Rasch also legte ich meine Hand auf die schlichte, unscheinbare Klinke eben der einen Tür, welche mich, nur in dem Bruchteil einer Sekunde bereits, zu meinem kleinen Jan zu führen vermochte. Sie sah aus wie jede andere in diesem Flur, in dieser Klinik, es war nichts Besonderes an dieser Tür, an diesem Zimmer. Zumindest für die Ärzte und Schwestern nicht. Für den Architekten und die Putzfrauen nicht. Für mich jedoch war dieses Zimmer zur Heimat geworden. Natürlich war es das, denn wo auch immer Jan sich befand, fühlte ich mich heimisch. Nicht etwa, weil ich die Handtücher des Krankenhauses so toll fand oder den Essensservice genoss! Nein, weil Jan mein Zuhause war. Und egal, wo er sich auch aufhielt, dieses Gefühl dauerte an, ewig. Schwer schluckte ich, bevor ich die Tür leise auftat, denn ich fürchtete mich vor dem, was mich innerhalb dieses Patientenzimmers erwarten würde. So viele Gedanken flogen mir zeitgleich durch den Kopf, sie überschlugen sich beinah, sodass ich sogar etwas froh darüber war, als helle Sonnenstrahlen mich zu blenden begannen. Sie lenkten mich ab, wie sie da so durch die gigantischen Fenster in den Raum herein fielen. Diesen mit einer Flucht voll grellem Licht erstrahlten, gegen das meine Augen eng zusammen gekniffen, zu blinzeln begannen. Erst als ich mich an die unglaublich wärmende Helligkeit gewöhnt hatte, war es mir möglich zu erblicken, was hier nun genau aufzufinden war. Dabei erkannte ich zuallererst einige fein säuberlich zusammen gelegte Kleidungsstücke, welche sich auf dem Klinikbett meines Füchsleins wieder fanden. Verwunderte runzelte ich die Stirn, stand noch immer stumm an der Tür, welche ich möglichst unauffällig geöffnet hatte, da ich nicht die Absicht verfolgte, meinen Kleinen zu erschrecken.
Ich wandte meinen Blick von dem ordentlich gemachten Bett ab und noch ehe ich auch nur einen weiteren Gedanken an irgendwelche Nichtigkeiten verschwenden konnte, entdeckte ich ihn bereits, meinen Jan. Er stand in Straßenklamotten gekleidet an einem Schrank und streckte sich zu jenem hinauf, da, wie ich erkannte, seine Reisetasche oben auf dem hölzernen Riesen Platz gefunden hatte.
Kurz nur irritierte es mich, meinen Freund nicht in einem bequemen Shirt und einer Trainingshose im Bett sitzen zu sehen, so wie es in den vergangenen Tagen stets der Fall gewesen war. Hinzu kam das, was er dort gerade zu tun gedachte. Weshalb wollte er an seine Tasche? So wie es mir schien, konnte eine Entlassung doch unmöglich gestattet wurden sein. Immerhin wurde er zusammen geschlagen, wie konnte er da nun überhaupt bereits an eine Rückkehr in den Alltag denken? Lieber sollte er sich erst einmal richtig auskurieren! Doch noch ehe ich weiter darüber spekulieren konnte, was sein Verhalten zu bedeuten hatte, vernahm ich auch schon ein leises, gequältes Stöhnen, welches mich augenblicklich aus meinen Gedanken riss. Schweigend beobachtete ich, wie mein Vermieter sich schmerzerfüllt seinen, in Verbände gewickelten, Kopf hielt. Sofort verstand ich, dass solche Anstrengungen seinem verletzten Körper wohl nicht allzu gut tun konnten. Und dennoch schien Jan nicht vorzuhaben, sich wieder zurück in sein Bettchen zu legen, im Gegenteil. Kurz nur nach seinem aufkeimenden Schmerz versuchte er bereits wieder an die hoch gelegene Reisetasche zu gelangen. Wirklich unverbesserlich, dieser Junge.
Ich jedoch konnte das nicht länger mit ansehen. Kurzerhand entschloss ich mich, meinem Füchschen zur Hand zu gehen und schritt dementsprechend geradewegs auf ihn zu. Jan, der mich bisher nicht entdeckt hatte, zuckte erschreckt zusammen, als ich da nun plötzlich und scheinbar wie aus dem Nichts neben ihm auftauchte. Dies tat mir leid, denn ich wollte den Kleinen ja nicht verschrecken, doch mir blieb angesichts der Situation kaum eine andere Möglichkeit. Jan käme ja ohnehin nicht an die Tasche heran, weshalb ich mich nun also lang machte und sie von dem riesigen Schrank herunter zog. Jan derweil sah verdutzt und ziemlich überrascht zu mir hinauf. „Was machst du hier?“, fragte sein Blick nur allzu deutlich, doch als ich ihm seine Tasche überreichte, gewann er wieder an Fassung und lächelte mich dankend an.
Jan wirkte fröhlich darüber, mich zu sehen, auch wenn er mich um diese Uhrzeit wohl noch nicht hier erwartet hatte, dennoch schien er es ziemlich eilig zu haben. Kurz nur strahlten mir seine tiefgrünen Augen entgegen, bevor mein Freund sich schließlich dem Packen seiner Sachen widmete. Mit zitternden Händen stellte er die große Tasche auf dem Boden vor seinem Bett ab und es wurde immer deutlicher, was genau hier abzulaufen schien. „Wirst du etwa heute schon entlassen?“, erkundigte ich mich also und begann meinem Freund dabei zu helfen, seine Kleidung in der Reisetasche zu verstauen. „Wenn ich in der Uni noch länger fehle, komme ich gar nicht mehr mit.“, erwiderte mein Kleiner nickend und wirkte dabei ziemlich bedacht auf seine Worte.
Damals wollte es mir nicht auffallen, doch mein Vermieter schien allgemein recht angespannt, fast schon nervös, als läge ihm etwas Schweres auf dem Herzen. Doch ich, ich hatte in jenem Moment nur im Kopf, wie ich Jan am schonendsten von meiner Kündigung berichten konnte, und zwar so, dass er nicht gleich total sauer auf mich wurde. Und so grübelte ich hin und her, begann von einem Fuß auf den anderen zu treten und konnte meine Unentschlossenheit wohl allgemein kaum vernünftig verbergen, bis ich durch eine sehr plötzliche Frage in meinen Gedankengängen unterbrochen wurde. „Ich hab gehört, du hast die Nacht bei Peggy verbracht?“ Perplex hielt ich Inne, stoppte mit dem Kopfzerbrechen und blinzelte meinen Gegenüber überrascht an. „Ja. Wieso?“, entgegnete ich wirklich recht irritiert, denn mit so einer untypischen Frage hatte ich bei meinem Rotschopf beim besten Willen nicht gerechnet und es wunderte mich, vor allem als ich die roten Wangen meines Fuchses erblickte und seine Augen, die mich keines Blickes mehr würdigten. Es war fast, als hätte er Angst. Vor mir? Vor meinen Worten? Ich wusste es nicht, doch augenblicklich konnte ich an nichts anderes mehr denken. „Nur so.“, winkte Jan allerdings sofort ab, als wäre es eine Nichtigkeit von Frage gewesen, obwohl er bereits wenige Augenblicke später weiteres Wissen dieser Art einforderte, indem er sich leise räuspernd weiter erkundigte: „Hast du sie denn gern? Seid ihr euch nah gekommen oder so?“ Also echt, spätestens jetzt war ich vollkommen verwirrt. Nah gekommen? Wie meinte er das denn bitte? Und natürlich hatte ich sie gern! Sie war doch meine Freundin, unser beider Freundin! Das dachte ich zumindest und ich hatte angenommen, Jan sah das genauso wie ich. „Klar mag ich sie.“, gab ich also etwas vorschnell zurück, woraufhin Jan sein Gesicht komplett von mir abwandte. „Also hast du sie geküsst und.. mehr?“, murmelte er leise und klang dabei so traurig wie selten zuvor. Ich hingegen konnte es kaum fassen. Bitte was sollte ich getan haben?! So etwas Abscheuliches traute er mir zu?! „Nein! Das würde ich niemals machen!“, schrie ich ihn schon beinah an und erwartete ein Zusammenzucken oder Zurückweichen aus Angst vor der Lautstärke, die meine Stimme so unaufhaltsam überrollt hatte. Wobei man sagen muss, dass es mir im gleichen Moment bereits leid tat, ihn so angegangen zu haben. Ich wusste ja, dass Jan es gar nicht böse gemeint hatte, doch dass er so etwas auch nur von mir dachte, regte mich einfach furchtbar auf! Es verletzte mich! Als ob ich jemals so etwas Grausames, perverses tun würde! Ich war doch nicht wie mein Vater!
Jan jedoch zuckte nicht, er rannte nicht davon, im Gegenteil. Mit dem Rücken stand er zu mir, den Kopf gesenkt und nahm stumm meine Hand in seine. „Ein Glück.“, hauchte er leise und eine gewaltige Gänsehaut überfuhr meinen gesamten Körper. Augenblicklich löste sich all meine Wut in Luft auf und ich spürte die Wärme, die Geborgenheit, die von meinem Fuchs direkt zu mir herüber floss, allein durch diese unscheinbare Berührung unserer Finger. Ich wusste nicht, wieso und ich wusste auch nicht, was es zu bedeuten hatte, doch zog ich meinen Fuchs behutsam an mich heran. Ich schloss ihn sanft in meine Arme und obwohl ich diese Nähe immer verabscheut hatte, genoss ich sie in jenem Augenblick umso mehr.
Einige Momente verweilten wir noch in dieser Pose, bevor Jan sich lächelnd zu mir wand und mir mit der Hand verspielt durchs Haar fuhr. „Komm, wir packen weiter. Sonst kommen wir hier nie raus.“, lachte er feixend und ich nickte zustimmend. Er wirkte schon jetzt ganz anders als noch vor wenigen Minuten, so befreiter, erleichterter. Und ich konnte es verstehen. Er war sicher erfreut darüber, dass ich nicht so ein Monster abgab wie mein Erzeuger das getan hatte. Ja, Jan musste wohl stolz auf mich sein, der sich nicht den schrecklichen fleischlichen Bedürfnissen hingab! Das musste es sein, das und nichts anderes. Darauf, dass er vielleicht nur eifersüchtig gewesen sein könnte, kam in jener Situation gar nicht.
Und so fuhren wir mit unserer Tätigkeit fort, während die Reisetasche sich nach und nach füllte und ich mich wieder meinen Gedanken, an die Offenbarung der Kündigung, widmen konnte. Da kamen mir plötzlich die Besucher meines Freundes in den Sinn. Das Pärchen, welches ich vorhin vor Jans Zimmertür erblickte hatte. Und einmal mehr schweifte ich von meinen Überlegungen ab und ging zur Befragung über, denn was ich absolut nicht zulassen konnte war, dass Jan wieder in Gefahr gebracht wurde, nur weil ich zu unachtsam wäre. Nein, das durfte niemals wieder geschehen! Und so nahm ich erneut das Wort an mich. „Du, sag mal, wer waren denn die Leute vorhin?“, überwand ich also meine Scheu und erwartete eine hoffentlich beruhigende Antwort, was ich jedoch bekam, war weder eine Antwort noch war es beruhigend. Im Gegenteil! Erst reagierte Jan überhaupt nicht und nach mehrfachen Fragen begann er seltsam herum zu glucksen und nach Ausreden zu suchen. Ganz klar war jedenfalls nur eins: Er wollte mir nicht sagen, wer diese Personen gewesen waren. Doch wieso? „Das war niemand! Niemand wichtiges!“, nickte er und versuchte die Wahrheit somit zu umgehen, so aber ließ ich mich nicht einfach abspeisen! Es war ja nicht so, dass ich ihm Geheimnisse aus der Nase ziehen oder ihn gar bedrängen wollte, nein! Doch wenn es um seine Sicherheit ging konnte ich so eine Verschwiegenheit einfach nicht erlauben! Es handelte sich hierbei schließlich um Jan, meinen Jan! Und ich durfte nicht zulassen, dass er mir etwas unterschlug, dass ihm am Ende vielleicht noch schaden oder gar umbringen könnte! Dafür war er mir einfach zu wichtig! „Wieso sagst du es mir nicht einfach? Wollen die dir wehtun?!“, gab ich mittlerweile ziemlich angespannt von mir, Jan jedoch schüttelte nur den Kopf. „Nein, natürlich nicht! Das sind..“ Scharf biss er sich auf die Unterlippe, unterbrach somit seinen Satz und sah besorgt zu mir hinauf. Was war los, ach, bitte sprich doch mit mir! „Sie sind“, begann er nun leise und ich dankte Gott dafür, dass mein Kleiner nun endlich mit der Sprache heraus rückte. „Sie sind Interessenten für die Wohnung. Deine Wohnung. Aber keine Sorge! Ich habe ihnen gesagt, dass das wohl eher nichts wird, da ich schon einen anderen Mieter gefunden habe! Und ich weiß ja, du wirst bald schon für die Miete aufkommen also bitte mach dir keine Sorgen! Wirklich, vergiss die Leute einfach wieder!“ Und als er das sagte, da wusste ich, ich hatte einen riesigen Fehler begangen. „Ich bin gekündigt.“, erwiderte ich leise flüsternd und Jans Augen weiteten sich fast schon geschockt, beinah fassungslos. „Was?“, fragte er ungläubig, doch ich konnte es nicht ändern. „Ich bin gekündigt“, wiederholte ich und leitete damit das Ende unserer bisherigen Beziehung ein, denn so wie bisher konnte es nun unmöglich weiter gehen.
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Höllenkrieger- Legt die Waffen nieder! || Boyslove! Yaoi!♡~
Ciencia FicciónSeit Jahrzehnten regiert die höhst grausame Sekte "Blauer Kolibri" die Ländereien des Nordens. Die Mitglieder leben in Angst vor der zunehmenden Gewalt innerhalb der Organisation und vor allem die sogenannten "Höllenkinder" oder auch "Höllenkrieger"...