4. Kapitel- An deiner Seite!

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Schweißgebadet schreckte ich hoch, riss meine geröteten Augen auf und sah mich panisch um. Mein Atem war flach und schnell, meine kurzen Fingernägel in die Bettdecke gekrallt. Nass lagen mir meine Haare im Gesicht und ich keuchte pausenlos. Was?! Aus meinen Augen traten Tränen, denn zwar war ich in der neuen Wohnung erwacht, doch wurde mir zeitgleich bewusst, dass dieser 'Traum' nicht meiner Fantasie entsprach. Es war eine Erinnerung, die ich hoffte schon längst vergessen zu haben. Sie lag noch nicht lang zurück, denn nachdem ich aus der Finsternis erwacht war, hatte ich mich bereits in dem Container befunden. Doch diesen Teil der Geschichte kennt ihr ja schon. Nun, ich jetzt auch. Und diese Erkenntnis brachte mich beinah um den Verstand. Mir wurde übel als ich an das viele Blut dachte, dass direkt aus der Brust meiner Schwester geflossen war. Und das, obwohl ich diese rote Soße doch schon so lang gewohnt war. Nie hatte ich ein Problem mit ihr gehabt, doch meine Schwester... Sie war tot. Und diese Flüssigkeit war der Beweis. Ich konnte es kaum fassen, zog die Beine an meine Brust. Ich legte meinen Kopf auf meinen Knien ab, schluchzte leise. Sie hatte das nicht verdient, nicht meine Schwester! Sie war ein guter Mensch gewesen! Sie war alles! Doch nun war sie nichts, außer eine Tote mehr, die unsere Familie zu beklagen hatte. Und ich hatte sie nicht beschützen können! Fest biss ich mir auf die Unterlippe und spürte, wie der Schmerz sich durch meinen Körper zog. Wie gern wäre ich ihr gefolgt, ins Jenseits, doch diese Belohnung hatte ich nicht verdient! Nicht ich, der sie so sehr enttäuschte! „Ethan!", hörte ich ihre Stimme noch immer, doch! Ich stoppte und riss den Kopf hinauf. Dieses Flüstern hatte sich so real angehört. „Ethan?" Ich schluckte. Da, schon wieder! Aber... es war, als spräche tatsächlich jemand zu mir. Eine Frau, mit heller, weicher Stimme, ganz so wie meine Schwester sie hatte. Ich hielt den Atem an. Das konnte doch gar nicht sein! Ich hatte sie sterben sehen! Das war unmöglich!! „Ethan. Ich bin es!" Ich biss die Zähne zusammen, sprang auf. Nein! Das war nur ein Traum! Ein Traum und nichts weiter! Ich schrie, rannte wie verfolgt ins Badezimmer und schmiss mich unter die Dusche. Ruppig zog ich die Brause zu mir herab und stellte kaltes Wasser an, um mich davon beregnen zu lassen. Aufwachen! Ich musste Aufwachen! „Ethan, beruhige dich! Ich bin es doch nur!", sprach die Stimme sanft und ich kniff die Augen zusammen. „Nein! Das kann nicht sein!", brüllte ich wie verrückt und ließ den Duschkopf fallen. Er knallte zu Boden und das Wasser spritzte umher. „Scheiße!", rief ich schluchzend, fiel auf die Knie und krallte mich mit den Fingern in meine eigene Stirn. Fest hielten meine Nägel sich am Fleisch meines Gesichtes fest, bis sich dünne, rote Striemen bildeten. Aufwachen! „Ich wollte dich um einen Gefallen bitten. Du kannst es wieder gut machen, mich im Stich gelassen zu haben." Ich stockte. Im Stich gelassen?! Also doch! Ich war daran schuld, dass sie gestorben war! Es war allein meinetwegen! Völlig fassungslos erhob ich mich, ließ die Brause einfach liegen, drehte mich zum Spiegel. In klitschnasser Kleidung stand ich dort und starrte mich zitternd an. Blut lief von meiner Stirn hinab und meine Augen waren völlig verquollen. „Ich habe sie getötet.", murmelte ich. „Ethan, du willst es doch wieder gut machen, oder?", fuhr die, mir nur zu gut bekannte, Stimme fort, woraufhin ich zu knurren begann. „Ich habe sie ermordet!", kreischte ich aus vollster Seele, holte aus und schlug mit der Faust so fest ich konnte, auf mein Spiegelbild ein. Als meine Knöchel das Spiegelglas trafen, klirrte dieses und zersprang sofort in tausende Teile. Einige, größere, davon fielen zu Boden, zerbrachen dort erneut und meine Hand wirkte sichtlich mitgenommen, als ich sie zurück zog. Erschreckt von dem lauten Knall taumelte ich einige unbedachte Schritte zurück und stolperte prompt über die Türschwelle des Badezimmers.
Wieder und wieder rief, scheinbar der Geist meiner Schwester, meinen Namen. Tyrannisiert und mental völlig zerstört, verkroch ich mich letztlich in einer Ecke des Zimmers, so wie ich es in meiner Kindheit immer getan hatte. Ich suchte Schutz, wenn meine Furcht zu groß wurde. Fest drückte ich meinen schmerzenden Rücken gegen die Wand. Zwar war er vernarbt, doch einige Verletzungen waren noch nicht verheilt und platzten immer mal wieder auf. Kaum traute ich es mich, daran zu denken, wie sie entstanden waren, doch dies schien momentan nun wirklich mein kleinstes Problem darzustellen! „Du musst auf mich hören, Ethan! Wir sind doch ein Team, waren wir immer! Hilf mir! Räche meinen Tod! Für mich! Für uns!" Mir war die Sache nicht geheuer, ich hatte Angst, doch wenn es wirklich meine Schwester war, die da mit mir sprach, dann konnte ich ja gar nicht anders, als ihr zu helfen! Oder? „Bist du es auch wirklich?", fragte ich leise, doch keine Antwort kam. Ich spürte, wie sich mein Puls langsam hinab fuhr und ich erneut an Fassung erlangte. Wäre sie es tatsächlich, bräuchte ich keine Bange haben. Sie würde mir nichts antun! „Hilf mir, Ethan." Ich biss die Zähne zusammen. Was sollte ich bloß tun?! Wenn sie es war, ja, dann täte ich alles! Ich würde sterben für sie! „Du musst jemanden für mich töten!" Erschreckt hielt ich Inne. Was?! Meine Schwester wollte den Tod eines Menschen?! Die Schwerster, die mich gelehrt hatte, wie nutzlos und sinnlos Gewalt gegenüber anderen war? Ich fasste mir an den Kopf, wischte mir das Blut von der Stirn. Nun, der Tod konnte Menschen verändern. Dies bezog sich vielleicht nicht nur auf die Hinterbliebenen. Ich schloss die Augen für einige Sekunden, holte tief Luft. Sie war es. Keine Frage, der Geist meiner Schwester war zu mir zurück gekehrt und ich war bereit, alles zu tun, was sie verlangte. „Ich werde dir alle Details bei gegebener Zeit mitteilen, doch schweig über jede Information! Und auch ich will ein Geheimnis sein! Berichte niemanden über meine Existenz!", ihre Stimme war so hell wie eh und je. Eine Gänsehaut überzog meinen Körper. Sie schien mich nicht zu hören, weshalb Worte wohl nicht angebracht waren, doch diese schienen sowieso unnötig. Natürlich hörte ich auf ihre Befehle, ganz selbstverständlich! Sie war ja meine geliebte Schwester! Ihr Wort war Gesetz! „Ich hab dich lieb, Ethan!", verabschiedete sie sich mit diesen Worten und ich blickte auf. Tief brannte sich dieser Satz in mein Herz, während sich ein Lächeln voll Trauer, doch voll Liebe auf meine Lippen legte. Sie war wieder da, meine Schwester. Sie war an meiner Seite. „Danke...", flüsterte ich, bevor ich mich zurück in mein Bett legte und an schöne Zeit dachte, die nun hoffentlich für mich anbrechen würde. Wenigstens einmal. Wenigstens für eine kleine Weile, nur, damit ich erfahren würde, wie es war. Nur ein einziges Mal.

Höllenkrieger- Legt die Waffen nieder!  || Boyslove! Yaoi!♡~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt