12. Kapitel- Der blaue Vogel

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Seine geballte Faust schwang durch die Luft, hatte mich im Visier. Sie stelle wohl den letzten Versuch der Wehr meines Opfers dar, die letzte Hoffnung der Situation vielleicht doch noch Herr zu werden, denn er wusste, was ihm drohte, würde er jetzt aufgeben. Er wusste es genau, wusste, dass sein Tod unmittelbar bevorstehen würde. Ich jedoch spürte das Blut durch meine hervorstehenden Adern fließen, das Beben meines Körpers, der ganz vernarbt war und so voller Schmerz. Diese mickrige Faust sollte mich also aufhalten? Mich, den man bereits als Kind mit Stöcken und Gürtel verhauen hatte? Das ich nicht lachte. Selbst, wenn er mich träfe, wäre das nur wie ein Mückenstich, vor allem jetzt, wo das Adrenalin mich unempfindlich und stark machte? Das konnte er doch nicht ernst meinen. Wo war seine Grausamkeit hin? Ein Grinsen schlich sich auf meine Lippen als mir das Zittern seiner Knöchel auffiel. Ach, er hatte also tatsächlich Angst? Ja, mit Recht. Ich würde ihm heute wohl kein lieber Sohn sein. Blitzschnell griff ich neben mir auf die Kommode. Erst schlug ich mit der Faust auf das Haustelefon, bis ich dann plötzlich etwas zwischen die Finger bekam, etwas hartes längliches. Ich schnappte es mir, schlug meinem Vater damit gegen seine Faust, woraufhin man sie laut knacken hörte. Seine bis eben noch so lebhaften Knöchel schienen wohl zertrümmert und er schrie auf vor Schmerz. Lächelnd betrachtete ich den Gegenstand, der mir solch nützliche Dienste erwiesen hatte und musste feststellen, dass es sich hierbei um eine Art Kerzenständer handelte. Jedoch stand keine Kerze in ihm. „Was ist das?", fragte ich und drehte das mit Blut besudelte Ding. „Ein Familienerbstück! Bitte lass mich gehen! Ich bin doch nur ein einfacher Angestellter! Bitte! Ich tu auch alles!", begann der dunkelhaarige Mann dann plötzlich zu betteln und wimmern, während er sich vor mir auf die Knie warf und seine blutüberströmte Hand hielt. Tränen standen in seinen Augen, doch ich wandte den Blick von ihm ab. „Schnauze!", meinte ich kalt und wendete mich erneut dem Gegenstand in meinen Händen zu. Ein Familienerbstück also. Dann war es ja naheliegend, dass der Kerzenständer nicht nur einfach vergoldet, sondern komplett aus purem Gold bestand, was auch seine Festigkeit erklären würde. Ein sehr nützlicher Helfer. „Weißt du noch, als du mich damals mit unserem Familienerbstück beglückt hast? Du sagtest, es sei eine Ehre. Es war die Urne meiner Großmutter und du hast sie zerschlagen. Ich weiß noch genau wie der Geschmack ihre Asche war, die ich gezwungen war zu verspeisen. Ich weiß noch genau wie es sich anfühlte, als du mir mit den dreckigen Scherben tief in die Haut meines Rückens schnittest. Weißt du, es hat sich entzündet und ist bis heute nicht verheilt. Und es reißt jeden Tag auf, immer und immer wieder." Ich sah auf den Leuchter und eine Träne rann an meiner Wange hinab. Wie oft hatte ich mich gefragt, womit ich das verdient hatte. Was ich falsch gemacht hatte oder was ich tun konnte, damit es endlich aufhört. Nun wusste ich es, zumindest was das letztere anging. „Ich muss dich töten. Es muss beendet werden.", murmelte ich, sah von dem Familienerbstück auf und richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf den flehenden Mann vor mir. Erbärmlich. Keine Würde. Ich ging einen Schritt auf ihn zu, bis ich unmittelbar vor ihm stand, griff in sein Haar und zog so seinen Kopf zu mir, sodass mich der Kerl direkt ansehen musste. Sein Gesicht war ganz verquollen vom Weinen und noch immer wimmerte er „Gnade, Gnade!", doch ich hörte nicht. Wer hatte mir denn jemals Gnade erteilt?! Niemand! „Ich hasse dich.", sprach ich mit so einer Kraft dahinter, dass es sich tief in mein Gedächtnis brannte. Es war die Wahrheit. Niemand hatte mir so viel angetan, wie mein Vater. Niemanden hasste ich so sehr, wie ihn. Ich holte mit dem Ständer aus und schlug so fest ich konnte gegen sein Kinn. Man hörte es deutlich Knacken und mir war klar, sein Kiefer war durch. Wieder kreischte er vor Schmerz, vor Qual und eine Gänsehaut überzog meinen Körper. Wow, dass es mir so gefallen würde, ihn leiden zu sehen, überraschte mich ja beinah selbst. Diese Genugtuung, dieses Gefühl von innerer Befriedigung, wie ich es noch nie zuvor gespürt hatte. Bei seinem ersten Tod hatte dieser Mann es viel zu einfach gehabt, doch das war nun vorbei. Diesmal würde er leiden! Ich schlug mit dem Kerzenständer gegen seinen Bauch, was wohl innere Verletzungen mit sich brachte. Immer weiter steigerte ich mich in mein Handeln hinein, immer witziger fand ich es, ihn schreien zu hören. Wie er diese Qual spürte, die er mir seit ich denken konnte zugefügt hatte. Es machte mich glücklich, unheimlich zufrieden. Immer wieder traf mein goldener Helfer auf den Körper des bereits gebrochenen Mannes, der vor lauter Stöhnen kaum noch zu wimmernden Worten kam. Der Schmerz trieb ihn in den Wahnsinn. Diese Reaktion kannte ich nur zu gut. „Grüß meine Mutter in der Hölle!", brüllte ich schließlich, als ich zum letzten Schlag ausholte. Bereits jetzt war der Mann nur noch ein Häufchen elend. Er war bereits bewusstlos, doch das störte mich nicht weiter. Ich hatte seine Knochen dennoch weiter gebrochen, bis keiner mehr übrig war, an den ich nicht Hand gelegt hatte. Verdient. Ein warmes Gefühl machte sich in meiner Brust breit. Stolz auf mich selbst, Freude, Spaß. Das alles empfand ich bei diesem Handeln gegenüber diesem Menschen. Es war wie in einem Rausch, als wäre ich ein ganz anderer Mensch. Einer, der keine Angst hatte, der keinen Schmerz empfand, sondern nur Glückseligkeit. Das Familienerbstück traf gegen den Schädel meines Opfers, bevor ich ihm das völlig blutüberströmte Teil tief in den Rachen rammte. Erneut spritzte die rote Flüssigkeit aus ihm, wie aus einem Vulkan und ich ließ ihn endlich los. Sein Kopf knallte auf den gefliesten Boden des Flures und sein lebloser Körper war umhüllt von dem roten Mantel aus Blut, die ihm meiner Meinung nach herrlich gut stand. Wieso trug so einen nicht jeder schlechte Mensch?
Erschöpft atmete ich auf, seufzte zufrieden und wischte meine blutigen Hände an meinem weißen Hemd ab, welches allgemein bereits voll Blut war, da dieser Typ echt ganz schön gespritzt hatte. Ich klatschte in die Hände, was als Geste für verrichtete Arbeit wohl gesellschaftlich sehr geläufig war. Hach ja, war ich nicht ein guter Teil der sozialen Welt? Lächelnd schritt ich an dem Mann vorbei in seine Küche um mir die Hände einmal richtig zu waschen, da die dickflüssige Substanz schon ziemlich klebrig war. Als ich jedoch zur Tür eintrat, weiteten sich meine Augen. Ich zuckte zusammen und ein kalter Schauer überzog meinen Rücken, denn auf dem Esstisch dieses Raumes lag nicht etwas eine einfache Tageszeitung oder ein Kreuzworträtsel. Nein! Dort lag ein dickes Buch mit festem Umschlag, auf dem ein blauer Vogel abgebildet war. Dieses Buch hatte eine sehr seltsame Aura um sich, schwer zu erklären, doch mir war durchaus bewusst, dass dieses Werk wohl eine größere Bedeutung haben musste als ein einfaches Märchenbuch. Doch es war noch etwas anderes, was mir an dieser Sache den Atem raubte. Es war nicht der Einband oder die Ausstrahlung dieses Gegenstandes, sondern viel mehr das Zeichen, welches darauf zu sehen war. Dieser Vogel, den hatte ich schon einmal gesehen! Erst fiel es mir nicht ein, doch dann traf es mich wie der Schlag. Damals, kurz nach der Flucht aus meinem Elternhaus, da hatte ich dieses Symbol auf eines der parkenden Autos in der Einfahrt gesehen, kurz bevor ich von diesen fremden Männern niedergeschlagen wurde. Ich schluckte schwer, hielt den Atem an. Mit einem Mal war mein Kopf wieder ganz klar. Das war doch mit Sicherheit nur ein Zufall! Ein Zufall! Ich war wieder in der Realität angekommen, begann zu zittern. Was..? Ich sah mir hinab, Blut klebte an mir, an meinem Hemd, an meiner Hose, meinen Händen. Was hatte ich getan?! Ich biss mir auf die Unterlippe, zog die Augenbrauen hoch. Scheiße! Nun schwang mein Blick zum Flur heraus. Ich erstarrte, Übelkeit machte sich in mir breit und ein eiskalter Schauer lief mir über den Rücken. Wieso?! Warum hatte ich das getan?! Dieser Mann, der war doch gar nicht mein Vater! Tränen stiegen mir in die Augen. Ich musste hier weg! Ganz schnell! Ich musste Heim, musste gehen! Panisch rannte ich ins Schlafzimmer des Mannes, klaute mir einen lockeren Trainingsanzug von ihm und ließ meine Sachen in der Wohnung. Ich dachte nicht an Polizei oder ähnliches, wollte einfach nur hier raus! Weit weg und alles vergessen! Als ich nun die fremden Kleidungsstücke an mir trug, hielt mich nichts mehr. Ich sprintete aus der Wohnung, weinend, verzweifelnd. Ich fürchtete mich selbst. Warum war ich nur so weit gegangen?! Ich war kein Deut besser als mein Vater! Kein Stückchen!

Höllenkrieger- Legt die Waffen nieder!  || Boyslove! Yaoi!♡~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt