonderlich auf. Einfach ein dunkles, einfarbiges Tütchen, in dem sich einige Nahrungsmittel befanden. Diese hatten wir für die Zubereitung des Abendessens vorgesehen, welches wir gemeinsam zubereiten und auch schließlich abhalten wollten. Dies schien sich nun allerdings erledigt zu haben. Sicher war Jan erschöpft, nach so einem anstrengenden Tag und brauchte erst einmal ein wenig Ruhe. „Hab dir ja erklärt, wie du es machen musst. Das bekommst du hin!" Ja, er hatte mir beschrieben, wie ich das Gericht unserer Wahl zubereiten konnte, doch ob es wirklich funktionieren würde, bezweifelte ich. Dennoch, sein süßes Lächeln verlieh mir den Glauben und die Zuversicht, es vielleicht doch gut machen zu werden. „Bis morgen.", murmelte ich und sah zu, wie der Fuchs leichtfüßig die Treppe hinab schlich. Dabei wirkte er ganz konzentriert darauf, auch ja keinen Krach zu machen, wie niedlich. Kurz bevor er aus meinem Sichtfeld verschwinden sollte, drehte er sich dann nochmal und blickte zu mir herüber. Er sah zurück, grinste mich frech an und seine grünen Augen funkelten glücklich, kurz bevor er das Haus verließ. Ganz klar, Jan stellte nicht das Licht da, doch auch die Dunkelheit hatte ihn nicht in ihren Bann gezogen. Er wirkte ganz anders, als die anderen. Er gehörte keiner Seite an, glich viel mehr einer Art Feuer. Ein heißes, freches Feuer, dass zwar zerstörerisch und wütend sein konnte, doch ebenso warm und schützend. Ein Feuer, welches alles um sich herum in Brand steckte, selbst mich. Schmunzelnd rieb ich mir über die Stirn. Jan, was für ein seltsamer Name.

Höllenkrieger- Legt die Waffen nieder!  || Boyslove! Yaoi!♡~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt