13. Kapitel- Fuchsrot

162 22 5
                                    

Nur vereinzelnd fielen einige kühle Lichtstrahlen durch die großen Fenster in mein Zimmer. Ein mächtiger Schleier aus düsteren Wolken hing tief über den Straßen der Stadt und versteckte die Sonne hinter sich. Kaum ein Strahl drang durch die schwere, dunkle Wand aus tiefem Grau. Selbst die Vögel schienen heute nicht in der Stimmung zum Singen. Vielleicht war es die Kälte, die sich nach und nach durch die Gassen zog, welche sie daran hinderte so unbeschwert und froh wie sonst zu sein. Vielleicht ahnten sich aber auch, vor wessen Fenster sie sich eingenistet hatten. Ich war ein Mörder, hatte es nicht verdient mit freundlichen Liedern beglückt zu werden. Still lag ich auf der durch gelegenen Matratze, inmitten des Chaos meiner Wohnung. Die Bettdecke über mich gezogen, mich versteckend und dem Lärm der Straße lauschend. Im Sekundentakt rasten Autos und Motorräder an meiner Wohnung vorbei. Rücksichtslos verteilten sie ihr giftiges Gas, bliesen es in die Luft ohne auch nur einmal über die Folgen nachzudenken. Solch Verhalten hatte ich bisher immer verachtet, nun handelte ich selbst so. Die letzte Nacht war der beste Beweis dafür, dass auch ich einen Scheiß auf andere Menschen gab. Nur ich schien mir wichtig, wie erbärmlich. Die letzten Stunden hatten sehr an meinem Geist gezerrt, sodass ich mich kaum zu Atmen traute. Ich wollte unbemerkt bleiben, mich verstecken, vor mir selbst. Verrückt oder? Ich war nicht in der Lage die Erlebnisse dieser Nacht zu verarbeiten. Es ging einfach nicht! Ich wusste nicht, wie ich damit umzugehen hatte, war einfach nur völlig am Ende meiner Kräfte. Am liebsten hätte ich mich hier für immer unter meiner Decke verkrochen. So stellte ich zumindest auch keine Gefahr für meine Umwelt dar. Viele Fragen flogen mir durch den Kopf, der ganz durcheinander war. Zwar versuchte ich krampfhaft die Erinnerungen an den Besuch bei diesem Mann zu verdrängen, doch es wollte mir kaum gelingen. Ich zitterte am ganzen Körper, trug noch immer die Kleidung dieses Fremden. Sein Geruch lag in meiner Nase und ließ mein Herz vor Angst rasen. Ich hatte Panik, krallte mich seit Stunden in das alte Laken meiner Matratze. Kein Auge hatte ich zugetan in dieser Nacht. Selbst nachdem ich Daheim angekommen war, in Sicherheit schien, Beruhigen kam gar nicht in Frage für meinen Körper.

Scheiße! Wieso hatte ich das nur getan?! Mein Kopf begann zu schmerzen und ich kniff die Augen zusammen. Verdammt! Ich durfte nicht länger daran denken! Hatte es doch nur für meine Schwester getan, um ihr ein guter Bruder zu sein! Ja, das versuchte ich mir einzureden. Natürlich war mir bewusst, wie falsch diese Aussage war. Ich hatte es nicht für sie getan, nein, ich tat es weil es mir gefiel. Weil es mir unheimlichen Spaß bereitet hatte. Doch das wollte ich einfach nicht wahr haben! Nicht jetzt, nicht in diesem Moment! Das einzige was ich nun wollte war, vergessen! Es einfach verdrängen! Es war nie geschehen, das wollte ich glauben! Das und nichts anderes! Stumm lag ich auf der weichen Matratze und schloss die Augen für einen Moment. Die letzte Nacht hatte es nie gegeben, sie hatte niemals stattgefunden. Das sollte von nun an meine Wahrheit sein.

Plötzlich erklang ein dumpfer Ton und ich zuckte überrascht zusammen. Erst war der Klang leise, doch nach und nach stieg seine Lautstärke. Was war das? Ein Vogel, der von dem Fenster an einen Baum hämmerte oder etwa ein Nachbar, der einen alten Nagel in die Wand schlug? Erst, als eine mir nur zu gut bekannte, zarte Stimme nach mir ruf, wurde mir bewusst, was die Quelle des Geräusches war. „Ethan?", rief jemand gedämpft und ich erkannte ihn sofort, Jan. Er musste wohl im Treppenhaus stehen und der Lärm, den ich nicht hatte zuordnen können, war wohl sein Klopfen gegen die Wohnungstür. Seufzend schob ich die Bettdecke von mir und erhob mich. Meine Gelenke knackten wie die eines alten Mannes und die Kleidung an meinem Leib stank gewaltig nach Gewissensbissen und schlechtem Verhalten. Selbst mein Haar hing mir im Gesicht, an welchem Schweiß hinab lief. An diesem Morgen stellte ich wohl keinen sonderlich schönen Anblick dar, dennoch schleppte ich mir zur Haustür und öffnete diese mit gemischten Gefühlen. Einerseits war ich froh, Jan wieder zu sehen, denn seine Gegenwart erleichterte mich ungemein. Andererseits wusste ich nicht, wie ich ihm meine Situation erklären sollte. Ich durfte ihm nicht die Wahrheit sagen, nicht ihm! Er würde mich doch hassen, würde er es erfahren. Wenn er wüsste, was ich wirklich bin, dann könnte er mir das niemals verzeihen. Er hätte nicht verstanden, wieso ich diesen Mann töten musste. Ich war ein Mörder, ein Monster, das könnte er sicher niemals akzeptieren. Das vermochte ich ja selbst kaum. Und genau darum durfte er niemals etwas davon erfahren. Nie!

Höllenkrieger- Legt die Waffen nieder!  || Boyslove! Yaoi!♡~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt