Erbarmungslos starrten die schwarzen Buchstaben der unzähligen Flugblätter, Zeitungsartikel und Berichte zu mir hinab. So viele, dass die Farbe der Wand, an welcher sie allesamt hingen, nicht mehr zu erkennen war. Und Notizen lagen umher, auf dicken, alten Büchern, welche sich wie Wachtürme auf dem Holzboden tummelten, die große Tafel bewachten, welche inmitten aller ihren Platz gefunden hatte. Auf ihr unzählige Bilder, heimlich aufgenommene Fotografien, von Straßen, Gebäuden, doch selbst von einzelnen Personen. Alles war voll davon, es erdrückte einen regelrecht. Und überall dieses Zeichen, das des Kolibris, wohin man auch sah. Es ließ mir den kalten Schweiß auf der Stirn stehen, so unheimlich war dieser Ort. Kaum Tageslicht drang in jenes Zimmer, die Fenster verdeckt durch blickdichte, tiefschwarze Vorhänge. Und hier wohnte er? An diesem schaurigen Fleck Erde? Es war kaum zu fassen. Ich verstand nicht, was das alles zu bedeuten hatte, konnte nicht nachvollziehen, wie und weshalb. Ich wusste nicht einmal mehr, ob ich meinen Kleinen überhaupt richtig kannte? Was wusste ich denn schon über ihn? Konnte ich ihm wirklich trauen, bei einem derartigen Doppelleben? Verdammt, ich war einfach fix und fertig mit den Nerven, mit meinem Latein am Ende und im allgemein grundlegend überfordert. Was nun? Wie weiter? Ich hatte keine Ahnung. Wie bitte sollte ich mit diesen Eindrücken, welche hier hemmungslos auf mich einprasselten, umgehen? Gehörte Jan zu der Sekte, mein kleiner naiver Fuchs? Könnte ich ihn tatsächlich so falsch eingeschätzt haben? Doch, wer war dann dieser süße junge Mann, den ich in den letzten Wochen so lieb gewonnen hatte? War all das nur eine Show gewesen, ein Versuch der Sekte an mich heran zu kommen, was auch immer sie damit bezwecken wollten? Ich konnte es mir schlichtweg einfach absolut nicht erklären, war nur noch verwirrter, als zuvor.
Da geschah es plötzlich. Das, was unausweichlich geschehen musste: Ich hörte das Klacken der Wohnungstür, Jan. Er war Zuhause.
„Eth! Ich hab uns was Leckeres vom Asiaten mitgebracht! Bist du schon da?", rief er, fröhlich wie eh und je. Doch es dauerte nicht allzu lang, bis die Freude sich legte und er die Situation erkannte, in welcher wir uns nun gezwungenermaßen befanden.
Ungläubig, dass dies hier gerade tatsächlich geschah, trat er gleichmäßig an mich heran, Schritt vor Schritt in sein aufgebrochenes Zimmer, in dem ich stand, noch immer, keine Anstalten machte, mich heraus zu reden oder gar abzuhauen. Nein, ich wollte eine Erklärung, ich musste es wissen, sonst hatte das alles hier nicht den geringsten Sinn.
Doch zu meinem Entsetzten reagierte Jan nicht so, wie ich es von dem sonst so strahlenden Füchschen gewöhnt war, nicht im Geringsten. Er begann weder damit, mich zu beschimpfen oder zu weinen, ganz und gar nicht. Er stand einfach dort, blickte mir vollkommen ernst entgegen, fast so wie ein Raubtier, welches seine Beute vor dem Angriff genauestens visierte. „Was tust du hier?", presste er zwischen seinen Lippen hervor, atmete langsam und so gefasst, dass es mir beinah Angst einjagte. Es brachte mich fast dazu, mich zu fragen, wer da gerade vor mir stand. War es tatsächlich mein Jan? „Was tust du hier?!", wiederholte er seine Worte, nun etwas bestimmter, doch ich konnte nicht antworten, es ging nicht. Es war, als wäre ich angewachsen, als hätte ich die Fähigkeit mich zu bewegen verlernt, ja, als hätte ich sie nicht einmal erlernt! Und ich konnte keinen Ton von mir geben, nichts, nicht einmal mit der Wimper zucken. Als hätte man mich betäubt, gelähmt, versteinert, all das zeitgleich! Jetzt, genau in diesem Moment, da wusste ich nicht einmal mehr, ob ich überhaupt noch im Stande war vernünftig zu Atmen. Es gab nur eins, dessen ich mir ganz sicher war: Ich musste es wissen!
Doch Jan, er schien das alles noch viel ernster zu sehen, als ich es mir überhaupt hätte erträumen können. Denn, und das könnt ihr mir glauben, was dann folgte, war eine absolute Prämiere, das hatte es zuvor noch nie gegeben und es erschütterte mich tief und schwer, erschrak mich regelrecht. „Was machst du hier?! Es gab nur eine scheiß Regel in diesem Haushalt und die war, mein Zimmer ist nicht zu betreten, verdammt!", brüllte mich Jan plötzlich aus vollster Kehle an und ich zuckte derartig zusammen, dass es fast schon schmerzte. Was? Seit wann redete er so? Wieso?
Völlig verstört wich ich zurück, woraufhin er zu weinen begann. Rasch und dick kullerten sie Tränen an seinen Wangen hinab, während ich auch jetzt noch vollkommen unfähig war, auch nur irgendetwas darauf zu erwidern. Gott, ich kam mir so hilflos vor. Erst einer gewaltigen Selbstüberwindung war es zu verdanken, dass ich kurz darauf überhaupt etwas von mir gab, doch ich tat es und darauf kam es ja an, nicht wahr? „Bitte, ich muss es einfach wissen. Bitte, Jan. Du musst es mir erklären." Diese Worte brachte ich unter zitternder Stimme hervor. Und Jan? Er nickte nur und wandte sich von mir, griff nach dem Schlüssel zur Wohnung und kurz bevor er aus meinem Blickfeld zu verschwinden drohte, hörte ich ihn leise meine Erlösung flüstern: „Komm mit." Er würde es mir sagen, meine Fresse, endlich! Natürlich drehte mein ganzer Körper völlig am Rad, vermochte es kaum noch, geradeaus zu laufen, doch ich folgte ihm, denn egal wie stark meine Furcht mich zu beherrschen schien, meine Unsicherheit schrie nach Gewissheit, übertönte dabei alles. Nur bitte, Gott im Himmel, bitte mach, dass meine Bedenken und Befürchtungen sich als falsch erweisen würden und mein süßer Jan genauso liebenswert, so wundervoll war, wie ich es die letzten Wochen selbst miterleben durfte. Es musste eine Erklärung für all das geben. Bitte.
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Höllenkrieger- Legt die Waffen nieder! || Boyslove! Yaoi!♡~
Science FictionSeit Jahrzehnten regiert die höhst grausame Sekte "Blauer Kolibri" die Ländereien des Nordens. Die Mitglieder leben in Angst vor der zunehmenden Gewalt innerhalb der Organisation und vor allem die sogenannten "Höllenkinder" oder auch "Höllenkrieger"...