67. Kapitel -Abschied

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Stumm trat ich Zuhause in unsere kleine Wohnung. Wie ich hier her gekommen war, konnte ich nur ahnen. Auf den Weg hatte ich jedenfalls nicht geachtet, fühlte mich wie unter Wasser. Alles war so dumpf und entfernt. Nur eines war ganz nah, ganz allgegenwärtig: Die Trauer um meinen kleinen Fuchs, den ich in den letzten Wochen so lieb gewonnen hatte. Vorbei war nun die Zeit mit ihm und das nahm mich sehr mit. Doch es ging nicht anders. Blieb ich bei ihm, so bestand das Risiko, dass er verletzt werden würde. Von mir. Und das durfte und wollte ich unter keinen Umständen hinnehmen. Lieber verließ ich ihn.

So trat ich also in mein kleines Schlafzimmer, vor den hohen Kleiderschrank und griff mir eine große, im Schrank herum schwirrende Einkaufstüte. Vermutlich hätte ich zittern müssen, unruhig und nervös sein müssen, doch das war nicht der Fall. Im Gegenteil, ich war ganz ruhig, ganz bei mir. Denn ich wusste was zu tun war, dass es keinen anderen Ausweg gab. Es war hart, doch die Realität hatte mich eingeholt. Einmal mehr und nun wohl endgültig. Die Zeit mit Jan war unvorstellbar schön gewesen, niemals hatte ich so etwas erlebt. Ich dankte ihm dafür, so sehr. Noch nie hatte ich solch starke, tiefe Gefühle für einen Menschen empfunden. Nicht einmal meine eigene Schwester mochte ich mehr als ihn. Er war einfach alles für mich. Und genau deshalb musste ich gehen, weil er wichtiger war, seine Gesundheit.

„Ethan?", hörte ich eine verschlafene Stimme hinter mir, während ich gerade dabei war, die erstbesten Klamotten, die ich in dem Wirrwarr des Schrankes gefunden hatte, in meine Tüte zu stopfen. Augenblicklich fuhr ich zusammen. Jan. „War's schön mit Ben?!", fauchte er gereizt hinter mir, als ich mich zu ihm drehte. In Schlafzeug stand er im Türrahmen, seine Hände vor der Brust verschränkt, sein Haar ganz wirr vom Bett. Verächtlich blickte er zu mir und stachelte weiter gegen Benedikt, in dessen Auto ich am frühen Abend gestiegen war. „Ich hoffe ihr hattet euren Spaß! Aber nur so nebenbei: ich hab stundenlang auf dich gewartet!", keifte er mich beleidigt an und die Eifersucht war ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Wäre die Situation nicht so verbissen, hätte ich mich vermutlich über seine Reaktion gefreut, denn sie hatte zu bedeuten, dass er mich wohl ähnlich stark mochte, wie ich ihn. Aber die Lage war verbissen, sodass ich meinem Fuchs keine weitere Beachtung schenkte, sondern stattdessen mit dem Packen fortfuhr.

Dies fiel meinem Mitbewohner natürlich auf und er stockte. „Was tust du da?", wollte er wissen, doch ich gab ihm keine Antwort. Seine Frage war wie ein Stich in mein Herz. Ich würde sein Herz brechen, indem ich verschwinde. Klar, das war mir natürlich bewusst, doch das war die bessere Alternative. Lieber sollte er traurig sein, als tot.

So beendete ich meine Vorbereitung, schloss die Schranktür und warf mir die Henkel des vollen Beutels um die Schulter. Jan jedoch stellte sich blitzschnell vor die Tür und machte keine Anstalten, sich jemals wieder von diesem Platz wegbewegen zu wollen. „Was ist denn dein scheiß Problem?!", schrie er mich wütend an, verstand selbstverständlich absolut nichts mehr. Der Moment des Abschieds war gekommen. „Ich muss gehen. Es tut mir leid."

Irritiert betrachtete er mich, wartete wohl auf eine Erklärung. Fest starrten mich seine hellen Augen an und ich versuchte mir, die Farbe seiner Augen einzuprägen. Nie wieder würde ich dieses helle grün erblicken, niemals. Seine süßen Sommersprossen, seine kleine Nase und sein strahlendes Lächeln, wenn ich wieder einmal etwas Blödes gesagt hatte. All das würde ich nach der heutigen Nacht niemals wieder zu Gesicht bekommen. „Es ist besser so.", speiste ich ihn mit so einer Floskel ab. Das hatte er nicht verdient, doch wozu noch große Reden schwingen? Was sollte das bringen. Das Ergebnis blieb dasselbe: unsere Wege sollten sich hier und jetzt trennen.

Da wurde meinem Fuchs allmählich klar, was genau mein Handeln zu bedeuten hatte und er wurde bleich. Seine Augen füllten sich mit Tränen und er begann mit dem Kopf zu schütteln. „Auf gar keinen Fall! Was ist denn?! Sag mir, was du hast! Hab ich was falsch gemacht?!", schluchzte er und stieß mich wütend zurück, sodass ich einige Schritte zurück ins Zimmer taumelte.

Noch immer versperrte er mir den Weg, dabei musste ihm doch klar sein, dass sein Verhalten den Abschied nicht gerade einfacher gestaltete. „Ich bin nicht gut für dich. Ich bin gefährlich.", musste ich es ihm wohl oder übel gestehen. Besser hatte es mir gefallen, wenn er mich in guten Erinnerungen behalten hätte, doch vielleicht fiel es ihm ja leichter, mich zu vergessen, wenn er mich hassen würde. Vielleicht könnte er dann schneller wieder glücklich sein und nichts anderes wünschte ich mir für ihn. Er sollte ein frohes, erfülltes und sicheres Leben führen.

„Was redest du für Mist?! Du beschützt mich doch! Oder ist es immer noch wegen der Schlägerei? Ich sagte doch, dich trifft keine Schuld! Verdammt, hör auf dich dafür zu bestrafen! Du kannst nichts dafür, dass die mich verprügelt haben! Das sind Idioten, okay?!" Jan wirkte, als würde er jeden Moment zusammen brechen. Es traf mich hart, ihn so sehen zu müssen, doch es blieb bei meiner Entscheidung. Natürlich tat es das. Was hatte ich für eine Wahl? „Nein, damit hat es natürlich nichts zu tun. Es liegt nicht an denen oder an dir. Ich bin es, weswegen ich gehen muss. Ich bin ein Monster. Wenn du wüsstest. Glaub mir, du bist ohne mich besser dran. Und nun geh beiseite, Jan!", erwiderte ich und die Augen meines Gegenübers weiteten sich. „Du Arsch! Was redest du?! Du bist doch kein Monster! Du bist der liebenswerteste, warmherzigste Mensch den ich kenne! Also hör auf, dich selbst schlecht zu machen und pack die verdammten Klamotten wieder aus! Lass uns das ausdiskutieren!" Ich sah, wie er zitterte, wie er mir sein Herz hinüber reichte und ich es zu Boden warf, er zerspringen ließ. Ich vernahm, die Brüchigkeit seiner Stimme und die Tränen, welche an seinen Wangen hinab rannen. Dennoch, es half nichts.

„Ich habe gerade ein Kind ermordet. Und das ist nicht mein erstes Opfer. Ich bin ein Mörder. Das war ich schon immer. Mein Vater, ich hab auch ihn umgebracht. Ich hab ihn erwürgt, mit meinen bloßen Händen. Heute erst habe ich eine Frau erstickt, doch vor ein paar Wochen, da hab ich einem einen Kerzenständer in die Kehle gerammt. Und es hat mir Spaß gemacht, zumindest die ersten Male."

Direkt blickte ich ihm in seine Augen, sprach ganz ernst, ganz klar und deutlich. Meine Stimme war fest und angemessen laut. Kein Anzeichen von Angst oder Nervosität, nichts. Denn in jenem Moment, da hatte ich bereits mit meinem Leben abgeschlossen. Es gab kein Zurück mehr, ich wusste das. Jan würde mich hassen, so oder so. Es war vorbei und ich konnte absolut nichts dagegen unternehmen. Das war das Ende.

Ich erinnere mich nicht mehr an seine genaue Reaktion, seinen Gesichtsausdruck oder die Veränderung seines Blickes. Es muss wohl ziemlich schmerzhaft für beide Parteien gewesen sein, sodass ich diese Erinnerung schlichtweg verdrängte.

Woran ich mich jedoch heute noch genausten entsinne ist sein Schweigen. Wie er von der Tür bei Seite trat, mich vorbeiziehen ließ, ohne ein weiteres Wort, und ich hinaus in die noch immer anhaltende Nacht verschwand. An jenem Abend hatte ich sein Herz nicht nur zu Boden geworfen, sondern es auch noch mit meinen Füßen zertreten. Das würde ich mir wohl niemals verzeihen können, doch zumindest musste er nun nicht durch mich sterben. Zumindest das.

Höllenkrieger- Legt die Waffen nieder!  || Boyslove! Yaoi!♡~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt