Farbenfroh und lieblich zierten die unterschiedlichsten Blumen die liebevoll getrimmten Gräser der unzähligen Gräber. Die Steine mit intimen Schriftzügen beschrieben, welche voll Trauer nur so trieften. Hier und da brannten kleine Lichter, gehüllt in rote Gläser, sie flackerten gegen die Verzweiflung der Überlebenden, versuchten alles um ihnen nur ein kleines Lächeln auf die Lippen zu zaubern. Doch die Bemühungen schienen zu oft leider vergebens zu sein. Noch nie hatte ich so einen Ort betreten, wieso auch? Für meine Geliebten gab es kein Grab, keine Blumen oder Kerzen. Nichts. Und dennoch war ich nun hier, durch ihn. Durch Jan, der mich zu diesem Friedhof gebracht hatte. Selbstverständlich fragte ich mich nach dem Grund, da eine Ruhestätte jetzt nicht gerade das war, was ich zunächst erwartet hatte, als ich ihn nach einer Erklärung für all das bat. Doch ich war mir sicher, er würde es mir verständlich machen und so hielt ich mich zurück, ließ mich von ihm zu einer Bank inmitten der Anlage geleiten. Dort unterbrachen wir unseren stillen Spaziergang für eine Weile, setzten uns auf die alten, dicken Holzbalken. Nun, so dachte ich, war es endlich soweit! Mein Magen drehte sich jetzt schon, verpasste mir ein nicht sehr schönes Übelkeitsgefühl, doch auch mein Herz war nicht besser, was dermaßen nervös auf die Situation reagierte, dass es wie wild gegen meine Brust hämmerte. Man, lange würde ich diese Ungewissheit echt nicht mehr ertragen, so viel war klar! Doch Jan, er schien gerade ganz andere Probleme zu haben. Schweigend blickte er zu den Grabsteinen hinüber, eine ganze Zeit lang, bis auch mir klar war, dass dies hier alles andere als eine lustige oder actionreiche Geschichte werden würde. Im Gegenteil, ich vernahm deutlich eine gewaltige Leere in seinen Augen. Und sein sonst so fröhliches Lächeln war nun gänzlich aus seinem schönen, doch gerade jetzt so ausdruckslosen, Gesicht verschwunden. „Ich bin kein Freund des Kolibris, im Gegenteil.“ Ruckartig wandte ich mich zu ihm, riss die Augen auf und konnte förmlich spürten, wie mein Herz mir in die Hose rutschte. Verdammt, allein diese wenigen Worte von meinem Füchschen zu hören, allein diesen kurzen Satz, bewirkte so dermaßen viel in mir. Ein gewaltiger Stein fiel mir vom Herzen und ich hatte das Gefühl, vor Erleichterung fast schon weinen zu müssen. Vielleicht hörte es sich seltsam an, doch ich war mir absolut sicher, dass er mich nicht belog, sodass all meine Angst sich schlagartig auflöste. Und das war ein atemberaubendes Gefühl. Dementsprechend war ich selbstverständlich heilfroh über die Wendung in dieser Geschichte, dennoch wirkte Jan so anders, als gewöhnlich. Er verhielt sich zunehmend komisch, so in sich gekehrt und irgendwie zu ernst, zu düster. Es war, als hätten sie meinen Fuchs einfach durch einen anderen ausgetauscht und ich konnte es mir beim besten Willen nicht erklären. Zumindest solange nicht, bis Jan zu erzählen begann. Und seine ganz persönliche Geschichte, die ließ mir wirklich das Blut in den Adern gefrieren, schnürte mir die Kehle zu, sodass ich es kaum noch vermochte, zu Atmen.
„Sie haben meine Eltern ermordet.“ Ich erstarrte, während er noch immer, wie in Trance, zu den Gräbern blickte, ihm eine einzelne Träne still und heimlich über die zarte Wange rannte. Zuerst war ich natürlich völlig geschockt, denn das hatte ich nicht kommen sehen, doch dann reagierte ich angemessen, indem ich vorsichtig näher zu meinem Freund heran rutschte, sanft einen Arm um seine Schulter legte, mit dem anderen seine Hand in meine nahm. Sofort ließ sich mein Kleiner gegen mich fallen, schmiegte sich leise schluchzend an meinen Körper. So ein Dreck, wieso musste gerade er so leiden? Es tat mir in der Brust weh, wenn er weinte. Und ich wünschte, ich hätte ihm den Schmerz einfach nehmen können. Habt ihr einen Menschen schon einmal so sehr gemocht, dass ihr euch wünschtet, ihr könntet an seiner Stelle leiden? Ihr könntet ihm seine Qual nehmen, egal was ihr dafür geben müsstet? Nun, ich empfand dieses Gefühl gerade jetzt so stark, dass es mich beinah zu überrollen drohte. Denn genau in jenem Moment realisierte ich, dass nicht nur ich von einem tief verwurzelten Schmerz geprägt war, sondern Jan ebenso. Scheinbar schienen wir uns wirklich ähnlicher zu sein, als zunächst erwartet.
„Ich war damals noch ein Baby, erst ein paar Monate alt, da legten meine Eltern mich vor die Tür eines Waisenheims. Am nächsten Tag waren die beiden tot, Selbstmord, so hieß es.“ Weinend erhob Jan sich von unserer Bank, machte jedoch keine Anstalten meine Hand loszulassen, im Gegenteil, er hielt sie fest in seiner, als er langsam zu gehen begann. Unsere Pause wirkte vorbei zu sein, sodass ich still hinter meinem Fuchs lief, während er nun gezielt eines der Gräber ansteuerte. Ich hätte es mir eigentlich schon denken können, doch vielleicht wollte ich es einfach nicht wahrhaben. Zu spät jedoch, denn als wir vor dem Grab seiner Eltern angekommen waren, gab es keinen Weg mehr es zu leugnen. Das Doppelgrab seiner Geliebten war wunderschön bepflanzt, sowie gepflegt, sodass jeder der es sah sofort wusste, wie sehr die beiden Menschen von ihren Angehörigen geliebt wurden, lang über ihren Tod hinaus. „Doch keine Angst.“, wandte sich Jan nun an die Namen auf dem hellgrauen, massiven Stein, „Ich werde alles daran setzten, euren Mörder zu fassen und die Sekte zu Fall zu bringen. Auch, wenn niemand mir glaubt, auch wenn sie alle sagen, ihr wolltet mich nicht und ihr hättet euch selbst umgebracht, ich lasse mich niemals davon abbringen. Nie und nimmer. Denn ich weiß die Wahrheit, ihr wurdet ermordet, was durch diese Selbstmord-Geschichte verschleiert werden sollte. Ich sorge dafür, dass jeder die Wahrheit erfährt. Vertraut mir!“ Zitternd hockte sich Jan hinab zu den Blumen des Grabes, strich behutsam über die bunten Blüten. Gott und ich spürte quasi, wie mein Herz zerbrach, als ich all dies miterleben musste. Trotzdem war ich froh, hier bei ihm zu sein, nicht nur, weil ich jetzt seine Gründe kannte, nein, auch weil dies mir die Möglichkeit gab, ihm beizustehen. Und so begann ich, meinem Rotschopf mitfühlend über den Rücken zu streicheln, bevor er sich wieder erhob und nun zu mir sprach: „Ihretwegen die ganze Recherche über die Sekte. Ihretwegen die Unterlagen, meine Bekannte aus dem Untergrund der Stadt, sogar mein Studium. Ich dachte, wenn ich das Verhalten eines Menschen besser deuten könnte, würde es mir leichter fallen, eben diesen durch Manipulation auf meine Seite zu ziehen, ihre Lügen zu entlarven und ihre Schwachstellen zu enttarnen. Ich bin kein guter Mensch, Eth.“ Seine grünen Augen trafen auf meine, blickten mir tief in die Seele. „Aber meine Eltern haben mich vor dem Tod bewahrt. Sie haben mich beschützt, aus Liebe, denn hätten sie mich nicht weg gegeben, wäre auch ich in jener Nacht mit ihnen gestorben. Ich bin vielleicht kein guter Kerl, doch wenigstens ein guter Sohn möchte ich ihnen sein. Ich muss ihren Mord einfach aufklären. Das bin ich ihnen schuldig. Verstehst du das, Ethan?“
Wow, das war echt ein ziemlich krasses Geständnis. Das musste ich wirklich erst mal sacken lassen, doch wenn er mich wie gerade in diesem Augenblick so ängstlich ansah, wenn seine Stirn vor Sorge in Falten lag, was blieb mir da schon über als zu nicken? Er war mir so wichtig! Und selbst, wenn diese ganze Sache komplett verrückt schien, so wusste ich tief in mir doch, dass ich ihn sowieso unterstützen würde, egal wie seltsam es zu sein schien. Zudem tötete er immerhin keine Menschen, im Gegensatz zu anderen Personen. Also mir. Man, er durfte das echt niemals erfahren. Ich wäre so dran, wenn er davon Wind bekäme. Immerhin hatte er einen ungeheuren Hass auf Mörder, was verständlich war. Jan schien also sein gesamtes Leben nur der Aufklärung dieses Mordes zu widmen. Gut, das war heftig, doch das machte ihn für mich nicht weniger liebenswert. Ein bisschen wahnsinnig? Nun, ja. Doch weniger bezaubernd? Nein, das nicht. Und wie gesagt, ich durfte mich da ja eigentlich gar nicht aus dem Fenster lehnen, immerhin war ich auch nicht so ganz gesund im Kopf. Wie dem auch sei, was nun folgte, das stand unter einem ganz anderen Stern als Hass oder Wahnsinn, glaubt mir. Denn plötzlich wandte mein kleiner Verrückter sich mit einem ganz anderen Thema an mich: „Doch wenn du bei mir bist, glaub mir, dann ist alles so anders. Es ist fast, als wäre all das Leid einfach vergessen! Wenn du meine Hand hältst, dann denke ich endlich einmal nicht mehr an diese Grausamkeiten, sondern einzig und allein an dich. Ich genieße jeden Augenblick, den ich mit dir erleben darf. Jeden einzelnen! Man, du gibst mir einfach so viel Glück und Hoffnung! Ich kann es kaum in Worte fassen.“ Verdammt, er empfand echt haargenau so wie ich. Es war unfassbar. Mein Herz schlug wie verrückt und in meinem Bauch machte sich so ein seltsam wohliges Gefühl breit, alles in mir zitterte und ich konnte mich einfach nicht mehr beherrschen. Es ging nicht mehr! Ohne weiter darüber zu grübeln zog ich Jan zu mir, legte meine Arme schützend um ihn, vernahm seine Wärme, die mich beinah schon elektrisierte und beugte mich zu ihm herunter. Sehnsuchtsvoll vereinte ich unsere Lippen zu einem Kuss, berührte mit einer Hand die weiche Haut seiner Wange und empfand in diesem Moment all das Gute in der Welt auf einmal! Es war unglaublich! Es war einfach perfekt! Sanft erwiderte mein Fuchs, lehnte sich gegen mich und ich spürte seinen zitternden Atem, als ich diesen wunderschönen Kuss löste. „Ich will nie wieder ohne dich sein. Ich mach alles für dich, alles was du verlangst.“, hauchte ich ihm wie verzaubert entgegen, sodass man die Leidenschaft, die zwischen uns existierte, deutlichst spüren konnte. Ein Lächeln schlich sich in das Gesicht des Kleinen, während er mir nun zum Glück wieder fröhlich entgegen strahlte. „Ich werde auf Ihren Sohn Acht geben. Keine Sorge, ich kümmere mich um ihn, versprochen!“, wandte nun auch ich mich an Jans Eltern, betrachtete dabei ihren Grabstein höflich, woraufhin Jan zu lachen begann. „Lass uns gehen.“, sprach er und ich nickte.
Und so schritten wir, Hand in Hand davon, traten den weiten Heimweg an, mit einem mehr als nur ‚guten‘ Gefühl im Bauch. Wer hätte gedacht, dass dieser Nachmittag sich doch noch zum Besseren wenden könnte? Es war unfassbar und ich vernahm genau, dass unsere Freundschaft durch diese Aktion ein ganz neues Level erreicht hatte. Wir schienen nun viel vertrauter als zuvor. Was für eine schöne Wendung, findet ihr nicht?
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Höllenkrieger- Legt die Waffen nieder! || Boyslove! Yaoi!♡~
Science FictionSeit Jahrzehnten regiert die höhst grausame Sekte "Blauer Kolibri" die Ländereien des Nordens. Die Mitglieder leben in Angst vor der zunehmenden Gewalt innerhalb der Organisation und vor allem die sogenannten "Höllenkinder" oder auch "Höllenkrieger"...