Schwach flimmerte das kalte Licht der alten Straßenlaternen auf die dünnen Wege und Nischen der Stadt hinab. Einzig die verzweigten Gassen und geheimen Schleichwege waren vom Schein der länglichen, leblosen Gestalten aus Metall und dunkler, grünen Farbe ausgeschlossen. Leichtfüßig und schnell wehte eine kalte Brise über den feuchten Schlamm der noch immer am asphaltierten Boden klebte, welche hier und da von Pfützen bedeckt in der Nacht lag. Der Regen hatte sichtbare Spuren auf der brüchigen Haut der Stadt hinterlassen, so wie einst mein Vater sie auf mir hinterlassen hatte. Zwar waren meine Pfützen bereits getrocknet, war mein Schlamm längst davon gewaschen, doch hatten sich tiefe Narben in meine Haut gebrannt. Immer weiter in mich, fest bis zu meinem tauben Herzen. Erst in der Nacht wurde einem bewusst, wer man war. Erst, wenn man ganz allein war, ohne irgendeine Stütze, irgendeinen Hoffnungsschimmer. Nur diese Stimme leitete mich, nur der zarte Klang des Lachens meiner Schwester, während sie mir von dem Mann erzählte, der es verdient hatte zu sterben. Sie hatte mich los geschickt, mit einem Namen, einer Beschreibung des Aussehens dieses Typen und seinem Standort. Bereits vor dem ersten Sonnenstrahl wollte sie ihn tot wissen, dieses völlig fremden Mann, den ich noch nie in meinem gesamten Leben gesehen hatte. Seltsam, oder? Jetzt einfach loszugehen und jemandem seinem Leben zu berauben, von dem man gerade einmal den Namen kannte. Ich spürte, wie sich ein dumpfes Gefühl in meiner Brust breit machte und mir wurde klar, wie herzlos und gewalttätig diese Sache war. Wie von Grund auf böse und gnadenlos, doch was sollte ich dagegen tun? Ich liebte meine Schwester und scheiße, ich hatte sie sterben lassen! Ich schuldete ihr, zumindest jetzt an ihrer Seite zu kämpfen! Um sie zu rächen, um ihr ein guter Bruder zu sein! Ich konnte mich nicht wehren, ich musste ihren Befehlen Folge leisten! Und wer auch immer dieser Mann war, so hatte meine Schwester doch bereits über sein Schicksal entschieden. Ich konnte mir zwar auch nicht erklären, woher sie diesen Fremden kennen sollte, doch durfte ich sie nicht hinterfragen! Wobei man sagen musste, dass sie mich ohnehin nicht hören konnte. Also wäre allein der Versuch einer Frage sinnlos gewesen. Es brachte nichts, ich musste ihr einfach vertrauen! Er hatte den Tod verdient! Ich durfte nicht darüber nachdenken! Es einfach durchziehen, so wie meine Familie es mich gelehrt hatte! Ihn einfach um nieten und dann wieder Heim. Ohne jemals daran zurückzudenken. Ohne mich auch nur einmal zu fragen, wie es den Hinterbliebenen des Mannes wohl gehen musste oder wieso gerade er es war, der hatte sterben müssen. Ich durfte mir keine Gedanken darüber machen! Mein Herz musste sterben, taub zu sein half da nicht! Es musste aufhören für etwas zu schlagen. Ich durfte nichts empfinden, weder Trauer, noch Gnade. Genauso hatten es meine Eltern mir doch gelehrt und nun musste ich es umsetzen, auch, wenn ich eigentlich nie so werden wollte wie sie. Ich wollte nicht so werden wie meine Eltern, doch für meine Schwester? Ich setzte einen Schritt vor den Nächsten, sah auf meine Schuhe hinab, die nass in dem verdreckten Wasser der braunen Pfützen standen. Für meine Schwester, da würde ich alles tun! Mit dieser Erkenntnis hob ich meinen Blick, erinnerte mich an die Wegbeschreibung meiner geliebten Auftragsgeberin zurück und rannte kurz darauf auch schon los, immer tiefer in die Nacht, immer weiter in die alles verzehrende Dunkelheit.
Ich spürte, wie sich die Finsternis fest um mich legte, während mir die Sterne am Himmelszelt den Weg wiesen, den ich nie hatte gehen wollen und sich das Licht des gesichelten Mondes schwach in den niedrigen Pfützen spiegelte, dessen Wasser so schwarz wie meine Seele war. Ich bereute es bereits, nicht damals schon gestorben zu sein, zweifelte an dieser ganzen Racheaktion, doch hatte ich keine Wahl. So bog ich also in die Straße des fremden Mannes ein, der nun bald nie wieder in seine Straßen abbiegen würde. In weiter Ferne erkannte ich es sogar bereits, das Haus meines Opfers. Es lag still in der nächtlichen Ruhe. Die weiße Fassade war schon vergilbt und dennoch wirkte das Häuschen ziemlich gepflegt. Es unterschied sich kaum von den anderen, nur durch den dunkelgrünen Efeu, der sich an den alten Mauern des Gebäudes hinauf schlängelte, war es deutlich zu erkennen. Mit schwerem Herzen begann ich nun also meinen grausamen Weg zu gehen. Immer näher kam ich dem traute Heim dieses Menschen, welches er wohl bald auch nie wieder verlassen würde. Das Stechen in meiner Brust schmerzte, es sollte mich warnen, doch ich ignorierte es, sah einfach darüber hinweg. Nun stand ich vor seiner Tür, blickte zum Boden hinab, schluckte schwer. Konnte ich das echt machen? Einen anderen einfach so ermorden? Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn, zu groß war meine Nervosität, zu gewaltig die Zweifel, die ich gegen dieses Unterfangen hegte. Dennoch, ich besann mich auf die Worte meiner Schwester. Sie verließ sich auf mich, ich durfte sie nicht enttäuschen! Nein, ich würde sie nicht wieder im Stich lassen! Würde sie stolz machen! Mit diesem Ziel vor Augen erhob ich meine Faust und klopfte zögerlich an die Tür, erst ganz leise, dann jedoch auch lauter, bis sich im Haus etwas regte. Von den bereits erloschenen Lichtern flimmerte eines nach dem anderen wieder auf, als ich Schritte hörte und eine Stimme, die näher zu kommen schien, vernahm.
Mein Herz begann zu rasen und mein Puls schoss in die Höhe. Gleich, gleich würde dieser Fremde vor mir stehen, der mich noch nie zuvor gesehen hatte. Gleich würde ich ihn mir einfach greifen, ihn ermorden. Zitternd ballte ich meine Hand zur Faust. Ich musste das durchziehen, musste das schaffen! Ich durfte jetzt nicht so ein Weichei sein! Nervös wippte ich von einem Fuß auf den Nächsten. Scheiße, wie sollte ich das nur anstellen? Wie sollte ich allein ins Haus kommen? Tausend Fragen flogen mir durch den Kopf und mein Herz schrie mir zu, ich solle doch einfach nur weg laufen, Heim, zurück zu meinem neuen Leben. Es war dumm hier zu stehen, sprach mein Gewissen und Verzweiflung lang in seinem Ton, dennoch, nun stand ich hier. Und ich würde erst wieder gehen, wenn der Auftrag meiner Schwester erfüllt war. Auch wenn ich das hier wohl für immer bereuen würde, kein Zweifel, zumindest zu diesem Zeitpunkt nicht. Ich konnte ja nicht ahnen, was noch auf mich zukommen würde. Konnte nicht wissen, was sich gerade in dieser Nacht, gerade in diesem Haus abspielen würde, ich sah einfach nur das Licht, welches unter der Tür hervor schien und vernahm, wie die Klinke der Türe langsam hinab gedrückt wurde. Ach, hätte ich doch nur vorher gewusst, wer sich gleich vor mir zeigen würde. Es wäre jedem viel Schmerz erspart geblieben.
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Höllenkrieger- Legt die Waffen nieder! || Boyslove! Yaoi!♡~
Science FictionSeit Jahrzehnten regiert die höhst grausame Sekte "Blauer Kolibri" die Ländereien des Nordens. Die Mitglieder leben in Angst vor der zunehmenden Gewalt innerhalb der Organisation und vor allem die sogenannten "Höllenkinder" oder auch "Höllenkrieger"...