54. Kapitel- Sieh mich an!

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Ganz still war es in der Stube, als ich unsere gemeinsame Wohnung betrat und kein Licht erhellte den sonst so freundlichen Raum, der nun in ein dunkles trostloses grau gekleidet war. Einzig das bunte Flackern des stummen Fernsehers verhinderte das Ausbreiten der völligen Dunkelheit. Und er saß dort, vor der Leuchtröhre auf dem Sofa, blickte schweigend den gezeichneten Bildchen eines Catroons zu, wie sie eine lustige Geschichte von Jagd und Flucht erzählten. Seine Augen waren vom Weinen ganz gerötet, weshalb sich bereits jetzt alles in mir zusammen zog. Zum Glück hatte ich meine blutigverschmierte Kleidung auf dem Weg hierher gegen den alten Mantel und die abgetragene Jogginhose eines Straßenbettlers eingestauscht. Der freute sich über das teure Hemd und die gute neue Jeans, ganz gleich welche Flecken sie auf sich trugen. So nahm ich neben meinem Freund Platz, gab keinen Ton von mir, denn ich bermekte sofort, dass Jan absolut nicht daran interessiert war, von mir voll gelabert zu werden. Stumm hockte da, wandte seinen Blick nicht eine Sekunde vom Fernseher ab, ignorierte mich zunächst vollkommen. Kein Wunder, ich hatte es ja auch verdient. Wie spät es wohl war? Ob Jan auf mich gewartet hatte? Zumindest schien er sehr müde und erschöpft, vermutlich hatte er sich aber zu viele Sorgen gemacht, als dass er einfach hätte schlafen gehen können. Das sah ihm ähnlich. Gerade wollte ich zum Sprechen ansetzten, mich entschuldigen, es zumindest versuchen, da nahm er das Wort an sich: „Ich frag am besten gar nicht erst." Natürlich wusste ich sofort, worauf er anspielte, denn einmal mehr kam ich völlig demoliert Heim, ohne den Hauch einer Erklärung. Daraufhin erhob er sich und mir wurde allmählich bewusst, dass ich ihn wohl sehr sehr stark verletzt haben musste. Ich war einfach weg gerannt, hatte ihn zurück gelassen und das nach unserem ersten Kuss. Das war echt eine harte Sache und langsam dämmerte es mir, weshalb Jan außerdem so abweisend mir gegenüber zu sein schien. Er dachte doch nicht echt, ich wäre seinetwegen gegangen? Doch nicht wirklich, oder?! Sah er denn nicht, wie verrückt ich nach ihm war? „Jan.", sprach ich ihn ruhig an, streckte meine Hand sanft nach der seinen aus, doch er wich zurück. „Es war ein langer Tag. Ich sollte jetzt schlafen gehen.", blockte er mich sofort ab und ging weiter auf Abstand. Es tat mir wirklich im Herzen weh, ihn so zu sehen und ich ertrug es einfach nicht länger. Er sollte nicht denken, dass es seinetwegen gewesen war. Denn das, oh Gott, das war es absolut nicht! „Jan, bitte warte." Nun erhob auch ich mich vom Sofa, schnappte mir seinen Arm und hielt ihn sachte fest, als er in sein Zimmer flüchten wollte. „Bitte sieh mich an, bitte Jan. Glaub mir, es war nicht deinetwegen.", sprach ich, nun schon mit etwas Druck dahinter, zu ihm, doch er hielt seinen Kopf gesenkt, reagierte gar nicht erst auf meine Aussage. Schwer schluckte ich, als mir deutlich gezeigt wurde, wie weh mein Verhalten wirklich getan hatte. Und ich bereute es so sehr, das glaubt ihr gar nicht, doch was hatte ich denn bitte für eine Wahl gehabt?! „Jan, so glaub mir doch! Ich kann dir den Grund nicht nennen, aber ich bin nicht wegen dir gegangen, echt! Du musst mir glauben, bitte!" Zärtlich zog ich ihn näher zu mir, wobei er keine Anstalten machte sich zu wehren, doch noch immer würdigte er mich keines einzigen Blickes. Verdammt, ich hatte es echt verbockt. Wie sollte ich das nur wieder hinbiegen? Da begann mein kleiner Fuchs plötzlich auf meine Worte einzugehen. Seine Antwort jedoch gefiel mir alles andere als gut, im Gegenteil, sie war ein Treffer auf voller Linie und ging mir bis tief ins Mark: „Wie soll ich dir denn glauben, wenn du mir nicht einmal einen Grund für dein Verhalten nennen kannst?" Ich hielt die Luft an. Scheiße, er hatte absolut Recht. Und es tat mir auch dermaßen leid. Doch wie? Wie sollte ich ehrlich zu ihm sein, wenn meine Wahrheit doch so furchtbar schwer wog? Ich wollte ihn auf keinen Fall verlieren, doch auch mir wurde in jenem Moment klar, wie dünn das Eis allmählich wurde, auf welchem wir zwei standen. Ich konnte die Realität nicht ewig von ihm fernhalten, das wusste ich, doch heute Nacht, heute, da wollte ich ihn einfach bei mir haben, ohne Streit, ohne gänzlich gebrochene Herzen, ich konnte es ihm noch nicht sagen. Nicht jetzt, nicht wenn er mich sowieso schon hasste. „Bitte verzeih mir.", entgegnete ich mit zitternder Stimme, als Jan sich schließlich aus meinem Griff löste und erneut auf Sicherheitsabstand ging. Mist, ich hatte das nicht gewollt, ich musste irgendetwas tun, etwas sagen, doch was? Ich brauchte meinen Fuchs, ich konnte es nicht so enden lassen. „Du hast doch sicher auch Dinge, die du mir nicht sagen kannst, oder? Jan, bitte sieh mich an!" Meine Stimme brach und Tränen stiegen mir in die Augen. Fuck, bitte, heb deinen Kopf, schau zu mir, ignorier mich nicht länger. Ich hatte verstanden, doch nun wollte ich nur noch eins, Erlösung. Ich wollte meinen süßen Mitbewohner, sein Lächeln und seine Vergebung. Oh Gott, es gab absolut nichts auf der Welt, dass ich mehr wollte. Da gab mein Freund schließlich nach, denn es stimmte. Ich behielt Recht, allein sein mögliches Untergrundnetzwerk, über welches ich absolut nichts wusste, allein sein Zimmer, in welches ich nicht einen einzigen Schritt setzten durfte und sicher auch vieles mehr, wovon ich nicht einmal ahnte, dass es existiert, ganz klar, über all das verlier er niemals auch nur ein Wort. Keine Frage, jeder hatte Geheimnisse, die er niemandem anvertrauen konnte, auch Jan. Dies wusste er sogut wie ich, weshalb er nun endlich einlenkte und langsam sein rotes Köpfchen anhob. Ganz verquollen waren seine weinenden Augen und ich spürte, wie mir das Herz brach, als ich ihn so schluchzend vor mir erblickte. „Du bist so ein Arsch!", presste er zitternd hervor und ich wischte mir die nassen Kullern aus dem Gesicht, nickte zustimmend. „Du würdest es also nochmal tun?" Ich horchte auf. Ihn dort zurück lassen? „Also.. küssen meine ich." Augeblicklich röteten sich meine Wangen und ich erstarrte bis aufs Leib. Oh Gott, genau das fragte ich mich doch selbst ununterbrochen! Bewegungsunfähig starrte ich Jan entgegen und hyperventilierte innerlich bereits. Was sollte ich denn jetzt sagen?! Da kicherte Jan plötzich auf und wischte sich seine großen, runden Tränen von den Wangen. „Schon gut. Ich will dich doch bloß ärgern. Rache muss sein.", lächelte er mit gläsernden Augen und roter Nase, da verzog ich das Gesicht zu einem gespielt wütenden Blick. Wie gemein! Kurz zögerte ich, doch wie sagte Jan so schön? Rache musste sein. Dementsprechend nahm ich all meinen Mut zusammen, beugte mich kurzerhand zu ihm hinüber und gab ihm einen kurzen, unerwarteten Kuss auf die Wange. Augenblicklich mutierte mein Füchschen zu einer knallroten Tomate und ich hatte mein Ziel wieder einmal siegessicher erreicht. „Also dann, schlaf gut!", winkte Jan verlegen ab, währenddessen ich ihn breit angrinste. Scheiße, hatte ich ein Glück, dass mein Kleiner so verständnisvoll war. Gott, ich hätte nicht gewusst, was ich ohne ihn anfangen sollte. Er war einfach alles für mich, der Grund, weshalb meine Welt sich drehte, lebte, voll Farbe, voll Freude, voll Sonnenschein. „Du auch.", nickte ich, wobei wir beide langsam auf unser jeweiliges Zimmer zu spazierten. Nun waren wir also an unseren Türen angekommen, doch kurz bevor wir beide ins Bettchen verschwanden, richtete sich Jan noch ein letztes Mal, in dieser Nacht, an mich: „Oh, aber falls du mich noch ein einziges Mal einfach so alleine stehen lassen solltest, ohne mir einen vernünftigen Grund zu nennen, dann werde ich dir das nicht so einfach verzeihen, Geheimnisse hin oder her, klar?" Ernst musterten mich seine grünen Katzenaugen und ich nickte. Lächelnd, doch gewillt erwiderte ich ein kurzes „Klar.", bevor wir uns beide in unsere Schlafzimmer zurück zogen und rasch hinab ins Bett fielen. Schweigend lag ich dort also, auf meiner weichen Matratze und sah zur Zimmerdecken empor. Man, ich hatte wirklich sowas von Schwein gehabt. Keine Ahnung, was ich getan hätte, hätte er mir nicht verziehen. Echt, wenn eines in meinen verwirrten Gedanken klar war, dann, dass ich Jan in meinem Leben nicht missen wollte. Ich dachte langsam sogar, dass es mir ziemlich gut gefallen würde, ihn noch einmal zu küssen. Vielleicht bekam ich ja irgendwann wieder die Chance dazu, wer konnte das schon sagen? So schloss ich zufrieden und erleichtert die müden Lider, schlief rasch ein und dachte dabei an diese smaragtfarbenen Augen, welche mir so viel bedeuteten.

Höllenkrieger- Legt die Waffen nieder!  || Boyslove! Yaoi!♡~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt