40. Kapitel- Augen zu und durch!

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„Ich war echt ziemlich überrascht vorhin! Hätte nicht vermutet, dass du so für ihn empfindest.“, lächelte Peggy verlegen, während sie neben mir den langen Flur der Klinik entlang schritt, dessen Boden derart klar war, dass wir uns beinah in ihm spiegelten. Schweigend zuckte ich mit den Schultern. Was gab es dazu noch weiteres zu erzählen? Es war, wie es eben war und ich hatte mit keinem meiner Worte gelogen. Ich konnte es nicht ändern und Jan schien doch Gefallen an meiner Ansprache gefunden zu haben, wozu also nun noch weiter rechtfertigen? War doch nichts Schlimmes, ihn so zu mögen. Der Fuchs war eben mein Freund. Was gab es da zu hinterfragen?
„Ethan!“ Erschreckt zuckte ich zusammen, schob meine Gedanken beiseite und wandte mich erneut meiner Begleiterin zu. „Ja?“, erwiderte ich auf ihr Rufen meines Namens. Sie jedoch nickte nur, als hätte ich ihr die Antwort auf eine noch ausstehende Frage geliefert. Irritiert schüttelte ich den Kopf über das seltsame Verhalten des Mädchens. Nun, vielleicht hatte sie sich nur einen Scherz mit mir erlaubt, doch kaum hatte ich diese scheinbare Erkenntnis für mich gewonnen, begann es schon wieder: „Ethan!“ Genervt rollte ich mit den Augen. „Was denn?!“, fuhr ich das junge Mädchen, samt welcher ich nun aus dem Eingangsfoyer des Krankenhauses spazierte, ziemlich schroff an.
Versteht mich nicht falsch. Ich wollte sie nicht kränken oder ähnliches, nur war der Tag bereits sehr lang gewesen. Ich war erschöpft und wollte langsam wirklich einfach nur noch schlafen, bevor ich morgen in aller Frühe bereits wieder an meinem Arbeitsplatz anzutreten hatte.
Was dann geschah, versprach allerdings absolut nichts Gutes.
„Hä?“, verwirrt legte Peggy ihren Kopf auf die Seite, sah fragend zu mir herüber, da wusste ich es. Da wurde es mir schlagartig bewusst. Es war nicht die Studentin, welche meinen Namen so kläglich rufend von sich gab. „Nicht schon wieder.“, hauchte ich wie erstarrt gegen den kühlen Wind und spürte das Verlassen sämtlicher Farbe aus meinem Gesicht. Ganz bleich geworden stand ich also nun dort, vor der Klinik und die Nacht hatte sich bereits über die Stadt gelegt.
„Was ist nun? Kommst du? Ich bring dich nach Hause!“, öffnete Peggy derweil bereits die Fahrertür ihres Wagens und blickte abwartend in meine Richtung, ich jedoch wagte es nicht, mich auch nur einen Millimeter vom Fleck zu rühren. „Ethan! Hilf mir!“, schrie diese Stimme in mir und ich wusste, diese Nacht war für mich noch lang nicht zu Ende.
Schlafen war in weite Ferne gerückt, als Angst und Verzweiflung den Platz, an welchem bisher nur Müdigkeit ausgeharrt hatte, übernahmen und mein Körper sich allmählich vollkommen verkrampfte. Vorsichtig setzte ich ein paar Schritte rückwärts. Ich musste hier weg! Ich konnte nicht bleiben, musste alleine sein, durfte nicht in dieses Auto steigen! Nein, es ging nicht, auf gar keinen Fall! „Ethan, alles okay?“, fragte Peggy derweil, welche die aufflammende Panik, die sich zunehmend in mir ausbreitete, wohl erkannt haben musste. Rasch begann ich eifrig mit Nicken und vernahm, wie die Schreie meiner toten Schwester stetig an Lautstärke dazu gewannen, bis sie beinah unerträglich wurden. Ich musste hier weg, sofort! „Alles gut! Ich laufe!“ Mit diesen Worten begann ich mich aufzuraffen und nahm die Beine ordentlich in die Hand. Schnell rannte ich durch die Dunkelheit, Hauptsache weg, hörte nur noch verwirrte, vielleicht auch besorgte, Rufe meiner Begleiterin. Es tat mir leid, sie so unhöflich zurückzulassen, ohne ein Wort der Erklärung, doch es ging nicht anders. Ich konnte es ihr nicht erklären, ihr genauso wenig wie jedem anderen auf dieser Welt. Dabei würde es mich, so sicher war ich mir, bald schon völlig auffressen! Diese ganze Scheiße, sie machte mich krank! Ich wollte niemanden verletzen, schon lange war meine Rache für den Verlust meiner Schwester gestillt, doch konnte ich dennoch nicht aufhören zu töten.
„Wärst du doch nur endlich ruhig.“, murmelte ich mit brüchiger Stimme, während meine Schwester mir den neuen Auftrag nahe brachte. Wann? Wann hatte das endlich ein Ende? Wann nur durfte ich ein normales Leben führen, ganz so, wie ich es mir immer schon gewünscht hatte?

Schon völlig außer Atem bog ich rennend in die Straße meines nächsten Opfers ein. Schon wieder ein unauffälliges Einfamilienhäuschen im Schatten der finsteren Nacht. Und erneut würde mit Sicherheit ein alter, versiffter Mann vor mir stehen, welchen ich zu erledigen hatte. Wie oft sollte ich das denn noch tun? Zitternd wischte ich mir den kalten Schweiß von der Stirn, hatte langsam das Gefühl abzustumpfen. Immer und immer derselbe verdammte Mist! Dabei wollte ich das gar nicht mehr. Doch mir blieb keine Wahl, was ich ja schon beim letzten Mord hatte feststellen müssen. Also los, Ärmel hochkrempeln und ans Haus heran schleichen. Ich musste das einfach so schnell wie irgend möglich hinter mich bringen.
Das hatte ich doch auch bereits die letzten achtzehn Jahre meines Lebens hinbekommen, als mein Vater mir diese 'Liebesgeständnisse' entgegen gebracht hatte. Ich vermochte es nicht zu ändern, also musste ich es einfach hinnehmen und es hinter mich bringen. Was blieb einem anderes übrig? Einfach aushalten und danach so gut es eben ging vergessen. So war es auch jetzt, auch hier, ich musste diesen Mord begehen, ob ich wollte oder nicht. Also Augen zu und durch.

Und so verschaffte ich mir Zutritt auf das fremde Grundstück, durchdrang möglichst behutsam den kleinen Vorgarten. Auf keinen Fall durfte ich Aufmerksamkeit auf mich ziehen, worin ich ein Glück auch relativ geübt war, weshalb es mir auch ziemlich gut gelang. Nun stand ich also vor der massiven Eingangstür des Hauses, wollte gerade nach einer Möglichkeit suchen, diese zu überwinden, da geschah es. Wie aus dem Nichts und obwohl ich mir absolut sicher war, keinen Krach gemacht zu haben, öffnete sich urplötzlich der Einlass vor mir und eine ältere Dame mit schulterlangem, schneeweißen Haar trat auf mich zu. „Guten Abend.“, grüßte sie mich höflich, während mir das Herz in die Hose rutschte. Verdammt! Sie hatte mich bemerkt! Was sollte ich denn nun tun?! Und allgemein, wieso stand gerade diese Frau auf einmal vor mir?! Sie konnte doch unmöglich mein Opfer sein, so zierlich und reinlich wie sie schien, mit ihrem sanften, einladenden Lächeln! Das konnte meine liebste Schwester doch unmöglich ernst meinen! Nicht diese so freundlich wirkende Dame! „Ich habe dich schon erwartet, tritt doch bitte ein.“, fügte die Fremde offenherzig hinzu und hielt mir die Tür offen, ich derweil wusste gar nicht recht, was nun zu tun war. Erwartet?! War ich tatsächlich so laut gewesen oder was meinte dieses alte Fräulein damit? Verunsichert begann mein Puls zu rasen und ich wich erschreckt einen Schritt zurück. Was nun?! Mit in dieses Haus gehen?! Oh Mist, diese Situation war so fremd, so überfordernd und ich war plötzlich vollkommen durcheinander, konnte mich gar nicht recht konzentrieren, um vielleicht doch noch einen neuen, zumindest halbwegs vernünftigen Plan zu schmieden! „Keine Angst. Komm, lass uns einen Tee trinken.“, nickte die Frau nun und schien dabei wirklich ziemlich vertrauenswürdig. Oh man, was war hier nur los? Begrüßte man so einen völlig fremden Mann, der mitten in der Nacht, ohne jegliche Ankündigung, zu einem nach Hause kam? Ob sie sich denken konnte, weshalb ich hier war? Aber nein, ich schüttelte den Kopf über diesen wirklich abwegigen Gedanken, nein, so durchschaubar konnte mein Verhalten ja nun auch wieder nicht sein! Und so fasste ich neuen Mut und setzte ganz vorsichtig einen Fuß vor den Nächsten, schritt fast schon scheu an der Frau vorbei, bis ich letztendlich in ihrem Haus stand. Immerhin war ich nun herein gekommen, was ja zumindest schon einen Schritt in die richtige Richtung darstellte. Oh, aber hoffentlich hatte ich damit keinen schrecklichen Fehler begangen. Hoffentlich!

Höllenkrieger- Legt die Waffen nieder!  || Boyslove! Yaoi!♡~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt