72. Kapitel- Der Adler ist gelandet

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Ihr blond gelocktes Haar tanzte auf ihren Schultern, ihr unscheinbarer, mädchenhafter Lippenstift unterstrich ihre Schönheit und ihr aufrichtiges, breit strahlendes Lächeln gaben ihrem Erscheinungsbild den letzten Feinschliff, während sie unaufhörlich in ihrer kleinen Wohnung auf und ab lief. Nebenbei erklärte sie mir ihren, ihrer Meinung nach, unschlagbaren Plan: „Dann locken wir ihn in mein Auto, wo du dann schon wartest und bevor er weiß, wie ihm geschieht, sperren wir euch beide einfach in meinem Wagen ein! Einem privaten Gespräch, ohne Wegrenngefahr steht nichts mehr im Weg!"
Sie sprach von Jan, meinem ehemals besten Freund, Vermieter, Mitbewohner und treuem Begleiter. Eigentlich war er viel mehr als all das, doch das war ja nun kein Geheimnis mehr.
„Wie war es mit dem Professor?", erkundigte ich mich, wobei ich die Pläne meiner Freundin, eine Medizinstudentin namens Peggy, völlig außer Acht ließ. Tatsächlich hielt ich ihre Vorstellung eines 'Planes' für Humor und nichts als einen Witz. Sie jedoch warf mir einen finsteren Blick zu. „Ja, ja es war schön. Aber nun konzentriere dich gefälligst!", erwiderte sie und lenkte uns thematisch zurück zu ihrem Vorschlag. Peggy war ein guter Mensch. Sie hatte es nicht mit Jan versaut, sie war mir auch rein gar nichts schuldig und trotzdem half sie mir. Einfach so, ohne irgendeine Gegenleistung zu erwarten. Vermutlich war auch dieses Verhalten nicht ganz gesund und ganz sicher hatte ich diese Mühe auch nicht verdient. Denn im Gegensatz zu der Studentin war ich kein guter Mensch, ganz und gar nicht.
„Der Plan ist echt nicht gut, Peg.", brachte ich meine Bedenken dieser Idee gegenüber deutlich zur Sprache, was meine Verbündete gar nicht zu freuen schien. „Wieso das denn schon wieder?! Den letzten fandest du doch auch schon kacke!", jammerte sie und ließ sich verzweifelt neben mich auf ihr Bett fallen. Sie breitete die Arme aus und starrte zur Zimmerdecke empor. „Du wolltest ihn in einen dunklen Hinterhof locken?!", erwiderte ich und konnte mir ein Lachen nicht verkneifen. Es war nicht witzig, überhaupt nicht. Es war bitterernst. Meinetwegen führte sich mein Freund wie ein Alkoholiker auf, während ich in Depression und Selbstmitleid versunken von einer Bekanntschaft zur nächsten zog. Ich stand ohne Obdach da, hatte kein Geld, einen riesigen Berg von Schulden, keinen Job und weder Papiere für ein Amt noch kannte ich jemanden, bei dem ich langfristig unterkommen konnte. Ganz davon abgesehen, dass ich noch immer einzig und allein an ihn dachte. An Jan. Er war mein erster Gedanke nach dem Aufstehen und mein letzter, bevor ich einschlief.
„Wir machen es so, wie ich gesagt habe! Das klappt schon! Also mach dich fertig. Es geht demnächst los!", tadelte die Blondine mich streng und schmollte scheinbar noch immer. Stumm nickte ich, erhob mich von dem weichen Laken ihrer Matratze und schwang mich ins Badezimmer. Ich war nervös, obwohl Nervosität es eigentlich nicht recht traf. Es war eher, als ginge es bei dem anstehenden Gespräch um alles oder nichts, um Leben oder Tod. Es war angsteinflößend, fast schon gespenstisch. Doch ich musste es tun, denn nur auf diese Weise konnte sich etwas ändern und klar war, so wie es jetzt lief, konnte es auf keinen Fall weiter gehen. Wir machten uns nur beide kaputt.

Und so war es unvermeidbar, dass Peggy und ich bald darauf erneut in ihrem Auto saßen, um uns auf den Weg zu Jans Stammkneipe zu machen. Es war eine kleine, unscheinbare Karaoke-Bar, versteckt inmitten eines mittelständigen Wohnviertels. „Die Armen Nachbarn, hören die ganze Nacht betrunkene Leute singen.", versuchte ich mich abzulenken, als wir uns dem Laden zunehmend nährten. Nun waren wir nur noch wenige Straßen entfernt, ein paar Minuten Fahrt, dann wäre es soweit. Gott, meine Kehle schien plötzlich ganz trocken und Angstschweiß bildete sich an meiner Stirn. „Ach, die meisten, die da wohnen sind eh nur Studenten und junge Leute. Dafür sind die Mieten da auch nicht so hoch, wie in anderen Vierteln. Ist halt die Party-Zone.", lachte meine Begleiterin und warf mir einen kurzen, doch stets besorgten Blick herüber. „Bist du bereit?", fragte sie, währenddessen sie in die besagte Straße einbog. Ich jedoch schluckte schwer und wischte mit dem Handrücken die Wasserperlen aus dem Gesicht. „Niemals.", erwiderte ich und tat, als wenn ich es humorvoll gemeint hätte. Doch das hatte ich nicht und das wussten wir beide.

Höllenkrieger- Legt die Waffen nieder!  || Boyslove! Yaoi!♡~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt