Mit bleichem Gesicht und zitternden Händen stieg ich aus dem Auto. Der Regen hatte mich vollkommen durchnässt, doch mich reinzuwaschen vermochte selbst er nicht. Stumm ließ ich die Beifahrertür des Wagens zufallen, hörte, wie auch Ben das Auto verließ. Noch immer war mein Blick zum Boden gerichtet und auch jetzt noch überzog ein eiskalter Schauer meinen Rücken. Nur noch ein klein wenig, eine kurze Weile, dann würde ich mein Bett erreicht haben und konnte mich unter der schützenden Decke verkriechen, am liebsten für immer. Bis sich keine einzige Erinnerung an diesen Abend mehr in meinem Kopf befinden würde. Bis alles vergessen wäre. „Kannst dich ja mal melden. Vergiss nicht, unsere Türen stehen dir immer offen. Bist immer herzlichst willkommen!“, sprach Ben da plötzlich und ich erhob meinen Kopf, sah zu ihm herüber. „Danke fürs Fahren.“, erwiderte ich und ließ seine Worte ganz und gar unkommentiert. Nur innerlich dachte ich mir, dass ich dem Drang und der Sehnsucht gegenüber des Clubbesuches, welche Ben in mir erweckte, vielleicht doch nachkommen sollte. Ob das klug war? Ich wusste es nicht, doch mit jedem weiteren Wort verfiel ich ihm mehr, glaube ihm, als wäre dieser Club, diese Gemeinschaft, mein letzter Ausweg. Als würden sie mich vielleicht doch verstehen können und im Stande sein mich vor dem zu retten, was gerade in mir zu wachsen begann. Ob Benedikt mich mit Absicht dazu brachte, so zu denken? Ja, sicherlich, doch es gelang ihm, denn allmählich war ich nicht mehr in der Lage mich zu wehren. Meine Kraft hatte mich verlassen, mein eiserner Wille zerbrach jede weitere Nacht um ein weiteres Stückchen und bald schon würde ich die Welt sicherlich anders betrachten. Was also sollte ich tun, wenn ich letztlich doch nichts ausrichten konnte? Es einfach annehmen, seinen Worten folgen und mich unterordnen? Mich damit abfinden, ein Monster zu sein? War das die Lösung all meiner Probleme? Einfach aufhören zu denken, zu fühlen?
„Ethan?!“, erklang, wie aus dem Nichts, eine helle Stimme, welche mich aus den Abgründen meiner tristen, grausamen Gedankenwelt holte, zurück ins hier, zurück ins jetzt. Erschreckt fuhr ich zusammen, denn der Tonfall, mit dem mein Name so kratzig gerufen wurde, versprach nichts Gutes. Augenblicklich wand ich mich umher, suchte nach dem Ausgangspunkt der Stimme und erstarrte für einen Moment, als ich einen klitschnassen, vor Kälte zitternden Fuchs einige Meter vor mir wiederfand. Mein Vermieter sah ziemlich angepisst zu mir hinauf, während sein rotes Haar nass an seiner Stirn klebte. „Jan.“, flüsterte ich leise, nicht ahnend was da noch auf mich zukommen würde, woraufhin ich Bens Aufmerksamkeit auf mir spürte. „Wer ist das?“, erkundigte er sich, da blinzelte ich auf. Ruckartig zog sich alles in mir zusammen und ich spürte erneut Wut in mir hoch kochen. Ben war mit Sicherheit kein allzu schlechter Mensch, im Gegenteil, seine Freundlichkeit und gute Manier ließ ihn tatsächlich ziemlich sympathisch wirken, doch er war bereit andere zu beeinflussen und manipulieren ohne mit der Wimper zu zucken. Er wirkte zwar liebenswert und vertrauenswürdig, doch mindestens genauso gefährlich. Und diesen Menschen sollte ich nun wirklich mit Jan bekannt machen? Jan, dem naivsten und leichtgläubigsten Jungen den ich überhaupt kannte? Nein, das würde doch niemals gut gehen. „Nur mein Vermieter.“, entgegnete ich also in Sorge um das Wohlbefinden meines kindlichen Freundes, Jan jedoch fiel in diesem Moment beinah alles aus dem Gesicht. Verletzt wich er zurück, als würde er sich fürchten. Ich derweil wollte ihn doch nur schützen, weshalb ich Ben auch dazu drängte, sich schleunigst wieder vom Acker zu machen. Dieser Bitte kam er dann mehr oder weniger gern nach, stieg in sein Auto und verließ uns, endlich! Überfordert drehte ich mich zu Jan, der mir in diesem Moment auch schon die Haustürschlüssel an den Kopf warf. „Das war also dein Notfall?!“, schrie er mich plötzlich an, wobei die Verzweiflung und Wut, die sich nur zu deutlich auf den Klang seiner Stimme auswirkten, kaum zu überhören waren. „Weißt du eigentlich was ich mir für Sorgen gemacht hab, als der Chef mich anrief?! Weißt du das!“, fuhr er lautstark fort und ich erkannte, wie kleine, glänzenden Tropfen aus seinen Augen traten, schnell und schön an seinen Wangen hinab liefen. Jan. Verdammt, was hatte ich nur getan? Dabei hatte ich niemals vor gehabt, ihn dermaßen zu verletzten. Im Gegenteil, ich wollte ihn lachen sehen, immer und seine Fröhlichkeit, die immer so lieblich wundervoll war, dass sie jeden ansteckte, der sich in Jans Nähe befand. All das war in diesem Moment wie tot, als wäre alles, was wir uns bis dato aufgebaut hatten, einfach zerstört. „Dabei dachte ich wirklich, du nimmst das hier ernst! Ich dachte, du würdest diese Chance nutzen! Ist dir bewusst, wie ich mir den Arsch aufgerissen habe, damit du den Job und diese blöden Unterlagen bekommst?! Und womit dankst du es mir?! Mit Lügen, mit Unzuverlässigkeit! Der Chef meinte, noch einmal so ein Ding und du fliegst aus dem Laden! Du hast es allgemein nur meinen Bitten zu verdanken, dass du nicht sofort gefeuert wurdest!“ Ich schluckte schwer, trat einige Schritte auf den Kleinen zu, welcher augenscheinlich das Schluchzen mit aller Kraft zu unterdrücken versuchte. Zitternd rang er nach Luft und nahm die Hände vors Gesicht. Kaum als ich das sah, begann auch in mir alles zu schmerzen. Wie konnte es denn nur so weit kommen? Wie? Ich hatte ihn so sehr enttäuscht, doch ändern konnte ich es nicht. Ich durfte ihm nicht die Wahrheit sagen, es ging nicht. Er sollte nicht erfahren, wer ich wirklich bin. Das hätte ihn doch ohnehin noch viel mehr verletzt, als zu denken, ich hätte seine Hilfe nicht geschätzt. Als zu glauben, ich hätte alles einfach weggeschmissen, ohne überhaupt darüber nachzudenken.
„Aber klar, wer bin ich schon, dass ich dir so etwas sagen dürfte?! Ich bin ja nichts weiter als dein Vermieter, hab ich Recht?! Nichts weiter!“, fügte Jan noch hinzu, während er immer weiter vor mir zurück wich, bis er an der Tür des kleinen Hauses angekommen war. Nun gab es keine Möglichkeit mehr für ihn zu flüchten, sodass ich genau vor ihm zu stehen kam und unsere nassen, fröstelnden Körper sanft aneinander drückten. „Ich kann dir die Wahrheit nicht sagen. Es tut mir leid, doch Jan, glaub mir wenn ich dir sage, dass ich dir immer dankbar war, für alles. Und dass, wenn ich eine Wahl gehabt hätte, die Arbeit heute nicht verlassen und dich damit enttäuschen zu müssen, dann wäre ich geblieben. Ich wäre geblieben!“, sprach ich leise und nahm die Hand meines Freundes, dieser jedoch entzog sich mir. Er verstummte vollkommen, drückte mich zitternd von sich. „Ich hätte deine Wahl sein können. Ich hab dir eine Chance gegeben. Wieso gibst du mir keine?“, mit diesen Worten sah er zu mir hinauf und ich erkannte das wahre Ausmaß meiner Handlung. Jan wich zur Seite, erlangte somit seine Freiheit zurück. Noch einmal musterte er mich, bevor er seinen Blick von mir nahm, den Kopf senkte und mich verließ. Langsam setzte er einen Fuß vor den Nächsten, zurück in den Regen. Ich konnte mir nicht ausmalen, wie lang er hier vor meinem Haus auf mich gewartet haben musste und das, obwohl er doch den Schlüssel zur Wohnung hatte. Ich konnte nicht ahnen, wie sehr ihn mein Verhalten verletzten musste, doch nun wusste ich, dass es nichts gab, was ich mir sehnlichster wünschte, als ihn glücklich zu sehen. Und nichts im Leben würde ich mir mehr vorwerfen, als ihn verletzt zu haben. Jan, der sich kein einziges Mal zu mir umdrehte, als er ging, schneller und schneller, bis er letztendlich rannte. Jan, den ich doch nur hatte beschützen wollen. Ihn, den ich doch mehr brauchte, als alles andere. Und ich spürte, wie auch an meiner Haut still und heimlich Tränen des Schmerzes hinab liefen, während ich meine Stirn dumpf gegen die Haustür fallen ließ. Wie hatte ich ihm diese Qual nur antun können? Wie nur?
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Höllenkrieger- Legt die Waffen nieder! || Boyslove! Yaoi!♡~
Science FictionSeit Jahrzehnten regiert die höhst grausame Sekte "Blauer Kolibri" die Ländereien des Nordens. Die Mitglieder leben in Angst vor der zunehmenden Gewalt innerhalb der Organisation und vor allem die sogenannten "Höllenkinder" oder auch "Höllenkrieger"...