Fest hielt ich seine Hand, welche mir eine Brücke zu den Freuden des Lebens war. Seine weiche Haut, die mich daran erinnerte, am Leben zu sein, trotz allem. Und seine Wärme, die mein Herz zum Rasen trieb. Es schien, als hätte seine Glut mein Feuer entzündet. So stark, so hell, wie niemals zuvor. Dennoch, früher oder später holte die Realität die Glückseligkeit stets wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Und Fakt war, dass mir schlichtweg kein normales, fröhliches Leben zustand. Wie sollte es auch, ich hatte nichts Gutes verdient. Ich war ein Mörder, konnte froh sein, überhaupt noch zu leben, ohne irgendwo weggesperrt dahin vegetieren zu müssen.
Gerade noch dachte ich an nichts Böses, genoss den Moment mit meinem Fuchs in vollen Zügen, da erwischte es mich eiskalt. „Ethan. Du musst etwas für mich erledigen!" Sie. Ihre Stimme, die sich ohne jegliche Vorwarnung in meinen Kopf geschlichen hatte, schon wieder. Schlagartig zuckte ich zusammen, hatte mich beinah zu Tode erschreckt! Und alles in mir schrei ‚Nein, bitte nicht!'. Doch es war zu spät, meine Schwester war einmal mehr aus dem Reich der Toten zurück gekehrt, einzig um mich heimzusuchen. Allein, damit ich für sie jemanden vernichtete, um meine grenzenlose Schuld zu begleichen. Manchmal wünschte ich mir wirklich, sie hätte sich nicht für mich geopfert. Wäre ich an ihrer Stelle gestorben, hätte ich diese Schmerzen niemals erleben müssen, die ich nun in meinem ganzen Körper verspürte. Andererseits hätte ich dann meinen Rotschopf nicht kennen gelernt, was wirklich furchtbar bedauerlich gewesen wäre. Trotzdem, das was mein Schwesterchen mir antat war grausam, doch was sollte ich tun? Ich stand in ihrer Schuld. Ich hatte sie nicht gerettet. So gesehen war es mein eigenes Verschulden, das alles hier erleben zu müssen. Wäre ich ein besserer Bruder gewesen, würde all das niemals geschehen und meine Schwester wäre hier an meiner Seite.
Ruckartig riss ich mich von Jans Hand los, wich erschrocken zurück und versuchte krampfhaft meine Fassung wenigstens halbwegs aufrecht zu erhalten, doch die Schreie und das Kreischen meiner Schwester in meinem Kopf wurde zunehmend ohrenbetäubender. Es war, als wolle sie mich taub machen. So, als hätte sie Angst, ich könne sie nicht hören. Doch das konnte ich, leider. „Jan, ich glaube ich kann dich nicht nach Hause begleiten!", presste ich zitternd hervor und mein Kleiner, der mich ziemlich besorgt musterte, erwartete selbstverständlich eine Erklärung für mein nicht gerade unauffälliges Verhalten. Doch was sollte ich schon sagen? Mein Kopf war gar nicht fähig, sich auf eine passende Ausrede zu konzentrieren, meine Gedanken ließen sich nicht ordnen, sodass mir weiß Gott nichts Vernünftiges einzufallen schien.
Bis meine Rettung jedoch überraschender Weise just in diesem Moment um die nächste Straßenecke bog. Langsam nährte sich nämlich der kleine Wagen, welcher mir sehr wohl bekannt vorkam. Kurze Augenblicke später war mir auch klar, weshalb. Denn als das Auto entspannt neben uns zum Stehen kam und ein groß gewachsener, seriös wirkender Mann aus ihm stieg, erkannte ich ihn sofort. Ben. „Weil ich mit ihm reden muss!", verließ dieser rettende Satz blitzschnell meine Lippen. „Es ist wichtig. Tut mir echt leid, Jan! Aber wir haben etwas extrem bedeutsames zu besprechen! Also entschuldige uns. Ich sehe dich ja dann Zuhause. Sind sowieso nur noch ein paar Straßen bis zur Wohnung.", fiel ich außerdem sofort ein, bevor Ben mich auch nur grüßen konnte. Natürlich runzelte dieser daraufhin irritiert die Stirn, doch nahm er es einfach hin und spielte zu meiner Erleichterung auch nickend mit. Jan allerdings war von der ganzen Aktion wirklich so absolut gar nicht begeistert. Seine eben noch so gelassene Stimmung sprang sofort in Aggression um, während er angespannt meinen Worten lauschte. Es tat mir tatsächlich leid, doch ich musste weg. Ich konnte meine Fassade nicht länger aufrechterhalten, während die Stimme in mir noch immer auf mich einredete. Zunehmend hatte ich das Gefühl vollkommen durchzudrehen und wenn es soweit war, wollte ich auf keinen Fall in der Nähe meines liebsten Freundes sein. Unter gar keinen Umständen! Ich musste hier einfach weg, ich musste gehen! Und Ben war gerade die beste und auch einzige Ausrede die mir auf die Schnelle eingefallen war. So zögerte ich nicht länger und stieg in seinen Kleinwagen ein, ließ meinen Fuchs dort stehen. Ohne vernünftige Erklärung. Gott, ich wusste, wie mies das von mir war. Vor allem, nach dem letzten Erlebnis dieser Art. Und mir war durchaus bewusst, dass diese Aktion noch sein Nachspiel haben würde. Doch lieber wollte ich einen wütenden Jan, als einen der mich abgrundtief hasste, wenn er erfuhr, wer ich wirklich war. „Komm! Wir fahren!", fauchte ich Ben beinah schon an, dieser schien noch immer recht verwirrt, doch folgte meinem Befehl, ließ sich neben mir auf dem Fahrersitz nieder und startete den Motor. Ach verdammt, wieso das alles schon wieder? Konnte meine Schwester es nicht langsam mal gut sein lassen?! Ich konnte das alles nicht mehr. So ein Dreck!
„Dein Kleiner wirkte nicht gerade glücklich eben. Habt ihr euch gestritten oder was sollte das?", ergriff Ben nun das Wort, doch ich wollte wirklich überhaupt nicht reden! Echt nicht! Mein ganzer Körper war verkrampft, zitternd presste ich mich gegen die geschlossene Tür des Autos, als mein Fahrer nun endlich seiner Aufgabe nachkam, und den Wagen in Bewegung setzte. Gott, ich hatte das Gefühl an meinen eigenen Gefühlen ersticken zu würden. Irgendwie war das Gefühl, erdrückt zu werden, keine Luft mehr zum Atmen zu bekommen, allgegenwärtig. Ich wollte das alles nicht. Ich hatte das niemals gewollt. Ein einfaches, gewöhnliches Leben, mit meinem Jan an meiner Seite, das war alles was ich mir ersehnte. War das wirklich zu viel verlangt? Man, wieso hatte ich sie nicht einfach vor unserem Vater gerettet? Warum war ich so schwach gewesen, in jenem vergangenen Moment? Verdammte Scheiße, weshalb?! Ich biss die Zähne zusammen, hörte mir innerlich an, wohin ich nun zu gehen hatte. Wen ich zu töten hatte. „Ethan?", tippte Ben mir vorsichtig mit einem Finger gegen die Schulter, doch ich spürte es nicht. Langsam hatte ich das Gefühl gar nichts mehr zu spüren, außer tiefgreifender Verzweiflung. Das also war mein Leben: andere Menschen ermorden. Nur dafür schien ich gut genug zu sein. Was für eine Qual. Da hatte ich es ja sogar bei meinem Vater beinah noch besser. Fuck.
„Lass mich hier raus.", hauchte ich leise gegen die Glasscheibe des Fensters, sodass mein Atmen sie dabei beschlug. „Hier? Wäre es nicht erstmal ratsam, wenn du mir erklären würdest, was gerade passiert ist?", erwiderte Benedikt, doch bekam keine Antwort. Nichts. Ich schwieg, meine Forderung hatte ich ja bereits geäußert und mehr brachte in gerade nicht zu Stande. Nach einigen Minuten schien das auch bei Ben anzukommen, sodass er bei der nächsten Gelegenheit rechts ran fuhr und mich ausstiegen ließ. Nur kurz, bevor ich die Tür des Wagens zuhauen und verschwinden wollte, stoppte er mich mit folgenden Worten: „Ich hoffe du weißt, dass es immer einen Ort gibt, wo du willkommen bist. Wir werden dich gern aufnehmen! Wir würden gern für dich da sein, alles klar?" Die Sekte. Wow. Das war sie also: meine einzige Perspektive. Das sollte meine Möglichkeit auf ein besseres Leben sein? Eine ekelhafte Sekte, die meinem Fuchs seine Eltern genommen hatte? Nein danke, da blieb ich lieber allein, als mich denen anzuschließen. Niemals. Verächtlich schnaubte ich, bevor ich die Autotür zu schmiss, mich abwandte und hinein in die Dämmerung lief. Wenn mein Leben schon scheiße war, dann wollte ich wenigstens in dem Wissen versagen, kein Teil einer grausam dreckigen Gruppierung zu sein.
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Höllenkrieger- Legt die Waffen nieder! || Boyslove! Yaoi!♡~
Science FictionSeit Jahrzehnten regiert die höhst grausame Sekte "Blauer Kolibri" die Ländereien des Nordens. Die Mitglieder leben in Angst vor der zunehmenden Gewalt innerhalb der Organisation und vor allem die sogenannten "Höllenkinder" oder auch "Höllenkrieger"...