24. Kapitel- Verlust der Vernunft

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Zitternd lief ich durch die vielen Seitengassen, folgte einmal mehr der Wegbeschreibung meiner Schwester. Schon verrückt, wenn ich so darüber nachdachte, dass sie mir damals alles bedeutet hatte und nun? Nun wünschte ich, sie wäre einfach weg, würde nicht mehr zu meinem Leben gehören. Ich selbst hasste mich für diese Gedanken, denn meine liebste Schwester hatte sich für mich geopfert. Für mich! Damit ich leben durfte, neu anfangen konnte und ich? Ich trat ihre Heldentat durch solchen Überlegungen mit Füßen. Es war schrecklich egoistisch von mir, doch bei dem Gedanken an diese Person, die ich schon bald tot vor mir sehen würde, wurde mir automatisch übel und es gelang mir fast nicht, meinen Weg zum Zielort fortzusetzen. Dieser Mensch, dessen Tod gewünscht wurde, was er wohl so schlimmes getan haben musste, dass ich ihm sein Leben nehmen sollte? Hatte er selbst Morde begangen oder gefiel er meiner Schwester nur einfach nicht? War sie schon so grausam geworden, einfach beliebig Menschen ermorden zu lassen, die nicht nach ihrem Ideal lebten? Doch nein, das konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. So war sie nicht, doch woher sollte sie diese ganzen Männer denn bitte kennen? Was hatten sie ihr denn bitte getan?! Scharf biss ich mir auf die Unterlippe, als ich das Wohnhaus meines nächsten Opfers erblickte. Dunkle Wolken bedeckten den Himmel, versteckten die Sonne hinter sich und ließen erahnen, dass sich wohl auch heute ein Unwetter zusammenbrauen würde. Stumm sah ich an mir hinab. Ich musste es schnell hinter mich bringen! Musste es einfach durchziehen, für meine Schwester und es danach vergessen. Ich hatte keine Wahl, konnte nur versuchen das beste daraus zu machen, indem ich es einfach nicht zu nah an mich heran ließ. Früher hatte ich doch auch bereits Menschen ermordet, unschuldige Mitglieder meiner eigenen Familie, Blutsverwandte, alte Leute, die nicht einmal den Hauch einer Chance hatten sich zu wehren. Eiskalt hatte ich sie umgebracht, was also war der Unterschied zu heute? Es war egal. Ich tat es aus Liebe, ja! Aus reiner Liebe! Wenn diese Menschen tatsächlich so schlecht waren, beschützte ich die Welt ja sogar vor ihnen, indem ich verhinderte, dass sie noch weitere Schandtaten vollbrachten. Oder? Das Auslöschen des Bösen, machte mich das nicht automatisch zu etwas Gutem? Einem Retter? Ich schüttelte seufzend den Kopf. Mir solchen Scheiß einzureden machte es auch nicht besser. Ich war ein Monster geworden und genau das sollte ich auch immer werden. Es war mein Schicksal zu töten. Ein Schicksal, was schon seit meiner grausamen Kindheit feststand. Ich konnte mich nicht wehren, es nicht verhindern und so nahm ich all meinen Mut zusammen und stapfte auf das Haus des nächsten Opfers zu, in Gedanken an den Tod meiner Schwester. Sie hatte alles für mich gegeben und dasselbe würde ich nun auch für sie tun. Das war ich ihr schuldig. Eine Schuld, die niemals beglichen werden konnte, denn sie war bereits tot, womit ich mich niemals für sie hätte opfern können. Doch das hier, das konnte ich noch für sie tun!
„Hallo!", rief ich mit kratziger Stimme, während ich kräftig gegen die Haustür des Fremden klopfte. Mein Herz raste vor Angst, doch ich überhörte es. Ich wollte es einfach nur hinter mich bringen und so hämmerte ich immer weiter gegen die alte, doch massive Tür, ohne dass sich etwas regte. „Scheiße!", brüllte ich wütend und trat mit voller Wucht gegen einen der Blumentöpfe, welcher schön dekorativ vor der Tür des Einfamilienhauses stand, dessen Inhalt jedoch schon längst vertrocknet war. Krachend zersplitterte er auf dem Boden, nachdem er einige Meter weit durch die Luft geflogen war. Die trockene Erde aus dem Gefäß verstreute sich auf dem Boden und ich ballte meine Hand zur Faust. Verdammt! Ich rang nach Luft, versuchte mich zu beruhigen, doch erst als ich mich auf meinen Knien abstütze und somit den Blick senkte, erkannte ich ihn, wie er dort lag. Ganz unauffällig versteckte er sich inmitten von Staub und Schmutz, ein kleiner, silberner Schlüssel, welcher wohl unter dem Blumenkasten gelegen haben musste. Mit zitternden Fingern fasste ich mir den Kleinen, erhob ihn und betrachtete das Fundstück gewissenhaft, bevor sich mein Blick zu der Eingangstür wendete. Oh Gott, so viel Glück konnte man doch nicht haben, oder? Das würde ja wohl kaum der Schüssel für das Haus sein, nicht wahr? Zögernd ließ ich meine Finger über das alte Türschloss gleiten, als mir bereits ein eisiger Schauer über den Rücken lief. Bitte, bitte, lass ihn passen! Sichtlich angespannt starrte ich auf das Schloss, während ich den Schlüssel darin versank, ihn drehte und sich die Tür mit einem leisen Klacken auftat. In diesem Moment rutschte mir mein Herz beinah in die Hose und ich spürte, wie sich Tränen in meinen Augen bildeten. Oh verdammt! Danke! Scheiße danke! Ich schob die Tür weiter auf, trat schweigend ins Haus ein und verbarrikadierte den Fluchtweg zur Sicherheit sofort wieder hinter mir. Nun gab es kein zurück mehr! Ich würde den Auftrag meiner Schwester ausführen, komme was wolle!

Höllenkrieger- Legt die Waffen nieder!  || Boyslove! Yaoi!♡~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt