15. Kapitel- Melodie des Herzens

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Die Regalreihen des Supermarktes reihten sich lang und hoch im Inneren der kleinen Halle. Milchprodukte, Tiererzeugnisse, alles was sich ein Mensch an Nahrung und Leckereien wünschen konnte, war in diesem Laden im Überfluss vertreten. Die Größe des Geschäftes verriet zwar, dass die Gelder nicht allzu gut flossen, doch die Liebe und Arbeit die alle Beteiligten in diesen Markt steckten, ließ genau diesen Fakt völlig verblassen. Gerade standen wir bei den Konserven, welche sich direkt neben einigen Getreideprodukten, wie Nudeln, befanden. Jan hatte mich im Laden herumgeführt, mir alles erklärt und ich musste zugeben, er war ein hervorragender Lehrer. Auch in diesem Moment kramte er in einem Einkaufkorb herum, in dem er unzählige Büchsen und Dosen transportierte. Er erklärte mir, welche Dose ich wohin stellen musste und ich bemühte mich auch zuzuhören, doch in Wahrheit fiel mir gerade das ziemlich schwer. Denn jedes Mal, als seine klaren, grünen Augen zu mich aufblickten, verschlug es mir die Sprache, raubte mir jede Konzentration. Wie die roten Strähnen seines zarten Haares seine weichen Wangen umspielten, auf denen sich kleine Sommersprossen befanden, welche wohl nur im Sommer das Licht der Welt erblickten, war so bezaubernd, dass ich es selbst kaum zu Glauben vermochte. „Ethan? Hörst du mir überhaupt zu?", wurde ich jedoch augenblicklich aus meinen Gedanken gerissen und mein Gegenüber blinzelte mich wütend an. Ich zögerte einen Moment, bevor ich eifrig zu nicken begann. „Ja, klar!", versicherte ich ihm außerdem sofort. Eine glatte Lüge, doch ich belog ihn ja sowieso, da kam es auf dieses eine Mal auch nicht mehr darauf an. Und die Schuldgefühle, die ich seit der Nacht verspürte, machten es auch nicht besser, doch ich würde mich schon noch daran gewöhnen. Ich musste, es blieb mir keine andere Wahl. „Achso übrigens, was machst du heute Abend so?", ergriff Jan abermals das Wort und ich zog überrascht die Augenbrauen hoch. Wieso denn diese Frage plötzlich? Hatte er etwa 'was mit mir vor? Ein Grinsen schlich sich auf meine Lippen, doch wurde es sofort wieder verdrängt, als mir etwas Wichtiges ins Gedächtnis zurück kam. Was, wenn meine Schwester heute wieder einen Auftrag für mich bereit hielt? „Tut mir leid, ich glaube, es geht nicht.", entgegnete ich also, selbst etwas niedergeschlagen. Gern hätte ich meinen Abend mit dem Fuchs verbracht, der mich in diesem Moment so traurig ansah, wie selten. „Aber, wieso denn nicht?", fragte er nun und ich schluckte schwer. Sonst hinterfragte er meine Aussagen nie. Nur, dass meine Worte sonst nur von mir selbst handelten und diesmal er derjenige war, den es betraf. Das machte wohl den zarten Unterschied aus und ganz ehrlich? Ich konnte es absolut nachvollziehen, aber was sollte ich denn jetzt bitte antworten? Immer bleicher wurde ich um die Nase und überlegte fieberhaft nach einer Ausrede, doch mir fiel keine ein. Welche Lüge hätte ich diesem Schlaufuchs denn bitte auch auftischen sollen, die er mir wirklich glauben würde? Und so blieb mir quasi gar nichts anderes übrig als folgendes, in dem Wissen, dass ich es sowieso bereuen würde: „Ja gut, ich hab Zeit. Was machen wir?" Oh Mann, das konnte nur schief gehen.
„Karaoke?", spielte ich das Echo des Kleinen und blickte ihn fragend an, während wir den, nun bereits nur noch mit Pappen beladenen, Einkaufswagen hinter zu den Mülltonnen schoben. „Jawohl! Karaoke!", meinte er mit fester Stimme und grinste dabei übers ganze Gesicht. Ich jedoch runzelte nur die Stirn. Was meinte er denn? Was bedeutete dieses 'Karaoke' überhaupt? Dieses Wort kannte ich gar nicht. Etwas verunsichert half ich meinem Kollegen die leeren Kartons in einen blauen Container zu schmeißen. „Boar Ethan, singen! Du und ich gehen singen! Was denn auch sonst?", schnaufte Jan genervt, als er meine Unwissenheit erkannte und verdrehte dabei die Augen. Ich hingegen hielt Inne. „Moment.", murmelte ich leise, während Jan den Deckel des nun gefüllten, überdimensionalen Mülleimers wieder schloss und wir den leeren Einkaufswagen beiseite stellten. „Ich soll singen? Ich?!", warf ich ihm ziemlich schockiert an den Kopf. Singen? Musik? Also echt, das war nun ganz und gar nicht mein Ding! Ich doch nicht! Erschüttert sah ich zu ihm herüber, konnte es noch immer kaum fassen. Nein! Das konnte Jan sowas von vergessen! „Nicht du, wir beide!", lächelte mich dieser allerdings nur übertrieben freundlich an und ließ mich mit offen stehenden Mund zurück, holte einen Besen und drückten ihn mir kurz daraufhin die Hand. „Du fegst jetzt, klar? Und dreh das Radio lauter, damit du für heute Abend auch ein paar coole Songs drauf hast. Kannst gern schon üben. Ich muss zur Kasse. Bis später!", grinste er nur und fühlte sich wohl gerade sehr überlegen. Dieser Arsch! Es ging ihm ja wohl nur darum, uns möglichst offensichtlich zu blamieren. Oh Nein, das konnte er sowas von vergessen! Schockiert stand ich da, hatte schon fast mit der Sache abgeschlossen. Ich würde da nicht hingehen! Keine zehn Pferde würden mich dahin bekommen! „Super, freu' mich drauf.", meinte Jan da plötzlich, kam noch einmal zurück und strich mir liebevoll über den Unterarm. Sanft lächelte er mich an und mein Herz machte einen Sprung. Ach scheiße! Vor Glück strahlend wandte sich der Rothaarige ab und stapfte froh davon, in Gedanken wohl schon beim Karaoke heute Abend. „Verdammt. Ich werde da sowas von hingehen müssen.", murmelte ich in diesem Moment zu mir selbst, denn mir war bewusst, wie machtlos ich gegen diesen Jungen war. Jan hatte sich so gefreut, er schien wirklich voll Vorfreude und Aufregung und genau deshalb konnte ich ihm nicht absagen. Ich wollte ihn nicht enttäuschen oder gar unglücklich oder traurig stimmen und das war der Grund, weshalb ich nachher mit ihm Singen gehen würde. Er wusste das und nutzte es für sich. Dieser kleine Scheißer! Still und heimlich zuckten meine Mundwinkel in die Höhe. Das würde er zurück bekommen, ganz sicher! Lächelnd wendete ich mich nun also dem Fegen des Lagers zu, während ich mir einen gewieften, doch natürlich freundschaftlichen Racheplan überlegte. Und im Hintergrund spielte das alte Radio eine kleine Melodie, welche meine Gedanken tanzen ließen.

Höllenkrieger- Legt die Waffen nieder!  || Boyslove! Yaoi!♡~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt