53. Kapitel- Spiegel

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Ich wusste nicht weshalb, doch dieser Vollpfosten entfachte die Wut in mir. Vielleicht war es, weil er diese arme, zierliche Frau so grausam misshandelt hatte, doch wohl eher weil, und das wollte ich mir in jenem Augenblick auf keinen Fall eingestehen, er mir dermaßen ähnlich war. Auch ich trieb unschuldige Menschen auf grausame Weise in den Tod, auch ich war ein Monster, auch ich hatte das Leben kaum verdient. Er zeigte mich expliziet die Fehler auf, an denen auch ich zu knabbern hatte. Und genau das wollte ich absolut nicht. Wie ein wild gewordener Affe tanzte er um mich herum, nährte sich nur ganz langsam, doch ich blieb stehen. Bevor ich das hier zu Ende brachte, musste ich eines wissen. Bisher hatte ich nicht die Möglichkeit gehabt zu fragen, doch dieses Mal, dieses eine Mal musste ich es tun: „Wieso dieses Zeichen?“ Ich zeigte auf jene blutverschmierte Wand und mein Opfer begann glücklich zu quieken, als er begriff, dass ich ihn ansprach. „Das Zeichen der Gruppe! Hah, sie sagten, ich solle aufhören zu töten! Dass es schlecht wäre, wenn man erfahren würde, dass ein Mitglied der Gruppe mordet! Das würde der Gruppe schaden! Ja, dann würde man den Verdacht der Polizei gerecht und die Gruppe stände im schlechten Licht dar, sie wäre verrufen! Aber Gott, oh Gott, ich habe natürlich nicht auf diese dummen Ungläubigen gehört und bin dir weiter treu untergeben geblieben! Ich wusste, würde ich das tun, kämst du irgendwann zu mir. Und hier bist du! Endlich! Ich wusste es, oh Allmächtiger, ich wusste es!“ Schockiert starrte ich ihn an. Was? „Du lügst. Das denkst du dir doch bloß aus!“, erwiderte ich fauchend und holte erneut mit meinem Pfosten aus, schlug dem fanatischen Dreckskerl in seine Magengrube, sodass er sich qualvoll krümmte. Schmerzgeile Made! „Sieh der Wahrheit ins Gesicht! Ich bin wie du! Wir stehen auf der selben Seite!“ Wieder begann er zu lachen und ich biss die Zähne zusammen. Was erzählte dieses Monster da?! Fast panisch schüttelte ich den Kopf. Wir waren uns nicht ähnlich! Nein, nein das waren wir nicht, überhaupt so gar nicht! Ich spürte, wie mir der Angstschweiß von der Stirn hinab topfte. „Du musst sterben!“, knurrte ich leise, es reichte, ich wollte und konnte mir das nicht länger anhören. Ich wollte es nicht wissen! Doch mein Gegenüber grinste nur und zuckte beiläufig mit den Schultern, während er ein entspanntes „Ich weiß.“ zwischen seinen aufgebissenen Lippen heraus presste. Schön, dachte ich mir, schön, dass immerhin einer hier Bescheid weiß. Ich nämlich war inzwischen komplett verwirrt, durcheinander. Mein Kopf schmerzte und es fiel mir immer schwerer mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Was hatte es mit seinen Worten auf sich?! Hatte er sich die Scheiße mit der Gruppe echt nur zusammen gesponnen? Dennoch, irgendwie kam es mir nicht wie eine Lüge vor, auch wenn ich mir wirklich sehnlichst wünschte, es wäre eine. Doch urplötzlich, während ich noch immer versuchte wenigstens den Hauch einer Ordnung in meinen wirren Gedanken durchzusetzten, rannte der Fremde auf mich zu und riss mir den Holzknüppel aus der Hand. „Wir wollten doch spielen!“, kreischte er mir ohne Vorwarnung entgegen, woraufhin ich relexartig auf ihn einschlug, weshalb dieser Wahnsinnige glücklicherweise von mir abgeließ. Er fiel zu Boden und verdammt, ich hätte es sofort beenden sollen, hätte ihn einfach tot prügeln sollen, doch ich tat es nicht. Erschüttert von seinem Spontanangriff taumelte ich zurück und atmete erstmal einen Moment tief durch. Das jedoch nutze mein Angreifer natürlich, erhob sich vom Boden und baute sich wie ein aggressiver Bär vor mir auf. Schwer schluckte ich und bereute mein naives Verhalten sofort, als dieser Verrückte mich schon wieder besprang, mich sogar mit umriss, sodass ich mich auf dem kalten Boden des Raumes wiederfand. Gierig kniete sich dieser Gestörte weit über mich, leckte sich dabei genüsslich die brüchige Unterlippe, woraufhin ich zu erstarren begann. Augenblicklich überfuhr eine Gänsehaut meinen gesamten Körper und für den Bruchteil einer Sekunde zerbrach die Welt um mich herum wie Glas. Es war, als wäre ich auf einmal gänzlich woanders. Und plötzlich sah ich ihn vor mir, meinen Vater, wie er sich vorfreudig über meinen blutigen Körper beugte, wie er mir die Arme über dem Kopf fixierte und ich hörte mich schreien. Ich spürte, wie seine harte Faust wieder und wieder auf mich traf, bei jedem Ton, den ich von mir gab, stärker und stärker. Bis ich nicht mehr schrie, nicht mehr sprach, nicht mal mehr schluchzte. Und ich wünschte mir, ich würde einfach sterben, was nur sinnvoll gewesen wäre, denn innerlich, ja, da war ich bereits lang schon tot.

Höllenkrieger- Legt die Waffen nieder!  || Boyslove! Yaoi!♡~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt