70. Kapitel- Carpe Diem

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Melancholie bestimmte die Abendstunden. Die Singvögel waren bereits in ihre Nester und Dachspalten verschwunden, der Himmel hatte sich in ein dunkles Wolkentuch gehüllt und kahle Straßenlaternen warfen flackerndes Licht auf die Gehwege und asphaltieren Gassen.
„Abendessen ist fertig.", sprach eine Stimme hinter mir, währenddessen ich noch immer wie gebannt aus dem Fenster der kleinen Innenstadtwohnung blickte. Nur ein Zimmer, sowie ein enges Bad, das war Peggys Reich. „Ethan. Komm bitte Essen.", zog die Blondine mich von der Scheibe weg und hin zu einem winzigen Ecktisch, welcher sich zwischen der Singleküche und dem, mit Kuscheltieren besetztem, Bett zwängte. Ich ließ mich führen und wurde auf den alten Klappstuhl verwiesen, welchen meine Gastgeberin unter ihrem Bett hervorgezogen und vor dem Tisch ausgebreitet hatte. Sie hingegen nahm auf ihrem Bett Platz, denn ein weiterer Stuhl passte auf keinen Fall in diese Ecke. „Das sind Nudeln mit Tomatensoße. Ich dachte mir, das geht schnell zu kochen und jeder mag es, also... Ich hoffe, es schmeckt dir.", lächelte Peggy mir freundlich entgegen und begann daraufhin mit dem Besteck die Nudeln ihres Tellers in sich zu stopfen. Wirklich elegant sah sie dabei nicht aus. Ich derweil nickte nur auf ihre Worte hin und betrachtete den Essensberg, der sich auf meinem Teller befand. Scheinbar wollte sie mich mästen, denn diese Portion hätte für gleich drei Personen genügt. Leise seufzend stocherte ich in dem Nudelhaufen herum, als ich Pegs Blick auf mir bemerkte. Sie beobachtete mich, schluckte daraufhin und wandte sich einmal mehr an mich: „Sicher, dass du ohne ihn leben kannst?" Ich sah auf. Was hatte sie jetzt schon wieder vor? Schweigend zuckte ich mit den Schultern. Ich hatte keine Lust auf noch eine Diskussion dieser Art. „Eth, denk doch mal nach! Wenn du dich nicht mit ihm aussprichst, dann wirst du für immer ohne ihn sein müssen und ganz augenscheinlich kannst du das nicht.", fügte sie hinzu und schob sich währenddessen einen weiteren Löffel Spagetti in den Mund. Ich nickte zustimmend. „Kann gut sein. Doch hier geht es nicht um mich. Hier geht's um ihn. Ich bin eine Gefahr für ihn. Ohne mich ist er in Sicherheit. Ohne mich ist er besser dran.", entgegnete ich nüchtern und fischte eine einzelne Nudel auf meine Gabel, ließ sie dann jedoch wieder zurück auf den Teller fallen. „Es geht um euch!" Peggy wirkte schon fast genervt, betonte das letzte Wort ihrer Aussage auffallend stark. Sie tat, als wäre sie mir um so viel überlegen, dabei bekam sie ihr Privatleben genauso wenig auf die Reihe. „Hast du dich denn mit deinem Professor ausgesprochen?!" Provozierend hob ich meine Stimme und funkelte sie scharf an. Sie sollte es einfach gut sein lassen, sich nicht weiter einmischen. Was zwischen Jan und mir gelaufen war, ging sie absolut nichts an! „Ethan. Du liebst ihn. Und er liebt dich. Ja, sicherlich hast du viele Dinge getan, die Scheiße waren. Und bestimmt hast du auch allen Grund, den Kontakt abzubrechen, aber hältst du das wirklich für die beste Lösung? Wirklich?! Selbst wenn du eine ‚Gefahr' für ihn sein solltest, denkst du dann echt, du bist das einzig gefährliche dort draußen? Glaubst du, er ist alleine und am Boden zerstört sicherer als bei dir? Und hast du mal über seine Gefühle nachgedacht? Wie er sich fühlen muss?! Du sagst zwar, du hättest selbstlos gehandelt, doch in Wahrheit ging es dir doch null um Jan! Es ging darum, dass du Angst hast. Angst, eine Gefahr für ihn zu sein oder von ihm gehasst zu werden oder was auch immer! Und da läufst du lieber weg, anstatt zu hören, was er will! Lässt ihn sich besaufen und hüllst dich hier ein in Selbstmitleid. Das ist doch erbärmlich. Anstatt dich deinen Problemen wirklich zu stellen, haust du einfach ab und tust dann so, als wäre es nicht egoistisch gewesen." Peggy ballte ihre Hände zu Fäusten, bevor sie von ihrem Bett hoch schnellte. „Ich habe keinen Hunger mehr. Iss und dann geh baden! Ich lasse dir das Wasser ein." Mit diesen Worten räumte sie ihr Geschirr beiseite und verließ den Raum.
Ich jedoch blieb zurück, saß noch immer auf dem dämlichen Klappstuhl an ihrem viel zu kleinen Ecktisch und starrte noch immer zu dem Platz, auf dem die junge Medizinerin bis eben gesessen hatte. Fuck, dachte ich mir. Sie hatte mich getroffen, tief ins Mark. Ich spürte, wie alle meine Wunden zu bluten begannen, sah alle die Augenblicke vor mir, die ich so sehr bereute. Sie hatte mich. Es stimmte, all das, was Peggy gesagt hatte, stimmte. Für einen Moment wandte ich mich an den Tisch, fixierte das Messer, welches neben meinem Teller lag. Eine schnelle Bewegung, dann wäre all das Leid beendet. Doch sie hatte Recht, ich rannte vor meinen Problemen davon. Immer. Und so erhob auch ich mich vom Tisch, ließ den Nudelberg einfach zurück und folgte meiner Freundin ins Badezimmer. Mein innerstes war wie taub, doch nun war es nicht mehr die stille Melancholie, welche in der Luft lag, sondern eine tiefe, schmerzvolle Erschütterung, die einen tiefen Krater in mein Herz gerissen hatte.

Höllenkrieger- Legt die Waffen nieder!  || Boyslove! Yaoi!♡~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt