21. Kapitel- Karaoke

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„Da vorn ist sie!", fiepte Jan aufgeregt und spielte damit auf die Karaoke-Bar an, welche unser Ziel für diesen Abend darstellte. Oh Gott, wie sollte ich das nur überstehen? Allmählich tat sich Nervosität in mir auf und ich zweifelte tatsächlich ziemlich heftig an dieser Aktion. Das konnte doch gar nichts werden! Unsicher blieb ich stehen, schluckte schwer. So ängstlich kannte ich mich ja gar nicht, doch die Menschenmassen in solchen Clubs waren sicher gewaltig und beim Singen lag die gesamte Aufmerksamkeit auf einem. Wie sollte ich das denn bitte aushalten?! „Hey.", Jan kam einen Schritt zurück und strich mir sanft über den Oberarm. „Du brauchst keine Angst zu haben. Ich steh dir bei und wenn wir uns blamieren, dann zusammen!" Lächelnd sah er zu mir auf, streichelte tröstend über meine Hand und ich nickte zögernd. Vielleicht hatte er Recht. Das war nur eine Bar in der gesungen wurde, absolut harmlos! Davor musste man sich nun wirklich nicht fürchten! „Ja, gut!", entgegnete ich also und Jan grinste stolz über meinen Entschluss, es durchzuziehen. So steuerten wir auf eine dicke, schwarze Tür zu, die recht unauffällig ausschaute, wäre nicht der Schriftzug in roter Leuchtschrift über ihr gewesen, in dem der Name der Bar verewigt war. Mit einem kräftigen Ruck betätigte Jan die Klinke und die Tür tat sich auf.
Gebrüll kam auf uns zu, welches nur von der Musik übertönt wurde, welche so stark basslastig war, dass der Boden unter unseren Füßen bebte. Es war ein seltsames Gefühl, kitzelte ein wenig. Die Bar war so krass mit Menschen gefüllt, dass sie fast aus allen Nähten platzte. In der Mitte des gigantischen Raumes war eine kleine Tanzfläche, randvoll gestopft mit unzähligen Leuten, die wild tanzend die Sänger des derzeitigen Liedes bejubelten. Diese standen auf einer kleinen Bühne, hinter ihnen eine Leinwand mit Werbung, vor ihnen ein Bildschirm, auf dem wohl der Text ihres Musikstückes abgebildet sein musste, da sie dort angestrengt hin starrten. Singen konnten die allerdings trotzdem nicht gescheit, es war eher ein Brüllen übertroffen nur von ihren Tanzversuchen. Eine große Theke befand sich auf der anderen Seite der Halle. Unzählige Barhocker standen an ihr, welche beinah alle belegt waren. Hier fanden ebenfalls viele Leute Platz, die mit Getränken in den Händen zur Bühne hinauf sahen oder gelassen mit ihren Sitznachbarn plauderten. Im hinteren Teil des Raumes führte ein kleiner Aufstieg zu einer Art Lounge, in der einige Sofas und Sessel standen, worauf sich auch Massen von Feierwütigen reihten. Bunter Nebel zog durch die Luft und verschlechterte die Sicht, während viele kleine Lichter ein verrücktes Farbspiel hinab auf den Club warfen. Völlig geplättet und auch überfordert stand ich dort, nah am Eingang und wusste gar nicht Recht, was ich nun genau zu tun hatte, doch irgendwie schien es gar nicht so schlimm zu sein, wie ich dachte. Jeder war eher mit sich selbst beschäftigt und schlimmer als die derzeitigen Sänger konnten Jan und ich ja auch nicht sein! Schlechter ging es nämlich wirklich nicht! Apropos Jan, er nahm meine Hand und lächelte mir überglücklich zu. Das war also seine Szene? Das war etwas, was ihm Spaß bereitete? Nun, dann wollte ich ihm das natürlich nicht versauen! Und so setzte ich den ersten Schritt, woraufhin Jan mich strahlend zur Bar führte. Wir suchten uns freie Hocker und es dauerte nicht lang, bis ein Mann mit schwarzer Kleidung von der anderen Seite des Tresens auf uns zu kam. „Hey Jungs! Was wollt ihr?", fragte er freundlich und ich blickte hilfesuchend zu Jan hinüber. Ohrenschützer wäre wohl gut im Moment! „Zwei Korn bitte!", entgegnete Jan fröhlich und schob dem Mann einen Geldschein hin, welchen dieser auch sofort abkassierte, bevor er verschwand. Ich hingegen war etwas erstaunt. Korn? Das vom Feld? Ich dachte, Jan hatte vor etwas zu Trinken, denn Abendessen hatte es ja bereits gegeben. Überrascht war ich dann jedoch, als der, uns nun schon bekannte Mann, mit zwei kleinen Gläsern zurück kam und uns diese vor die Nase stellte. Die Gläschen waren wirklich richtig winzig! Kaum zu glauben, dass so ein bisschen so viel Geld kostete! „Auf den heutigen Tag und deine beinah Festanstellung!", grinste Jan und erhob sein Minigefäß. Ich tat ihm gleich und er klirrte sein Glas an meines, bevor er es an seinen Lippen ansetzte und in einem Zug austrank, was bei so einem Schlückchen ja auch nicht sonderlich schwer sein sollte. Erst, als er seinen Kopf schüttelte, wurde mir etwas mulmig. Ich sah auf das klare Getränk hinab, setzte es zögerlich an und als es meine Lippen gerührte und ich es zum ersten Mal schmeckte, zog sich alles in mir zusammen. Boar, wie widerlich war das denn bitte?! Wie konnte man sowas nur trinken?! In einem Schluck kippte ich es einfach hinter, verzog mein Gesicht danach sofort und spürte ganz genau, wie es mir die Kehle entlang lief. „Igitt!", schüttelte nun auch ich mich, woraufhin Jan mich nur auslachte und folgende, vernichtende Worte von sich gab: „Noch zwei bitte!" Oh Gott, oh nein! Bitte nicht! Gerade wollte ich Einspruch einlegen, da erkannte ich sie plötzlich, diese tiefe Freude und Fröhlichkeit in Jans Augen, die voll Begeisterung zu den grellen Lichtern und dem Nebel hinauf blinzelten. Er fühlte sich anscheinend unglaublich wohl und genau diese Erkenntnis ließ auch mich die Zweifel vergessen. Auf einmal wurde mir ganz warm, wobei ich nicht wusste, ob es von dem Getränk oder wegen Jan dazu kam. Es war ganz eigenartig, doch plötzlich war es mir völlig egal, dass dieses Wasser oder was immer das war, wirklich das ekligste war, was ich je getrunken hatte und ich hatte schon so einiges getrunken. Es war völlig irrelevant, solang Jan nur glücklich war und ich mit ihm diesen schönen Abend erleben durfte. Und wenn er mit mir trinken wollte, sollte er das auch dürfen! Er hatte immerhin auch schon meinetwegen so einiges durch. Stichwort Autounfall, fiel mir da sofort ein! „Danke, dass du heute mitgekommen bist!", sprach der Kleine da plötzlich und ich zog die Augenbrauen hoch. „Dafür doch nicht!", erwiderte ich und fuhr ihm sanft durch eine der beiden roten Strähnchen, welche lieblich süß vor seinen Wangen hingen. Und so kamen immer mehr Gläschen an, welche wir tranken und tranken und tranken, bis keiner von uns beiden mehr wusste, wie viele Runden wir uns nun schon zu Gemüt geführt haben mussten. Irgendwann stiegen wir auch noch auf ein anderes alkoholisches Getränk um, welches allerdings auch nicht gerade besser schmeckte und nach einer ganzen Weile, als wir beide schon etwas angetrunken waren, beschloss Jan doch tatsächlich, das nächste Lied sei unseres. Ach, verdammt! Seufzend erhob ich mich von meinem Stuhl, während Jan schon einmal in der Liedsammlung der Karaoke-Bar, welche auf ein laminiertes Blatt geschrieben an der Theke auslag, nach einem passenden Song suchte. Ich derweil betete noch immer, dass es bitte bitte ein halbwegs normales Lied sein sollte, welches ich vielleicht netterweise auch noch kannte. Bitte! Als Jan dann jedoch breit grinsen zu mir zurück gelaufen kam, sich meine Hand schnappte und mich hinter sich her auf die Bühne zerrte, war mir bereits bewusst, dass ich mich von diesem Wunsch wohl verabschieden konnte. Oh Mann, das würde wohl das schlimmste werden, was ich je getan hatte. „Was hast du denn für uns ausgesucht?", erkundigte ich mich vorsichtig, nachdem man uns Mikros in die Hand gedrückt hatte, bekam jedoch keine Antwort. Das Publikum derweil musterte uns bereits neugierig und freute sich wohl schon darauf, die nächste Blamage mit ansehen zu können. Oh Scheiße, ich spürte wie mir das Schnitzel wieder hoch kam, da mir vor lauter Nervosität ganz übel wurde. Was sollte ich denn jetzt machen?! Diese ganzen Leute sahen zu uns hinauf und untersuchten mich mit ihren gierigen Augen! Oh verdammt, ich hätte mehr Radio hören sollen! Mir brannten gerade alle Nerven durch und mein Herz war kurz davor zu explodieren vor Angst, da spürte ich auf einmal eine sanfte Wärme an meinen Fingern. Jan, welche schon von einer Stelle zur nächsten taumelte, hatte erneut meine Hand ergriffen und er hielt sie fest, ganz fest. Dieses Durchhaltevermögen ließ mich schmunzeln, denn er schien sonst schon überhaupt nichts mehr mitzubekommen. Mein Verhalten hingegen war ihm sofort aufgefallen. Ob ich mir etwas darauf einbilden durfte? Sah er mich vielleicht auch als Freund an? Noch nie hatte ich eine Freundschaft erlebt, weshalb ich ihm wirklich dankbar war für alles, was er für mich tat. Er gab mir unheimlich viel Kraft und genau das war es, was ich in diesem Moment brauchte. Wieso er jedoch mehr vom Alkohol mitgenommen war als ich, konnte ich mir auch nicht erklären. Jan schien doch schon öfters einen gekippt zu haben und bei mir war es das erste Mal! Na egal, es blieb keine Zeit mehr darüber nachzudenken, denn das Lied lief bereits an.

Höllenkrieger- Legt die Waffen nieder!  || Boyslove! Yaoi!♡~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt