56. Kapitel- Badgeflüster

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Sanft rieb der weiche Stoff des hellen Handtuchs über mein nasses Haar, wobei ich, im Gesicht noch immer rot wie eine reife Kirsche, im Badezimmer nach einer frischen Unterhose für mich suchte. Jan war, was Kleidung anging, stets sehr bedacht darauf, in jedem Zimmer auf alles vorbereitet zu sein, daher war es auch kein Wunder, dass er in einem der vielen Badschränkchen auch ein Fach für meine Klamotten angelegt hatte. Dort lagen ein paar Unterhosen und eine lange, dunkle Jogginhose. Nur die Oberteile waren anscheinend bereits ausgegangen, was jedoch nicht weiter ärgerlich war, da ich beschloss einfach nochmal den Mantel des Straßenpenners anzuziehen, bis ich in meinem Zimmer angekommen wäre und dort einen neuen Pullover für mich gefunden hätte.

So stand ich dort also, am Unterkörper bereits eingekleidet, doch obenrum noch völlig nackt, trocknete mir die feuchten Haarspitzen ab und überlegte, wie ich meinem Mitbewohner jemals wieder vernünftig gegenüber treten sollte, da klackte es plötzlich neben mir und noch ehe ich realisieren konnte, was da gerade verhängnissvolles geschah, war es bereits zu spät. Denn urplötzlich trat Jan ins Bad und ich zuckte zusammen. Scheiße, bei dem ganzen Stress hatte ich das Abschließen wohl ganz vergessen! Augenblicklich zog sich alles in mir zusammen, als mein Kleiner mir erschreckt entgegen blickte. Seine Augen waren noch ganz verquollen und sofort als er mich erkannte, wandte er den Blick nervös ab. Vermutlich wegen dem, was vorhin geschehen war, doch das war momentan meine geringste Sorge. Er stand dort, in einem langen Sweatshirt, welches ihm bis zu den Knien reichte, und wirkte mehr als nur ein bisschen verkrampft. Sicherlich hatte er nur schnell duschen gewollt, bestimmt war er unter seinem Oberteil ganz verklebt von eben. Im Normalfall hätte mich dieser Anblick vermutlich nicht so kalt gelassen und ich wäre sehr angetan gewesen, doch in diesem Moment, da nahm ich all das gar nicht wirklich wahr. Das einzige was ich dachte war: Er sah mich. Er sah meinen nackten Oberkörper, meine Verletzungen, die Narben. Fassungslos starrte ich ihn an, hatte das eben geschehene bereits vergessen. Er sah alles. „Tut mir leid. Ich dachte, das Bad sei frei.“, stotterte mein Gegenüber mir beschämt entgegen und ich stockte. Was? Schockiert musterte ich ihn, wartete eine Reaktion wie Schreien oder einen Wall aus Fragen ab, doch nichts von alledem geschah. Um genau zu sein, Jan ging absolut überhaupt nicht auf meinen von Wunden übersäten Körper ein. Dies verwunderte mich ziemlich, wenn es mich nicht sogar glauben ließ, er hätte mich gar nicht recht angesehen, denn ich hätte mit wirklich allem gerechnet, nur damit nicht. Immerhin hatte ich diese Situation so sehr gefürchtet und nun das? War meine Angst etwa dermaßen unberechtigt gewesen? Doch, das konnte nicht sein! Mein Körper wirkte auf mich selbst so widerwertig, dass ich es für absolut unmöglich hielt, dass man ihn einfach so akzeptieren konnte, ohne durch seine Widerwertigkeit abgeschreckt zu sein. Sagen wir es, wie es war, ich hasste mein Aussehen. Und ich hasste, dass es mich jeden Tag daran erinnerte, was mir angetan wurden war. Ich schämte mich so schrecklich dafür, vor allem vor Jan, einer wahren Schönheit. Er wirkte so rein, so unschuldig, fast wie ein Engel. Natürlich hatte ich da Angst, dass er mich nun hassen würde! Doch er, er schien sich damit absolut null auseinenader zu setzten. Was war bloß los mit dem?! Ich verstand es nicht, hielt diese Unsicherheit auch nicht mehr aus, ich musste es wissen, also überwandt ich mich und sprach ihn darauf an. Es ging nicht anders, zu spät war es sowieso. „Erschreckt dich mein Körper nicht?“ Meine Stimme brach beim Sprechen und ich spürte, wie ich mich immer kleiner machte, wie sich mein Hals zunehmend zuschnürte, da runzelte mein Fuchs plötzlich die Stirn und legte seinen Kopf fragend zur Seite. Er wirkte fast schon etwas perplex, als überraschte ich ihn mit jener Frage. „Was? Wieso denn?“, entgegnete er mir verwirrt und ich konnte es gar nicht glauben. Wieso fragte er sich?! Hatte er mich schon einmal angeschaut?! Als ob das für den Kleinen so selbstverständlich wäre! Er selbst hatte nicht eine Narbe auf seinem zarten Körper. Wie also konnte meiner ihn nicht abschrecken?! „Achso, du meinst wegen deinen Narben?“ Allmächtiger, da kam er aber schnell drauf! Wow, ein richtiger Sherlock Homles! Kurz wartete er mein Nicken ab, bevor er erneut sein Gesicht verzog, als hätte er nicht den Hauch einer Ahnung, weshalb ich mich nun so aufregte. Echt, so langsam war ich nicht nur nervös, sondern kam mir auch zunehmend relativ verarscht vor, was mich ziemlich grimmig stimmte. Ich wollte nicht, dass man sich über mich lustig machte und eben genau so kam mir Jans Verhalten vor, bis er unerwartet folgenes von sich gab und mein Gemütszustand schlagartig umschlug: „Dir ist aber schon bewusst, dass du bei unserem ersten Treffen nur dieses Hemd anhattest, oder? Ich konnte deine Arme und Beine da schon sehen. Hast du das etwa vergessen?“ Ich stockte. „Aber keine Sorge, ich versteh das. Auf der Straße kann es hart zugehen, aber ich verurteile dich nicht für deine Herkunft. Jeder kann in diese Lage kommen, kein Zuhause mehr zu haben. Vor allem für Jüngere ist das schwer.“ Verduzt hielt ich dem Atem an. Bitte was? Unsere erste Begegnung? Auf der Straße? Irritiert hielt ich mir den Kopf. Wovon sprach er da? Das konnte doch unmöglich sein. Meine Gedanken überschlugen sich einmal mehr und langsam hatte ich das Gefühl, die Welt drehte sich viel zu schnell für mich, so schnell, dass ich gar nicht mehr mithalten konnte. So viele Dinge strömten auf mich ein und es fiel mir immer schwerer, den Fokus zu halten. Das Leben überforderte mich einfach zunehmend stärker, doch ich spürte, wie Jan vorsichtig seinen Blick hob und mich mit seinen beschämten Wangen und erschöpften Augen verlegen anblinzelte. Gott, er war wirklich mein Anker in jener Zeit. Nervös tippte er von einem Bein aufs andere und ich fragte mich schon, was er hier gerade fabrizierte, da räusperte er sich bereits und gab mit zitternder Stimme folgenes von sich: „Du Eth, wie lange dauert das hier noch? Ich müsste langsam wirklich duschen gehen. Die Uni geht bald los.“ Ich blinzelte auf. Mist, es stimmte, ich besetzte das Bad sicher schon viel zu lange und Jan hatte ja, anders als ich, noch eine Tätigkeit, welcher er nachging. „Klar. Ich bin schon weg.“, erwiderte ich zerstreut, ruppte mir das Handtuch vom Kopf und hängte es an den nächst gelegenen Haken, bevor ich fluchtartig das Badezimmer verließ, meinen Mitbewohner, welchem die Situation sichtbar unangenehm war, alleine zurücklassend.

Verdammt, war dermaßen ich durch! Rasch verzog ich mich in mein Schlafzimmer und musste dort erst einmal einen Augenblick verschnaufen. Jan hatte mir kaum in die Augen sehen können, kein Wunder, nachdem was wir da gerade getan hatten... Und krass, dass er immer noch fest davon ausging, ich käme von der Straße. Nun, das wäre wohl die einzig logische Erklärung gewesen, sie kam mittlerweile sogar mir wahrscheinlicher als die Realität vor. Und eine gute Ausrede war sie außerdem. Dennoch, dass ich bei unserem ersten Treffen nur kurz bekleidet war, konnte ich mir gar nicht recht vorstellen. Ich seufzte auf, was war nur mit mir los in letzter Zeit? Krampfthaft versuchte mich an damals zu erinnern, bis es mir letztenendes wie Schuppen von den Augen fiel. Ja klar! Ich riss siegreich die Arme in die Höhe, freute mich, wenigstens dieses eine Mal Ordnung in meine wirren Gedanken gebracht zu haben. In meinem Elternhaus hatte ich immer nur diese alten Lumpen tragen dürfen und beim ersten Aufeinandertreffen mit Jan war ich gerade erst von meinen Eltern geflüchtet! Stimmte, ich sah es vor mir, wie ich ihm vors Auto gelaufen war, wie ich eigentlich fliehen wollte, Jan jedoch unerwartet zusammen brach, sodass ich mich schließlich doch dazu entschlosse zu bleiben und ihm zu helfen! Wie hatte ich das alles nur vergessen können?! Der ganze Stress, die ganze Sorge darum, dass Jan meinen Körper sehen könnte, sie war völlig unbegründet gewesen, denn er hatte ihn bereits gesehen! Ich gab mir mit der Hand einen sachten Schlag auf meine Stirn. Wie dumm war das denn bitte gewesen?! Wie verplant konnte ein Mensch denn bitte sein?! Ein Lächeln huschte mir über die Lippen, als ich es begriff: Er hasste mich nicht. Er hatte meinen Körper gesehen und akzeptierte mich dennoch. Was hatte ich nur für ein Glück?! Wow, ich spürte, wie mir eine meterhohe Last von den Schultern fiel. Ich konnte mich wirklich so froh schätzen, diesen kleinen Fuchs in meinem Leben zu haben. Und ich vermochte es kaum zu beschreiben, wie stolz ich auf mich selbst war, ihn nicht einfach auf der Straße liegen gelassen zu haben. Da war selbst die Sache vom Morgen vergessen, wenn auch nur für einen kurzen Moment. Und so zögerte ich nicht länger und machte mich daran, das Frühstück vorzubereiten. Jan konnte ja unmöglich mit leeren Magen zur Uni gehen.

Höllenkrieger- Legt die Waffen nieder!  || Boyslove! Yaoi!♡~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt